You are currently viewing Esther Staubli: „Habe eine große Leidenschaft gefunden“
Esther Staubli (Foto: UEFA-Pressemitteilung

Esther Staubli: „Habe eine große Leidenschaft gefunden“

Esther Staubli ist im Moment eine der besten Schiedsrichterinnen. Im Interview teilt Sie ihre Erfahrungen über das Schiedsrichterwesen bei großen Turnieren wie Welt- und Europameisterschaften sowie internationale Spiele. Ein großartiger Einblick in die Schiedsrichterei, interessant zu sehen, wie viel Engagement und Mühe sie hineinsteckt.

Esther Staubli (Foto: UEFA-Pressemitteilung

Ein Blick ins Jahr 2017: Wie war dieses für Esther Staubli? Was war das überraschendste an der U17 Weltmeisterschaft und was waren deine Erfahrungen bei dieser WM?

Esther Staubli:  „Es war schon eine große Überraschung für mich und die anderen sechs Frauen die an der U17 Weltmeisterschaft teilnehmen durften. Nichts war geplant und ich musste sogar eine Reise nach Sizilien absagen, die ich meiner Mutter zu ihrem 70. Geburtstag geschenkt hatte.“

Esther Staubli und Team (Foto: UEFA-Pressemitteilung)

Einmaliger Moment als Schiedsricher

Du warst Vierte Offizielle während des Turniers in Indien, dann bekamst Du das Spiel Japan gegen Neukaledonien. Ein einzigartiger Moment. Wie hast Du davon erfahren und wie hast Du das Spiel erlebt?

Esther Staubli: „Ich war vierter Offizieller und mein Ziel war es, meine männlichen Schiedsrichterkollegen, so gut wie möglich zu unterstützen. Am Morgen nach dem Frühstück im Hotel präsentierte die FIFA immer die Termine für die nächsten Tage und es war wirklich eine große Überraschung, meinen Namen in diesem Meeting zu hören. Ich habe versucht, dass Spiel wie eine normale Partie zu leiten, auch wegen der besonderen Wetterbedingungen in Indien. Als das Spiel begann war ich nur ein Schiedsrichter in der Mitte des Spiels und niemand kümmerte sich darum, ob ein Mann oder eine Frau leitet.“

Arbeiten mit Anthony Taylor’s Assistenten

In diesem Spiel hast Du mit Adam Nunn und Gary Beswick zusammengearbeitet, die sonst beide Anthony Taylor unterstützen. Wie ist die Chemie in einem gemischten Schiedsrichterteam?

Esther Staubli: „Sie haben mich sehr gut unterstützt und auch Anthony, der mir seine beiden Assistenten „geliehen“ hat, hat mir sehr gut geholfen. Es war eine großartige Erfahrung mit zwei solch erfahrenen Assistents-Schiedsrichtern zusammenzuarbeiten, die normalerweise in der Liga zusammen aktiv sind. Ich mochte ihre positive Einstellung sehr und der Geist in unserem gemischten Team war großartig. “

Schiedsrichter aus verschiedenen Ländern

Die U17-Turniere sind neu für Dich als Schiedsrichter. Beim Frauen-EM-Finale arbeiteste Du mit Belinda Brem, ebenfalls aus der Schweiz, aber auch mit Sanja Rodjak Karšić aus Kroatien. Wie ist es mit Schiedsrichtern zu arbeiten, mit den Du noch nie gearbeitet hast?

Esther Staubli: „Bei der Vorbeitung auf die Euro habe ich Sanja für ein Freundschaftsspiel in die Schweiz eingeladen und wir haben einige Tage zusammen verbracht. Darüber hinaus ernannte die UEFA unsere „‚Euro-Mannschaft‘ auch für das Halbfinale der Frauen-Champions League in Frankreich. Für mich war es sehr wichtig, die Spiele und diese Tage gemeinsam als Vorbereitung auf die Euro zu verbringen. Generell arbeite ich gerne mit verschiedenen Assistenz-Schiedsrichtern und in Europa haben wir eine echt große Gruppe von Assistenten auf einem wirklich guten Niveau. Dennoch ist es sehr wichtig sich sorgfältig auf ein großes Turnier vorzubereiten. Es gibt so viele kleine Details, die vorher besprochen werden müssen, um so gut wie möglich im Team zusammenarbeiten zu können. “

Finale der Europameisterschaften 2017 in den Niederlanden

Wie hast Du das Finale erlebt?

Esther Staubli: „Es war eine fantastische Werbung für den Frauenfussball, da beide Mannschaften im Finale ein großartiges Spiel zeigten. Als das Spiel begann, war es für mich wieder ein Spiel wie jedes andere und kurz nach dem Schlusspfiff war mir klar, dass es etwas ganz besonderes war, was wir gerade hatten. Schließlich war es auch eine großartige Rückzahlung für all die harte Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben, und für all die Anstrengungen und Opfer, di in diesem Jahr nötig waren, um dieses Ziel am Ende zu erreichen.“

Während dieses Finals mehrere großartige Abseitsentscheidungen, wie zum Beispiel beim dänischen Ausgleich. Wie wichtig ist es für ein Schiedsrichterteam, diese großartigen Entscheidung richtig zu machen?

Esther Staubli: „Hinter solchen Entscheidungen steckt viel Training und Erfahrung. Wir machen vor unseren Spielen, viele Analysen und Diskussionen um in kritischen Spielsituationen darauf vorbereitet zu sein. Ich denke, dass ist hier passiert. Die richtige Entscheidung im Finale ist nur das Ergebnis unserer harten Arbeit. “

Spieler wird Schiedsrichter

Zurück zum Anfang deiner Karriere. Wie bist Du Schiedsrichter geworden?

Esther Staubli: „Ich habe in der Schweiz in der Frauenspitze gespielt, aber ich wusste, dass mich meine technischen Fähigkeiten nie in die Schweizer Nationalmannschaft bringen würde. Ich war mehr ein physischer Spieler. Weil ich Fußball so sehr liebe, habe ich im Fußball nach etwas anderen gesucht und bin beim Schiedsrichter gelandet. Damit habe ich eine große Leidenschaft gefunden. “

Du sagtest mal in einem anderen Interview, dass Du nicht stolz auf die Anzahl der gelben und roten Karten bist, die Du während deiner aktiver Fußballerzeit bekommen hast. Was für ein Spielertyp warst Du und wie hilft es Dir als Schiedsrichter?

Esther Staubli: „Ich war ein Kämpfer auf dem Platz und mochte ein körperbetontes Spiel. Aber Fair Play war für mich auch immer wichtig. Heute hilft es mir sehr, dass ich Fußball selbst gespielt habe. Es hilft, das spiel zu lesen. Und weil ich ein sehr emotionaler Spieler war, verstehe ich einige Reaktionen der Spieler besser. Es erleichtert die Suche nach der passenden Linie für das Spiel, um mit Spielern auf dem Platz zu kommunizieren. “

Schiedsrichter in der Schweiz

2014 hast Du dein Debüt in der Challange League gegeben. der zweithöchsten Spielklasse in der Schweiz. Wie hoch sind deine Chance in die Super League zu kommen?

Esther Staubli: „Ich bitte nie etwas, und bin glücklich was ich bekomme. Ich denke, als Schiedsrichter sollten wir die Spiele genießen, die wir machen, anstatt an Spiele zu denken, die wir nicht bekommen. Ich arbeite immer noch hart, um mich zu verbessern, und ich liebe es immer noch zu lieben, so dass wir sehen, was die Zukunft bringt. “

Wie ist für Dich das Schiedsrichterwesen, auf hohem Niveau mit einem Job in der Landwirtschaftsschule und einem Privatleben zu kombinieren? Wie sieht eine typische Woche für Dich aus? Welche Chancen hast Du ein (professioneller) Schiedsrichter zu werden? Wie Zeit hast Du für das Schiedsrichtertrainining ausgegeben?

Esther Staubli: „Im Monent arbeite ich zu 50% als Lehrerin. Meine Schule ist sehr tolerant und unterstützt mich sehr. Ich kann nicht vom Schiedsrichterjob leben und im Moment gibt es keine Möglichkeit, ein professioneller Schiedsrichter in der Schweiz zu werden.

Flexibler Job

Esther Staubli: Da wir in meiner Schule ein sehr flexibles System haben, muss ich nicht jede Woche die gleiche Anzahl an Stunden unterrichten. Ich versuche immer einen Monat vor einem großen Turnier nicht zu arbeiten und auf der anderen Seite unterrichte ich viel, wenn ich keine Spiele habe. Ich reduziere auch vor einem Seminar oder internationalen Spielen. Zum Beispiel habe ich diesen Winter drei Wochen im Trainingslager in Südeuropa verbracht. In einer normalen Woche trainiere ich ungefähr jeden Tag zwei Stunden. Jede Woche habe ich zweimal Krafttraining mit einem persönlichen Trainer und den Rest der Zeit versuche ich verschiedene Trainingseinheiten wie Spinning, laufen oder Squash zu machen. Außerdem habe ich jede Woche Massage und gehe oft nach dem Sport in die Sauna.

Auch Fußball wird während der Woche nicht vermisst. Ich mag es, Spiele der Europa- oder Champions League zu sehen, auch sehe ich viele Frauenspiele auf Wyscout. Das ist auch eine groartige Möglichkeit internationale Frauenspiele auf hohem Niveau zu sehen. “

Blick auf die Zukunft

Wie lange wird es wohl dauern, bis wir eine Schiedsrichterin sehen, die ein groes Derby oder ein groes internationales Spiel leitet?

Esther Staubli: „Das ist schwer zu sagen. Es war toll, dass sieben Frauen an der U17-Weltmeisterschaft der Männer in Indien teilnehmen durften. Aber auch dieses Jahr bieten die Lehrgänge mit männlichen Elite-Schiedsrichtern großartige Möglichkeiten. Von diesen Kursen, werden wir sehr profitieren. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. “

Was sind dienHerausforderungen für Schiedsricherinnen und unterscheiden sie sich mit den männlichen Schiedsrichtern?

Esther Staubli: „In meinem ersten Spiel der Männer gab es zwei Zuschauer, die nach 60 Minuten anfingen zu diskutieren, als sie merkten, dass der Schiedsrichter eine Frau war. Ein Freund, der auf der Tribüne saß, erzählte mir nach dem Spiel, es schien also nicht wirklich wichtig zu sein, ob Du eine Frau oder ein Mann bist. Für mich geht es nur um Leistung und nicht um das Geschlecht. Natürlich können Männer schneller sprinten, aber wenn eine Frau das Spiel lesen kann, kann sie die Tatsache ausgleichen. “

Ziele als Schiedsrichter setzen

Was sind deine persönlichen Ziele für die Zukunft? Wie wichtig ist es, sich Ziele zu setzen und was tust Du diese zu erreichen?

Esther Staubli: „Es ist immer wichtig Ziele zu haben. Dann weißt Du, warum Du jeden Tag so hart arbeitest. Aber wir sollten nie die Leidenschaft für das Schiedsrichterwesen verlieren. Wenn der Tag kommt an dem ich Leidenschaft nicht mehr spüre oder wenn,  oder wenn der Tag kommt, an dem ich das perfekte Spiel mache, und mich nicht mehr verbessen kann, werde ich sofort meine Karriere beenden. Aber im Moment brennt das Feuer noch genauso wie am Anfang. Im nächsten Jahr wird es die Weltmeisterschaft in Frankreich geben. Das ist natürlich mein nächstes Ziel. Aber Du weiß nie, ich habe in der Vergangenheit gelernt, dass Gesundheit am Wichtigsten ist und Erfolg kommt von harter Arbeit. Also arbeite ich hart und hoffe, gesund zu bleiben.

Drei Tipps für (junge) Schiedsrichter

Wenn Du einem jungen Schiedsrichter (viele Leser der IG Schiedsrichter) drei Tipps geben müsstest, was würdest Du ihnen raten und warum?

Esther Staubli: „Arbeite hart für das Schiedsrichterwesen. Dann wird der Tag kommen, der belohnt wird. Verusche den Mount Everest zu erreichen und nicht irgendeinen Hügel. Finde einfach deinen persönlichen Mount Everest und die Aussicht von dort wird großartig sein. Sei glücklich und genieße jedes Spiel, dass Du bekommst. Denke nicht an andere Spiele oder an die die Du nicht bekommst.

Vielen Dank Esther Staubli für das großartige Gespräch!

Dieses Interview führte Jan ter Harmsel (wörtlich übersetzt).

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.