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Schiedsrichter begrüßen Rückkehr zur Zeitstrafe

In Hessen läuft ab nächste Saison ein Pilotprojekt. Drei Unparteiische aus der Region würden gerne Spieler wieder mit Zeitstrafen vorübergehend vom Platz schicken. (Von: David Beineke, Mario Emonds und Sascha Köppen)

Auch der Fußball befindet sich in einem stetigen Wandel. Bester Beweis ist die Einführung des Videobeweises bei den Profis, aber auch das vor der gerade wegen der Corona-Krise unterbrochenen Saison geschnürte Regelpaket, das etwa die Zahl der Wechsel im Amateurbereich mit sich brachte. Wandel kann aber auch in der Rückkehr zu schon einmal praktiziertem Vorgehen bestehen – und das wird in der neuen Saison beim Hessischen Fußballverband getestet. Denn jüngst hat der DFB einem Pilotprojekt in Hessen zugestimmt, das über zwei Jahre den Einsatz von Zeitstrafen auf Kreisebene testen soll – und zwar ausdrücklich bei Männern und Frauen, Jungs und Mädchen.

Die Zeitstrafe soll als zusätzliches Instrument für den Schiedsrichter zwischen die Gelbe und Rote Karte gelegt werden. Erst nach einer abgesessenen Zeitstrafe soll es dann also in der Regel einen Platzverweis geben. Der Spieler soll sich so etwa für zehn Minuten am Spielfeldrand beruhigen. Auch am Niederrhein war ein solches Modell immer mal wieder im Gespräch, besonders aus dem Schiedsrichterwesen kam dieser Vorschlag häufiger. Der Mönchengladbacher Dieter Kauertz, der von 1981 bis 2009 aktiv gepfiffen hat und noch heute als Schiedsrichter-Beobachter tätig ist, gehört etwa zu den massiven Fürsprechern dieser Regelung. „Aus meiner Erfahrung kann ich diesem Pilotprojekt nur zustimmen. Bei meinen Spielleitungen in den Jahren 1981 bis Juni 1993 habe ich nur positive Erfahrungen damit gesammelt. Bei 421 Spielleitungen musste ich im Schnitt pro Spiel zwei Verwarnungen (892) geben, aber nur 313 Zeitstrafen aussprechen, und nur in jedem zehnten Spiel einen Feldverweis“, sagt Kauertz. Denn neu wäre die Zeitstrafe nicht nur am Niederrhein wahrlich nicht. Bis 1991 kam sie zur Anwendung, danach wurde sie wegen der Einführung der Gelb-Roten Karte abgeschafft.

„Während der zehnminütigen Zeitstrafen konnten sich die Spieler wieder beruhigen und ihre Contenance zurückgewinnen. Hierbei halfen ihnen Trainer, Betreuer und die Ersatzspieler auf der Bank. Für die Mannschaft und den Fußball an sich konnten sich die Teams wieder auf elf Spieler ergänzen. Ich kann aus meiner Sicht nur dazu raten, das auch am Niederrhein wieder einzuführen“, betont der erfahrene Unparteiische weiter. Auch sein Kollege Andreas Kotira, Schiedsrichterobmann im Fußballkreis Kempen/Krefeld, ist großer Befürworter der Zeitstrafe – und er weiß, wovon er spricht, schließlich musste er während seiner  Zeit als aktiver Fußballer selbst zweimal für zehn Minuten vom Feld. „Das fand ich im Nachhinein ausgezeichnet. Und das gilt bis heute, denn das gibt den Trainern ganz andere Möglichkeiten auf den betroffenen Spieler einzuwirken.“, sagt Kotira. Gerade in Zeiten, in denen über adäquate Maßnahmen gegen Gewalt gegen Schiedsrichter diskutiert werde, sei die Zeitstrafe ein ideales Instrument, um Druck aus dem Verhältnis zwischen Aktiven und Schiedsrichtern zu nehmen. Für ihn war die Einführung der Gelb-Roten Karte „das Schlimmste, was passieren konnte“, dagegen hält er die Zeitstrafen bei den Amateuren für ein „Wunderding“. Es werde nicht weniger Strafen geben, aber es könne anders damit umgegangen werden. „Aus meiner Sicht gibt es nur Vorteile. Ich hoffe, dass das in Hessen ein Erfolg wird und auch möglichst schnell bei uns eingeführt wird“, sagt Kotira.

Ins gleiche Horn stößt Jürgen Eitel, Schiedsrichter-Obmann des Fußballkreises Heinsberg: „Der Wegfall der Zehn-Minuten-Zeitstrafe und dafür die Einführung der Gelb-Roten Karte 1991 haben uns Schiedsrichtern sehr geschadet. Mit der Zeitstrafe haben wir Schiedsrichter sehr, sehr viel korrigieren können. Die war ein äußerst wirksames Instrumentarium – und für viele Spieler eine funktionierende Beruhigungspille. Und falls nicht, hat der Trainer den entsprechenden Spieler nach der Verbüßung der Zeitstrafe dann eben sofort ausgewechselt – das kam nicht selten vor.“ Eitel verweist zudem auf die Fünf-Minuten-Zeitstrafe in der Jugend, wo sie nicht abgeschafft wurde: „Dort funktioniert die Zeitstrafe weiterhin sehr gut – und das würde sie eben auch bei den Senioren.“

Befürworter gibt es aber auch auf der allerhöchsten Fußball-Ebene. So hat der ehemalige niederländische Star-Stürmer Marco van Basten als technischer Berater der Fifa die Zeitstrafe zur Entlastung der Schiedsrichter vorgeschlagen. Und auch Deutschlands Schiedsrichter-Boss Lutz-Michael Fröhlich, und er argumentiert dabei sehr ähnlich wie seine Kollegen aus dem Amateurfußball.

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