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Warum Jöllenbeck regeltechnisch die bessere Entscheidung traf

Der Aufleger des Spieltags ereignete sich am Sonntagnachmittag in Bielfeld, als Bayern-Verteidiger Nianzou hart mit dem Ellbogen in einen Zweikampf ging und Kunze deshalb von den Sanitätern vom Platz getragen werden musste. Es war die dritte wirklich sehr schwere Kopfverletzung in Folge für die Arminia. Jöllenbeck entschied sich früh für Gelb und bewertete den Zweikampf aus regeltechnischer Sicht richtig. Die frühe Entscheidung für Gelb dürfte dem Schiedsrichter dabei geholfen haben, das Vergehen anhand der Vergehens und nicht der resultierenden Verletzung zu bewerten.

Arminia Bielefeld – FC Bayern München 0:3 (SR: Dr. Matthias Jöllenbeck)

Kurz vor dem Pause ging Bayerns Verteidiger Nianzou hart in ein Luftduell mit dem Bielefelder Kunze. Der Arminia Sechser traf dabei den Ball, während Nianzou ihm heftiger mit dem Ellbogen im Gesicht traf. In solchen Luftduellen mit Armeinsatz ist nun laut der Regel zu bewerten, ob der Arm als Werkzeug in einem Zweikampf, um den Ball oder als Waffe, um den Gegner zu verletzten, eingesetzt wurde. Jöllenbeck entschied sich recht früh für Ersteres und zeigte dem Bayern-Verteidiger Gelb. Kunze musste danach minutenlang behandelt werden und wurde vom Platz getragen.

Und dennoch ist eines hier wichtig zu betonen: Vergehen werden im Fußball immer anhand der Härte des Vergehens selber und nicht anhand der jeweils verursachten Folgen beim geschädigten Spieler bewertet! Bei einem brutalen Foulspiel ist das mutwillige Risiko einen Gegenspieler zu verletzen zwar ein Kriterium, dass ist aber unabhängig davon, ob sich der Spieler letztlich verletzt und wenn ja wie schwer. So eine Regelung gab es bis vor ein paar Jahren mal im Eishockey, was zum Beispiel dazu führte, dass es immer sofort eine Spielstrafe gab, sobald ein Spieler mal nach einem Zweikampf Nasenbluten hatte. Andersherum sind auch sehr harte Checks gegen den Kopf durchgegangen, wenn der Spieler Glück hatte und sich nicht verletzte. Ich denke, wir sind uns einig, dass so eine Regel keinen Sinn macht. Auch im Eishockey wird das seit ein paar Spielzeiten in Deutschland so nicht mehr praktiziert.

Zurück zur Entscheidung von Jöllenbeck gestern in Bielefeld. Betrachten wir nur das Vergehen, geht Nianzou doch zum Ball und will diesen auch offensichtlich spielen. Die Position des Ellbogens ist hier doch eher als „Werkzeug“ anzusehen, um erstmal höher springen zu können, dann vielleicht noch Kunze abzudrängen und in jedem Fall eher an den Ball zu kommen. Dennoch ist die Intensität und das Tempo in der Szene schon sehr hoch, was eine gewisse Verletzungsgefahr mit sich bringt. Am Ende ist Gelb eine vertretbare und regeltechnisch sogar die bessere Entscheidung. Hat Jöllenbeck die Szene auf dem Platz korrekt bewertet, ist der VAR hier sowieso raus. Denn Gelb ist sicher keine klare Fehlentscheidung, und Rot wahrscheinlich auch nicht in dieser Szene. [TV-Bilder ab 3:23]

1. FC Union Berlin – Eintracht Frankfurt 2:0 (SR: Frank Willenborg)

Nach der Führung der Berliner gab es von den Gästen Proteste, denn Torschütze Awoniyi hatte zuvor im Zweikampf mit Hinteregger die Hand draußen. Es gab aber anders, als viele danach behaupteten keinen Treffer im Gesicht, sondern nur einen Armeinsatz gegen den Körper. Dieser war insgesamt noch im Rahmen und so zählte der Treffer zurecht. Ein Problem in dieser Szene ist, dass der Schiedsrichter in der Ausgangssituation falsch steht und dann keine Chance hat hinterherzukommen. So ist Willenborg mindestens 40 Meter weit (Tendenz eher noch mehr) von der Szene entfernt und kann die Entscheidung selber kaum gut treffen. Am Ende zeigt sich hier sicherlich die Erfahrung des Schiedsrichter, dennoch hätte er es ohne VAR-Review nicht nach außen verkauft gekriegt. [TV-Bilder ab 1:40]

TSG Hoffenheim – SpVgg Greuther Fürth 0:0 (SR: Felix Zwayer)

Kurz vor Schluss protestierten die Fürther heftig gegen eine Entscheidung von Schiedsrichter Zwayer, der den Hoffenheimer Baumgartner „leben ließ“. Zuvor gab es ein Foulspiel gegen Raschl, bei dem die Fürther eine Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs sahen. Zwayer beließ es bei einem normalen Foul, für den VAR sind gelbe Karten (auch gelb-rote Karten !!!) weiter irrelevant. Dennoch sind die Fürther-Proteste ein Stück weit nachvollziehbar, denn hier laufen sie wirklich mit drei Angreifern auf zwei maximal drei Hoffenheimer Verteidiger zu. Die Distanz zum Tor ist schon noch groß, insgesamt spricht aber mehr für einen aussichtsreichen Angriff als dagegen. [TV-Bilder DAZN live ab 1:38:00 Minute]

SC Freiburg – VfL Bochum 3:0 (SR: Sascha Stegemann)

Ein absolut grobes Foulspiel gab es am Samstag in Freiburg, als der Bochumer Stafylidis Sallai brutal foulte. Schiedsrichter Stegemann entschied auf dem Platz sofort richtig auf Feldverweis. Denn der Bochumer springt hier mit viel Tempo und Intensität in den Zweikampf und trifft ihn voll mit offener Sohle am Knöchel. Hierbei ist keine Absicht zu erkennen, dass er den Ball spielen will, der war für ihn nie erreichbar. [TV-Bilder ab 6:18]

Fazit: Insgesamt wieder ein gutes Wochenende für den VAR, der in den entscheidenden Situation mehr Gerechtigkeit in den Sport bringt. Auch wenn es für die Arminia mehr als bitter am Sonntag war, ist der VAR bei den Abseitsentscheidungen einfach nicht mehr wegzudenken. Bei möglichen Strafstößen oder Feldverweisen bleibt die Eingriffsschwelle jedoch zurecht hoch, wenn der Schiedsrichter am Platz die Szene korrekt wahrgenommen und für sich bewertet hat. Ein Vergleich zum brutalen Foulspiel in Freiburg erübrigt sich. Einmal handelt es sich um ein brutales Foulspiel mit Fußtreffer an Knöchel, einmal um einen Luftzweikampf, denn es nach anderen Kriterien (Werkzeug oder Waffe) zu bewerten gilt.

 


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Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Holger Roth

    Sehr geehrter Herr Schmidt,

    auch hier irren Sie sich leider.
    Sie Begründen in ihrem Fazit, dass (nur) die gelbe Karte für Nianzou im Spiel Bayern die richtige Entscheidung war damit:
    „Einmal handelt es sich um ein brutales Foulspiel mit Fußtreffer an Knöchel, einmal um einen Luftzweikampf, denn es nach anderen Kriterien (Werkzeug oder Waffe) zu bewerten gilt.“

    Es mag sein, dass in Schiedsrichterlehrgängen hier in den Details unterschieden wird, aber den Unterschied gibt es so wie Sie diesen darstellen im Regelwerk nicht. Im Regelwerk wird nicht zwischen Körperteilen unterschieden und die Regel lautet:

    „Ein direkter Freistoß wird gegeben, wenn ein Spieler eines der folgenden
    Vergehen gegenüber einem Gegner nach Einschätzung des Schiedsrichters
    fahrlässig, rücksichtslos oder übermäßig hart begeht … „Übermäßig hart“ bedeutet, dass ein Spieler mehr Kraft einsetzt als nötig
    und/oder die Gesundheit eines Gegners gefährdet. Ein solches Vergehen ist
    mit einem Feldverweis zu ahnden.“

    Der Bayernspieler kommt hier mit sehr hoher Geschwindigkeit angrauscht hat im Übrigen keine Möglichkeit den Ball zu spielen und springt mit voller Wucht mit Ellbogen voran in den Gegner in Richtung von dessen Kopf hinein. Letztlich erwischt Nianzou den Bielefelder Spieler noch relativ Glücklich, da der Treffer am Hals und nicht an der Schläfe o.ä. erfolgt.
    Bei einem unklücklicheren Treffer wäre hier mit Brüchen der Gesichtsknochen inkl. Augenhöle zu rechnen gewesen.
    Rücksichtslosigkeit, übermäßig hart, mehr Kraft als nötig, (man könnte zumindest den Ellbogen wegziehen, wenn man nicht an den Ball kommt)
    und Gefährdung der Gesundheit des Gegners, all dies liegt vor. Letzeres erfolgte insbesondere auch.
    Für mich ist es nur schwer nachzuvollziehen, wie so ein brutales Foul keine rote Karte sein kann.
    Im Übrigen ist ebenso Herr Feuerherdt eher bei rot, wenngleich er noch einen geringen Spielraum für gelb sieht.

    Nur Meine Meinung,

    der Couchschiedsrichter.

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