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Wirbel um 2. Ball auf dem Rasen

Große Diskussionen gab es gestern im EM-Halbfinale zwischen England und Dänemark nicht nur wegen des eigentlichen Elfmeterpfiffs von Schiedsrichter Danny Makkelie, sondern auch wegen eines zweiten Balls, der unmittelbar vor der Szene recht nah am Spielgeschehen auf dem Platz lag und einige Zuschauern vor den Fernsehgeräten auffiel. Hätte Makkelie hier schon zwingend abpfeifen müssen? 

Eigentlich war es gestern ein recht entspanntes EM-Halbfinale für Schiedsrichter Danny Makkelie. Die Partie war recht fair und mit wenigen Pfiffen und gelben Karten behielt der Schiedsrichter aus den Niederlanden die volle Kontrolle über das Spielgeschehen. Bis zur 102. Spielminute im Londoner Wembley Stadion. Der Engländer Sterling drang über die rechte Seite in den Strafraum ein und ging dann nach einem Zweikampf mit dem dänischen Verteidiger Maehle zu Boden. Das Ergebnis ist bekannt. Aber Moment! Lag da im Vorfeld nicht ein zweiter Ball auf dem Spielfeld? Korrekt! Unmittelbar neben Sterling lag ein zweiter Ball, als dieser wenige Meter davon entfernt mit dem eigentlichen Spielball in den dänischen Strafraum eindrang. Hätte Makkelie nicht schon hier das Spiel unterbrechen und mit einem Schiedsrichterball fortsetzen müssen?

„Das Spielerverhalten ist entscheidend. Kein Indiz für eine Beeinflussung. Beide Spieler bemühen sich nur um den eigentlichen Spielball und nehmen den anderen Ball gar nicht wahr.“

Betrachten wir das Geschehen erstmal ganz rational nach der Regel. Nach dieser muss das Spiel in diesem Fall nur unterbrochen werden, wenn der zusätzliche Gegenstand auf dem Platz Einfluss auf das Spielgeschehen nimmt oder irgendeinen Spieler beeinflusst. War das hier der Fall? Wohl eher nicht. Denn die Spieler beider Mannschaften spielten vollkommend ungeachtet dessen weiter. Ebenso ist hier auch kein Nachteil für eine der beiden Mannschaften durch den weiteren Gegenstand auf dem Platz erkennbar. Auch DFB-Lehrwart Lutz Wagner geht hier von keiner Beeinflussung der Spieler aus:

„Da beide Spieler sich völlig unbeeindruckt davon gezeigt haben, gehe ich mal von keiner Beeinflussung aus.“

Also ist hier die Entscheidung Weiterspielen von Makkelie regeltechnisch korrekt und somit voll vertretbar. Nur was wäre passiert, wenn er das Spiel unterbrochen- und mit einem Schiedsrichterball für England an der Stelle fortgesetzt hätte? Dann wäre ihm wohl im Nachhinein betrachtet so einiges erspart geblieben. Diese unglückliche Strafstoßsituation wäre nicht entstanden und von den Engländern wäre es wenn überhaupt zu einem kurzen Protest gekommen, mehr aber sicher nicht. Hier haben wir Lutz Wagner nochmal befragt. Wäre es regeltechnisch klar falsch gewesen zu unterbrechen? Für ihn auf keinen Fall. Hier gibt es einen gewissen Ermessensspielraum für den Schiedsrichter, sodass diese Szene zur Auslegungssache wird. Als Beobachter wäre er wohl auch mit einer Unterbrechung mitgegangen.

Fazit: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Unterbricht Makkelie hier das Spiel interessiert die Szene keinen mehr danach. Lässt er weiterspielen und gibt den Strafstoß im Anschluss einfach nicht, ebenso. Rein rational aus Sicht der Regel betrachtet war wohl Weiterspielen die bessere Entscheidung, wie bei der danach folgenden Strafstoßszene eben auch.

Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

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