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Der junge Schiedsrichter Jarno Wienefeld hatte zu keiner Zeit, das Spiel zwischen Hertha und Bielefeld im Griff. Es gipfelte mit einem Witz-Rot gegen Toni Leistner. [Foto: IMAGO Björn Reinhardt)

Schiedsrichter im Mittelpunkt: Auswertung strittiger Szenen – 17. Spieltag | 2. Bundesliga

Auch in der zweiten Liga neigte sich der letzte Spieltag vor der Winterpause dem Ende und es fing am Freitag schon ordentlich an mit den Diskussionen rund um die Schiedsrichter. Groß im Mittelpunkt stand diesmal Aufsteiger Jarno Wienefeld der bei der Partie in Berlin im Einsatz war. Dort gibt er wie Storks eine Woche zuvor auf St.Pauli eine sehr strittige rote Karte nach einer vermeintlichen Notbremse. Der Berliner Trainer und Kapitän Leistner sind dementsprechend in den Interviews danach Wienefeld sehr angegangen. Zeitgleich bei der Partie Paderborn – Darmstadt war der erfahrene Schiedsrichter Bastian Dankert im Einsatz, der nach VAR einen Handelfmeter geben musste. Alle weiteren Szenen gibt es wie gewohnt in der Analyse mit einer ausführlichen Erklärung 👇:

SC Preußen Münster – SV 07 Elversberg 1:1 (SR: Felix Wagner)

Szene 1: Minimaler Kontakt von Lukas Pinckert an Luca Bolay im Strafraum. Wagner pfeift zunächst nicht, VAR Harm Osmers schaltet sich ein und schickt Wagner an den Monitor (On-Field-Review). Nach Überprüfung gibt Wagner Elfmeter – Oliver Batista Meier verschießt. Der Kontakt war leicht (kein klares Foul), und Bolays Fall wirkt übertrieben und für mich ist es eine letztlich umstrittene Entscheidung, da er schnell und theatralisch fällt. Und für mich ist es auch keine klare Fehlentscheidung, wenn der Unparteiische aus nächster Nähe weiterspielen lässt. Der Video-Assistent soll laut DFB nur eingreifen, wenn es ein „clear and obvious errors“ ist und für mich ist das kein klarer Fehler. Gibt der Unparteiische direkt Strafstoß, wäre die Entscheidung aber vertretbar. [TV-Bilder – 0:45 Minuten]

Szene 2: In der 34. Minute dringt Younes Ebnoutalib rechts in den Strafraum ein, lässt zwei Verteidiger stehen und geht nach einem Querpass zu Boden. Der Kontakt kommt von Jannis Heuer, der ihn leicht am Fuß trifft und aus dem Tritt bringt – ein minimaler Kontakt, aber in der Praxis oft als Foul gewertet. Schiedsrichter Felix Wagner wartet zunächst den Vorteil ab (also lässt das Spiel weiterlaufen, falls Elversberg die Chance nutzt), pfeift dann aber doch auf Elfmeter, weil kein Vorteil entsteht. Auch dieser Strafstoß ist für mich falsch, da zu wenig Kontakt und Ebnoutalib fällt zu dramatisch. Es ist zwar so, dass die Schiedsrichter ohne VAR mutig entscheiden sollen, denn ist mir diese Szene auch nicht klar genug und deutlich genug. Eine klare Fehlentscheidung ist es aber wohl auch nicht, die hier der VAR korrigieren müsste (Kontakt vorhanden). Jannis Heuer trifft Younes Ebnoutalib leicht am rechten Knöchel/Fuß, was ihn aus dem Tritt bringt. Das reicht nach den aktuellen Regeln für einen Strafstoß, wenn es den Spieler behindert – besonders in Tornähe. Aber: Der Kontakt ist so minimal und Ebnoutalib fällt erst nach 1–2 Schritten verzögert und theatralisch. Gut aus Sicht des Unparteiischen, dass er zunächst den Vorteil gewähren ließ und da dieser nicht eintrat er nachpfeift. Der VAR soll sich aber nur melden, wenn es ein „klarer und offensichtlicher Fehler“ war – genau die Schwelle, die der VAR braucht, um einzugreifen.  Diese Schwelle wird von DFB-Seite sehr hoch angesetzt. Es ist eine klassische Grauzone, bei der der Schiri auf dem Platz entscheidet und der VAR nicht korrigiert. Solche Szenen sind in der 2. Liga Alltag und werden oft als „mutige“ Entscheidung gewertet. Wäre der Kontakt heftiger gewesen, wäre es unstrittig – so bleibt der Strafstoß sehr umstritten. [TV-Bilder – ab 02:45 Minuten]

Holstein Kiel – SG Dynamo Dresden 2:1 (SR: Robert Schröder)

Szene 3: Im Mittelfeld geht Rosenboom in einen Zweikampf mit Hauptmann rein und trifft ihn mit offener Sohle am Schienbein; Hauptmann bleibt zunächst liegen, es gibt eine kurze Unterbrechung; nach der Unterbrechnung lief es ohne gelbe Karte für Rosenboom weiter. Es ist zwar ein unglückliches aber hartes Einsteigen, welches auch als rücksichtsloses Foul nach Regel 12 zu bezeichnen ist. Es ist zwar kein grobes Foulspiel (kein Sprung, kein hohes Bein, kein Tritt auf den Knöchel) und er zieht zurück und trifft vorher noch leicht den Ball. Aber hier keine Verwarmnung zu geben, ist falsch. [TV-Bilder – ab 0:40 Minuten]

Fortuna Düsseldorf – SpVgg Greuther Fürth 2:1 (SR: Timo Gerach)

Szene 4: Bei einem Fürther Angriff zieht Jesper Daland Noel Futkeu deutlich am Trikot – ein klassischer Griff, der Futkeu aus dem Gleichgewicht brachte und zu Fall bringt. Der VAR (Nicolas Winter) schaltet sich ein und bittet Schiedsrichter Gerach an den Monitor. Er überprüft die Bilder und korrigiert die ursprüngliche Entscheidung auf Strafstoß für Fürth. Letztlich die richtige Entscheidung. Der Griff war nicht nur sichtbar, sondern auch nicht notwendig, weil Futkeu keine Chance auf den Ball hatte (er war zu weit weg, um ihn zu erreichen). Es war ein taktisches Festhalten ohne Ballkontakt. Keinen Strafstoß zu geben, war ein klarer und offensichtlicher Fehler des Schiedsrichters auf dem Platz – genau die Schwelle, die der VAR braucht. Ohne VAR wäre der Elfmeter nicht gegeben worden. [TV-Bilder – ab 03:40 Minuten]

SV 07 Elversberg – SV Darmstadt 98 2:2 (SR: Bastian Dankert)

Szene 5: In der 83. Minute köpft Nick Bätzner eine Flanke oder Ecke ins Darmstädter Strafraum. Der Ball trifft Kai Klefisch am Arm – ein Handspiel aus kurzer Distanz. Schiedsrichter Bastian Dankert lässt zunächst weiterspielen, was unverständlich ist. Dankert steht da am Sechzehnmeterraum und schaut mit freiem Blick in den Strafraum auf die Situation. Ein so erfahrener Mann muss das sofort erkennen. Der VAR Daniel Schlager schaltet sich ein und ruft Dankert in die Review Area. Nach Ansicht der Bilder revidiert Dankert seine Entscheidung und zeigt auf den Punkt – klarer Elfmeter für Paderborn. Die Entscheidung ist unstrittig: Das Handspiel von Klefisch ist auf den Bildern glasklar – der Arm ist nicht am Körper. Der Ball kommt zwar aus kurzer Distanz, aber der Arm vergrößert unnötig die Fläche. Das war der entscheidende VAR-Moment des Spiels und hat Paderborn den wichtigen Punkt gesichert. [TV-Bilder – ab 06:45 Minuten]

Hertha BSC – DSC Arminia Bielefeld 1:1 (SR: Jarno Wienefeld)

Szene 6: Fabian Reese setzt sich stark auf links durch, hebt den Ball über den Gegner und legt in die Mitte zurück. Luca Schuler will aus ca. 8 Metern abschließen, trifft den Ball aber nicht richtig – er stolpert ihn eher zurück zu Reese, der dann aber im Abseits stand. Die Fahne  von Cengiz Kabalakli ging hoch, das Tor wurde daher wegen der Abseitsstellung des Berliner Kapitäns zu Recht anulliert. Korrekte Entscheidung, anders als die nächste kontroverse Situation beim Platzverweis für Leistner. [TV-Bilder – ab 01:20 Minuten]

Szene 7: Ein langer Ball von Schneider auf Isaiah Young, der auf der rechten Seite startet. Toni Leistner als letzter Mann bringt ihn mit einem Rempler/Schubser zu Fall – Schiedsrichter Jarno Wienefeld (27, aus Hamburg, erst sein 6. Zweitligaspiel) pfeift sofort Notbremse und zeigt Rot. Die Beteiligten um Hertha.Trainer Stefan Leitl und der Sünder selbst äußerten sich im Anschluß bei Sky:

Leitl: „Ich finde diese Entscheidung eine unfassbare Frechheit. Ich weiß nicht, ob man dann auch das Regelwerk richtig kennt. Für mich ist es ein Foul, aber ein kleines Foul, kein taktisches Foul. Da müssen wir auch nicht drüber sprechen, dass jemand in dieses Spiel eingreift, was so nicht geht.“ Er nannte den VAR „Kaffee holen“ und sprach von „bodenloser Frechheit“. Toni Leistner wir im kicker zitiert: „Man darf Fehler machen. Aber wenn man da im Keller sitzt, muss man einfach eingreifen. Wenn das eine Rote Karte ist, dann brauchen wir keinen Fußball mehr spielen.“ und Fabian Reese bei Sky: „Eine fragwürdige Rote Karte. Von Anfang an eine fragwürdige Spielleitung, da war keine Linie erkennbar. Der Gegner hat heute nicht den Fairplay-Award gewonnen. Am Ende der Saison bei denen werden wir alles dafür geben, dass wir da was zu feiern haben.“

Für mich ist die Szene auch sehr umstritten, weil Young ca. 20–25 Meter vor dem Tor und eher Richtung Außenlinie unterwegs war (keine klare Torchance), aber Leistner war tatsächlich der letzte Mann und hat den Konter gestoppt. Ähnlich wie letzte Woche in der Bundesliga, als Paulis Eric Smith von Sören Storks wegen einer vermeintlichen Notbremse Rot erhielt. Das ist ein krasses Beispiel für inkonsistente Auslegung der Notbremse-Regel (DOGSO). Die Smith-Szene ist ähnlich (minimaler Kontakt, letzter Mann, Konterstopp, aber weiter weg vom Tor). Hier ist die Situation zwar schon vertretbarer und mehr Rot als bei Storks, doch wieder etwas grenzwertig. So richtig zum Tor läuft er nicht. Wenn der Schiedsrichter hier allerdings auf Foul entscheidet, ist es auch Rot, weil Leistner ‚letzter Mann‘ war. Für mich ist es dennoch eher eine Fehlentscheidung und die Entscheidung wirkt überzogen, denn bei dem langen Ball auf Isaiah Young, der Richtung Außenlinie lief, ca. 20–25 Meter vor dem Tor. Leistner rempelte ihn zwar als letzter Mann um. Es ist ein klares Foul, aber für mich kein direkter Torschussweg, da Young seitlich war, kein „obvious goal-scoring opportunity“ in vollem Sinne. Die DOGSO-Regel (Notbremse) erfordert die Verhinderung einer klaren Torchance. Hier fehlt das kein direkter Weg zum Tor war und  Young hätte noch abspielen können. Da hoffe ich, dass die Schiedsrichter in der Winterpause eine klare Order bekommen, dass man bei solchen Vergehen lieber Gelb möchte. [TV-Bilder – ab 04:15 Minuten]

Szene 7: Jonas Kersken flankt nach vorne, der Ball landet im Gewühl am Elfmeterpunkt. Maximilian Großer kann ihn nicht kontrollieren, er fällt vor die Füße von Russo, der aus ca. 10–14 Metern sehenswert in den rechten Winkel schlenzt. Die folgende Abseitsüberprüfung durch Video-Assistent Dr. Arne Aarnink ergab, dass Russo in der entscheidenden Phase nicht im Abseits – weder aktiv noch passiv stand. Die Linien haben gezeigt, dass er auf Höhe oder hinter der letzten Hertha-Abwehr war. Kein Hinweis auf Sichtfeldbehinderung, die den Torhüter Ernst behindert hätte. Felix stand zwar im passiven Abseits, aber seitlich versetzt zum Torhüter und behinderte den Hertha-Keeper somit nicht in seiner Sicht. Solche Fälle sind nur dann strafbar, wenn ein Spieler aktiv behindert (z. B. Springen vor dem Keeper), was hier nicht der Fall war. Richtige Entscheidungen, die auch Kabalakli wieder korrekt bewertete! [TV-Bilder – ab 05:30 Minuten]

1.FC Kaiserslautern – 1. FC Magdeburg 2:3 (SR: Florian Lechner)

Szene 8: Magdeburg erhöhte nach 35 Minuten auf 2:0. Krahl und der FCK reklamieren, dass Falko Michel im Abseits stand und ihm die Sicht genommen hat (Sichtfeldbehinderung). Der VAR-Check durch Video-Assistent Johann Pfeifer prüft kurz. Michel war passiv im Abseits (nicht aktiv behindernd, da er sich vom Tor wegbewegt hat und nicht direkt im Sichtfeld stand). Kein „clear error“ → weshalb das Tor zu Recht zählte. [TV-Bilder – ab 01:40 Minuten]

Szene 9: Paul Joly flankt scharf von rechts in den Strafraum. Silas Gnaka versucht, den Ball zu klären, streckt den linken Arm aus und berührt ihn völlig unnötig mit der Hand – abgespreizt und ohne Not. Schiedsrichter Florian Lechner zeigt sofort auf den Punkt. Korrekte Handspielentscheidung im Strafrau. Kein VAR-Eingriff nötig, da es kein „clear error“ war. [TV-Bilder – ab 04:05 Minuten]

AnmerkungIch bin auf die Szenen der Zusammenfassungen der „Sportschau“ angewiesen. Solltet ihr weiteres, aussagekräftiges Material besitzen, dann reichen wir eine Einschätzung gerne nach. Eventuelle Spielerverwechslungen im Artikel führen zum Videobeweis. In diesem Fall bitte ich um eine kleine Rückmeldung. Vielen Dank!

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