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Schiedsrichter-Neuling Vincent Meyer-Hentschel und sein Pate Marco Kees

Lehrbrief | Richtig stehen

Schiedsrichter-Neuling Vincent Meyer-Hentschel und sein Pate Marco Kees

Um die richtige Entscheidung treffen zu können, muss ein Schiedsrichter sinnvolle Laufwege und ein gutes Stellungsspiel beherrschen. Beides ist Thema im aktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 82.

Gleich mehrfach behinderten die Schiedsrichter bei der WM 2018 in Russland die Spieler, den Lauf der angreifenden Mannschaft. Oft hielten sie sich gar gar direkt vor den Strafräumen auf. In der Folge wurden die Obleute und Lehrwarte an der Fußballbasis gefragt: „Ist das richtig so? Müssen die Unparteiischen nicht auch bei einer WM immer die Diagonaleauslaufen“?

Den Offiziellen blieb dann nur der Hinweis: „Ja, so etwas wäre im Amateurfussball sicher nicht in Ordnung. Bei uns  sind die Unparteiischen gehalten, sich so weit wie möglich aus dem Spielgeschehen zurückzuziehen. Sie müssen in Konfliktsituationen jedoch sofort Präsenz zeigen und einen Sprint zum Ort des Geschehens einlegen. Schließlich gehört es zu ihren primären Aufgaben, präventiv und deeskalierend auf die Spieler einzuwirken. Aber nur in solchen Situationen sollen sie in die Mitte des Spielfelds einrücken.“

Weil sich  das Stellungsspiel des Schiedsrichters im internationalen Fußball immer wieder von dem unterscheidet, was bei Neulingslehrgängen oder Fortbildungen an der Basis gelehrt wird, formulierten die Verfasser des aktuelle Lehrbrief-Thema: „Der Schiedsrichter im Kreis und Bezirk – Laufwege und Stellungsspiel“.

John Langenus in typischer Spielkleidung

Die Autoren warfen dazu einen Blick in die Fußballhistorie und fanden heraus, dass es erst seit 1874 einen Schiedsrichter gibt. Er war die oberste Instanz, mit Sakko und Knickebocker-Hose im Einsatz, und wurde von zwei Unterschiedsrichtern (Umpires) unterstützt. Obwohl sich seine Laufwege noch in Grenzen hielten, gehörte er zu einer besonders respektierten Klientel, die man für ihre Fachkompetenz, Durchsetzungskraft und Handlungsschnelligkeit bewunderte. Seine Entscheidungen wurden akzeptiert, gleich von welcher Position er sie traf. Protestierte jemand oder erhob er auch nur das Wort gegen den Unparteiischen, maßregelten ihn meist die eigenen Mitspieler.

Im aktuellen Fußballgeschehen gehört es dagegen für die Schiedsrichter in sämtlichen Spielklassen zum Alltag, dass sie sich gegenüber den Spielern und Funktionären rechtfertigen müssen. Sie sind ständig gefordert, Präsenz zu zeigen. Gerade in den unteren Spielklassen werden sie in kritischen Situationen zu Einzelkämpfern, die sich allein mit den Funktionären und Zuschauern auseinander setzen müssen.

Vor allem die Bewertung von Abseits ist ohne neutrale Assistenten nur mit einem guten Stellungsspiel möglich.

Wer als Schiedsrichter ein paar Jahre dabei ist, hat dies oft genug erlebt. Und vor allem, wer in Spielklassen ohne neutrale Assistenten im Einsatz ist, muss in seinen Spielen mehrere Kilometer Laufleistung erbringen. Nur mit läuferischen Einsatz ist es möglich, die optimale Position zu erreichen, um Abseitssituationen zu bewerten. Und nur wenn man den Laufweg weit genug in Richtung Torauslinie durchzieht, kann man erkennen, ob der Ball das Spielfeld über diese Linie verlassen hat oder nicht.

Denn die Assistenten der Vereine haben klar begrenzte Kompetenzen. Dazu heißt es im Regelwerk: „Normalerweise zeigen sie dem Schiedsrichter nur an, ob der Ball die Seitenlinie überschritten hat.“ Doch auch mit diesen Helfern an der Linie sollte sich der Schiedsrichter vor dem Spiel absprechen und ihnen ihre Kompetenzen deutlich machen.

Zu den Grundsätzen der Schiedrichter, die ein Spiel ohne neutrale Assistenten leiten, gehören folgende Eckpunkte:

  • Der Schiedsrichter darf dem Geschehen auf keinen Fall den Rücken zudrehen. Das heißt, er muss das Spiel jederzeit im Blick haben,
  • Der Schiedsrichter muss in kritischen Situationenen von seinem diagonalen Laufweg abweichen und näher ans Geschehen heranrücken. Denn umstrittene Entscheidungen aus der Nähe werden grundsätzlich eher akzeptiert als richtige Entscheidungen aus großer Distanz.
  • Der Schiedsrichter muss sämtliche Entscheidungen aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungentreffen. gerade bei der Frage bach Abseits muss er immer wieder Sprints einlegen, um die Situationen richtig zu beurteilen.

FLEXIBLE DIAGONALE BEIM EINSATZ IM TEAM

Ist der Unparteiische dagegen zusammen mit neutralen Assistenten im Einsatz, so sollte er grundsätzlich die flexible Diagonale auslaufen. Nur so kann er das Spiel stehts zwischen sich und dem Assistenten auf der jeweils gegenüberliegenden Seite halten.

Auf diese Weise hat er zugleich einen seitlichen Einblick in die Zweikämpfe und kann die meisten Situationen, vor allem im Strafraum, gut beurteilen. Verlagert sich das Spiel dagegen mehr auf die Seite des Assistenten, wird der Schiedsrichter einrücken müssen, um in kritischen Situationen näher am Geschehen zu sein -zum Beispiel bei versteckten Fouls, Simulationen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Spielern.

In diesem Fall muss der Unparteiische das Mittelfeld zügig überbrücken und sich aus dem Bereich vor den Strafräumen möglichst zurückziehen. Nur dann entgeht er der Gefahr, vom Ball getroffen zu werden, im Passweg oder Laufweg eines Spielers zu stehen.

Ein besonderes Augenmerk richtet der aktuelle DFB-Lehrbrief außerdem auf das Stellungsspiel bei Standardsituationen. Sehr detailliert gehen die Verfasser auf die Positionen beim Strafstoß, beim Eckstoß, beim Abstoß und bei direkten und indirekten Freistößen ein. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, Ausbilder im Rahmen der Lehrarbeit konkrete Skizzen auf einer Flipchart und an der Metaplanwand einsetzen sollte. „Bilder sagen mehr als tausend Worte“ ist dabei der Tenor in der methodischen Arbeit.

Am Beispiel positiver wie negativer Darstellungen in verschiedenen Videoszenen zum Stellungsspiel eines Schiedsrichters bekommt die Lehrheit darüber hinaus einen visuellen interessanten Abschluss.

Text: Günther Thielking. (Aus der neuen DFB-Schiedsrichter-Zeitung/Print).

 

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