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Entscheidet dieser Handelfmeter über den Abstieg von Hertha BSC?

Am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison wurden die Schiedsrichter und Videoassistenten in Köln besonders auf vier Plätzen gefordert. In Dortmund stand Schiedsrichter Stieler zweimal mit seinem Team im Fokus. Während die erste Strafstoßsituation zweifelsfrei richtig gelöst wurde, gab es beim Handspiel viele Diskussionen. Beide gepfiffenen Strafstöße sollten am Ende spielentscheidend sein. 

Borussia Dortmund – Hertha BSC Berlin 2:1 (SR: Tobias Stieler)

Schiedsrichter Tobias Stieler stand schon nach wenigen Minuten im Fokus, als er blitzschnell auf den Punkt zeigte und genau in diesem Moment auch die Fahne von Assistent Beitinger hochging, wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung von Belfodil vor dem Foul von Zagadou. Der Hamburger FIFA-Schiedsrichter wurde nun von seinem VAR Benjamin Brand an den Monitor gebeten. Das ist durchaus ungewöhnlich in dieser Situation, denn beim Abseits handelt es sich um eine faktische Entscheidung und die Entscheidung auf dem Platz, ob Strafstoß oder nicht, war ja korrekt. Stieler ging trotzdem raus und schaute sich alles nochmal in Ruhe an, bevor er bei seiner ersten Entscheidung Strafstoß blieb. Bereits hier wurde Stieler von zwei Berliner Spieler vor dem Review angesprochen, nahe an der für Spieler verbotenen Area rund um den Bildschirm. [TV-Bilder – ab Minute 1:27 Minute]

In der 64. Minute bekamen die Dortmunder einen Freistoß an der Strafraumgrenze. Guerreiro trat an und dann waren gleich zwei Berliner Spieler mit dem Arm am Ball. Erst Ascacibar, der mit beiden Armen am Körper den Schuss abfälschte, bevor es einen zweiten Kontakt am Arm von Plattenhardt gab. Tobias Stieler ließ zunächst weiterspielen, bekam aber einen Hinweis aus dem VAC von Benjamin Brand, der ein On-Field-Review empfahl. Nach diesem entschied Stieler auf Strafstoß für den BVB. Eine sehr komplexe Handspielsituation! [TV-Bilder – ab 6:35 Minute]

Denn es müssen nicht nur zwei Handspiele unmittelbar nacheinander bewertet werden, beide hängen auch noch zusammen. Zunächst der Kontakt bei Ascacibar: Der Berliner Spieler hatte beide Arme eng am Körper, machte dann aber von der Schulter ausgehend schon eine Bewegung in die Schussbahn. Dabei blieben beide Arme reicht weit am Körper, sodass hier sicher keine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche vorliegt. Beim Aspekt der Absicht ist ihm ebenfalls kaum ein stichhaltiger Vorwurf zu machen, nur weil er vom gesamten Körper ausgehend eine leichte Bewegung in die Schussbahn machte. Also hier für mich erstmal noch kein strafbares Handspiel.

Durch den Kontakt bei Ascacibar spielte sein Kamerad Plattenhardt den Ball direkt danach in der Luft mit dem Arm. In dieser Feststellung steckt bereits das stärkste Argument gegen ein strafbares Handspiel: Der Ball wurde sehr spontan abgefälscht und Plattenhardt hatte eigentlich kaum Zeit überhaupt zu reagieren. Dennoch schaut die Szene in einigen Perspektiven echt komisch aus, weil der Arm von Plattenhardt auf alle Fälle die Körperfläche vergrößert und eine Bewegung zum Ball da ist. Nur ist diese wirklich unnatürlich? Zum einen ja, zum anderen nein. Denn der Berliner Verteidiger hat schon vor der Freistoßausführung die Arme sehr weit vom Körper entfernt, zieht sie dann kurz näher ran und wieder weg, als der Ball kam. Andererseits ist es in der Einlaufbewegung auch nicht normal die Arme in einer Stellung zu haben, wie sie sein Kollege zuvor hatte.

Ein Graubereich

Es gibt hier Argumente für beide Entscheidungen, am Ende überwiegt für mich aber doch die Vergrößerung der Körperfläche in Kombination mit der Bewegung zum Ball. Eine klare Fehlentscheidung ist Weiterspielen hier meiner Meinung nach aber auch nicht. Und dennoch kann das Eingreifen von VAR Brand richtig gewesen sein, wenn Stieler in dieser sehr komplexen und in Realgeschwindigkeit schnellen Szene nicht die volle bzw. eine falsche Wahrnehmung hatte. Das ist aber wie immer leider nicht transparent. Sowohl Ascacibar als auch Plattenhardt wurden für unsportliches Reklamieren in der Nähe der Review-Area verwarnt. Bei Ersterem ist die Verwarnung vom Regelwerk her zwingend vorgesehen. Für Ascacibar ist die Verwarnung besonders bitter, weil er durch die fünfte gelbe Karte für das Hinspiel in der Relegation am Donnerstag gesperrt sein wird. „Doofheit muss bestraft werden„, schrieb Thorsten Kinhöfer sehr treffend.

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VfL Wolfsburg – FC Bayern München 2:2 (SR: Robert Hartmann)

Das zwischenzeitliche 0:2 durch Musiala wurde von Schiedsrichter Hartmann nach VAR-Review zurückgenommen, denn Davies stand beim Schuss seines Mitspielers im Abseits und behinderte den Wölfe-Schlussmann Casteels durch einen deutlichen Körperkontakt. Dadurch wurde Davies klar aktiv, es handelte sich um eine strafbare Abseitsposition. [TV-Bilder – ab Minute 2:15 Minute]

FC Union Berlin – VfL Bochum 3:2 (SR: Marco Fritz)

Aufschrei an der alten Försterei, als der Bochumer Tesche einen Schuss von Michels im eigenen Strafraum mit dem Arm ins Toraus blockte. Schiedsrichter Marco Fritz stand zwar relativ nah dran, entschied aber dennoch zunächst auf Eckball. Hier stand der Bundesliga-Schiedsrichter aus Korb fast schon zu nah am Geschehen dran und hatte vor allem nicht die nötige Seiteneinsicht. So erklärt es sich, dass Fritz am Monitor sehr schnell seine Entscheidung auf Strafstoß für Union korrigierte. Und das ist hier auch die korrekte Entscheidung. Tesche wirft sich in den Schuss und zieht dabei beide Arme deutlich vor den Körper. Klar ist es in so einer Situation nicht natürlich die Arme am Boden zu lassen, dennoch ist die Vergrößerung der Körperfläche hier zu extrem und wenn er sich so in den Schuss wirft, trägt der Verteidiger das Risiko den Ball mit dem Arm zu blocken. [TV-Bilder – ab Minute 1:55 Minute]

FSV Mainz 05 – Eintracht Frankfurt 2:2 (SR: Martin Petersen)

Burkhardt traf für die Mainzer in der 73. Minute, doch Martin Petersen pfiff direkt und entschied auf direkten Freistoß für Frankfurt statt Tor für die 05er. Für mich ist das in jedem Fall kein Stürmerfoul und auch die Bewertung eines Offensivhandspiels sehe ich hier kritisch. Denn hierfür müsste der Ball bei Burkhardt einen strafbaren Teil des Arms berühren, ob das hier wirklich der Fall war ist fraglich, aber auch nicht zu 100 Prozent anhand der TV-Bilder in der Zusammenfassung zu bewerten. Auffällig ist, dass der Schiedsrichter selber an den Monitor geht. Das spricht dafür, dass Petersen zunächst vielleicht doch auch ein vermeintliches Stürmerfoul an seinen VAR kommunizierte. Denn bei faktischen Entscheidung wie einer Abseitsstellung oder der Bewertung, ob der Ball am strafbaren Teil des Arms war oder nicht, ist eigentlich kein On-Field-Review vorgesehen. Besonders interessant: Sein SR-Kollege Brych ging letzte Woche bei der Partie SC Freiburg gegen Union Berlin nicht raus und verließ sich auf seinen VAR. Damals war der Kontakt am Arm doch weiter unterhalb. [TV-Bilder – ab Minute 4:48 Minute]

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Fazit: Am letzten Spieltag der Saison war den Schiedsrichtern die Anspannung deutlich anzumerken, was die Leistungen am Ende aber nicht schmälerte. Besonders in den entscheidenden Spielen gingen die Schiedsrichter Stieler und Petersen an den Monitor, obwohl ein Review eigentlich nicht zwingend notwenig gewesen wäre. Das führte aber sicher zu keinem Schaden. Bis auf die zweifelhafte Handentscheidung in Mainz war die Bewertung grundsätzlich stark nachvollziehbar.


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Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

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