Beitinger: „So viele Spiele wie möglich fehlerfrei zu machen“

Bundesliga-Schiedsrichter-Assistent Eduard Beitinger aus Regensburg nutzte den Alltag des Home-Office und Fahrradtouren auf instagram mit dem Portal „Refereeswayup“ zu einer Fragestunde und beantwortete dort Fragen der User.

1. Frage von Julian Perl: Was ist deine Meinung zum Video-Assistent?

Beitinger (lacht): Verdächtiger Nachname. 😉 Mit deinem Papa hab ich schon sehr oft zusammen gearbeitet. Ich hab da eine sehr positive Meinung, weil so die ganz großen Fehler verhindert werden. Wenn das Team auf dem Platz und in Köln gut funktioniert, kann man sehr gute Ergebnisse erzielen. Das System ist noch relativ neu und wir lernen noch dran.

2. Frage von Katrin Kellner: Wie hast du dich beim Geisterspiel gefühlt? Fällt dir die Motivation schwer.

Beitinger: Da hab ich mich nicht so gut gefühlt, weil da etwas fehlt. Wie der Name schon sagt, es ist etwas gespenstisch, komplett leise im Stadion und hat nicht so Spaß gemacht. Da muss man sich selbstbewusst motivieren mit Eigenantrieb. Es ist etwas ganz anderes, ob man sich schon vor halbvollen Stadion warm läuft oder komplett leer. Da kommt schon ein gewisser Adrenalinspiegel hoch der die Spannung automatisch hochfährt. Das fehlt beim Geisterspiel.

3. Frage von Kevin: Wie schafft man es sich 90 Minuten zu motivieren?

Beitinger: Das ist Arbeit und zwar ganz viel Arbeit. Gerade als Assistent wo man in einem Spiel wenig Arbeit bekommt, ist es wichtig sich selbst zu motivieren, selbst zu konzentrieren und die Spannung hochzuhalten. Da gebe ich mir oft einen sprichwörtlichen Tritt in den Hintern.

4. Frage von Marcel: Ist man durch den VAR entspannter?

Beitinger: Nein ist man nicht. Der Anspruch ist es, dass man, wenn man auf den Platz geht diesen möglichst nicht benötigt, denn wenn er eingreift, dann weiß man gleich, man hat etwas falsch gemacht und man hat da kein gutes Gefühl.

5. Frage von Tim: Welche Tipps kannst du Amateur-Schiedsrichtern geben?

Beitinger: Wir sind davon abhängig, wie uns andere bewerten. Wir werden von Beobachtern beobachtet die das auch oft subjektiv bewerten. Das ist bei uns ganz normal, weil man gar nicht alles objektiv bewerten kann. Im Prinzip sind es für mich drei Bausteine für den maximalen Erfolg den man erfüllen muss bzw. die man braucht um ganz nach oben zu kommen – nicht nur in der Schiedsrichterei so, sondern auch in ganz vielen Bereichen des Lebens. Das eine ist das Können oder Talent, dass man eine besondere Gabe hat, Entscheidungsfreudig zu sein. Das andere ist das Glück die richtige Spiele, den richtigen Beobachter zur richtigen Zeit zu bekommen.

6. Frage von Lukas Schwendner: Wie sieht deine Routine vor dem Spiel aus?

Beitinger: Als ersten wenn wir in die Kabine kommen, brauch ich ein Kaffee. Das ist sehr wichtig. Und dann ist der Ablauf eigentlich bei jedem Spiel eingeplant. Circa eine halbe Stunde vor Anpfiff gehts zum WarmUp. Ab diesem Moment ist eigentlich alles eingespielt und alles gleich bis zum Verlassen der Kabine um auf den Platz zu gehen.

7. Frage von Finn: Hast du spezielle Trainingsprogramme?

Beitinger: Ja hab ich, vorallem sind die Unterschiedlich zu den Schiedsrichtern. Wir Assistenten legen eher Wert auf die Sprintfähigkeit um schnell zu bleiben. Daher trainieren wir etwas anders, isr der Fokus mehr auf Schnelligkeit, nicht auf Ausdauer gelegt. Wir holen uns da spezielle Trainingsempfehlungen vom DFB und UEFA. Diese können wir machen, müssen wir aber nicht, soentsprechend hat man dann eine Orientierung oder man weiß selber was gut für einen ist. Wir haben ein zwölfminütiges Aufwärmprogramm welches wir im Team durchziehen (Sprint/Muskulatur) und dann jeder noch ca. 6 Minuten individuell für sich.

8. Frage von Nils: Gibt es eine Fehlentscheidung die sie am meisten bereuen?

Beitinger: Nein, ich bereue keine Fehlentscheidung, weil ich alle Entscheidungen die ich auf dem Platz treffe, nach besten Wissen und Gewissen zu treffen. Manchmal passieren Fehler und aus denen muss man lernen. Als Sportler sind getroffene Fehlentscheidungen bitter, da der Anspruch immer sein muss, alles richtig zu machen. Das ist aber manchmal nicht möglich. Kein Schiedsrichter liegt immer zu 100 Prozent richtig. Ich versuche aus jeder Fehlentscheidung zu lernen.

9. Frage von Sergio: Wie bekommt ihr das Pfeifen, Job und Beruf unter einen Hut?

Beitinger: Das ist unmöglich. Man braucht eine starke Familie auf dem ganzen Weg aber auch in der Spitze wenn man natürlich sehr oft unterwegs ist. Ich bin froh, dass mich da meine Frau hundertprozentig unterstützt und eben nicht zu einer Entscheidungsfindung gegen Familie und Sport kommt. Auf dem Niveau ist es nahezu unmöglich noch einen Vollzeitjob zu betreiben, was auch die Meisten von uns nicht machen. Die einen sind Selbständig, die anderen werden freigestellt oder arbeiten zeitreduziert. Ich bin selbständig mit einem eigenen Café da kann ich das Hobby ganz gut kombinieren.

10. Frage von Fabian: Wie fühlt man sich in dem Moment, wenn der VAR eingreift?

Beitinger: Beschissen. Ich hab es Gott sei dank noch nicht so oft erlebt. Es ist ein ganz komisches Gefühl, weil man natürlich eine Wahrnehmung auf dem Platz hat und von der überzeugt ist und aufgrund dieser Wahrnehmung man eine Entscheidung trifft. Und plötzlich sagt dann jemand deine Wahrnehmung war falsch. Das ist nicht einfach und es im Spiel ganz schnell vergessen und weitermachen und danach in die Analyse zu gehen, wieso hatte ich diese falsche Wahrnehmung und hätte ich es auf ein eventuelles besseres Stellungsspiel doch eher sehen

11. Frage von Tobias: Was sind deine sportlichen Ziele?

Beitinger: Immer das nächste Spiel. Immer versuchen das nächste Spiel so gut wie möglich zu machen. Wenn ich das gut mache, werden die Aufgaben auch immer mal höher und anspruchsvoller. Momentan bin ich zufrieden. Mein großes Ziel ist es, so viele Spiele wie möglich fehlerfrei zu machen.

12. Frage von Joel: Wie bist du ins Gespann von Deniz Aytekin gekommen?

Beitinger: lacht. Der hat mich gekauft.

Eigentlich ganz einfach erklärt. Ich war die ersten beiden Jahre im Team von Robert Hartmann. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Wir haben zwei tolle Jahre gehabt. Nach eben zwei Jahren war es eben dann so das bei Deniz Aytekin ein Assistentenplatz in der Bundesliga frei geworden ist. Nach einem Gespräch zwischen den Beiden hat man sich darauf geeinigt, dass ich zu Deniz wechsle.

13. Frage von David: Deine Meinung zu Pyrotechnik?

Beitinger: Finde ich nicht gut. Das ist eine Katastrophe. Es ist nicht schön im Stadion, es ist bestimmt nicht schön für die drumherum stehenden Leute , es ist gefährlich. Mich reizt es auch nicht. Ich bin für tolle Choreographien der Fans und lautstarke Anfeuerungen der Fans, Motivationen dürfen dabei sein aber Pyro und alles was gefährlich ist, finde ich nicht gut.

14. Frage von Steven: Wie ist es mit Headset zu pfeifen? Tuts nicht weh in den Ohren?

Beitinger:  Nein, das tut nicht weh, weil diese Headsets so reguliert sind, dass wenn der Schiri pfeift, der Ton im Ohr sofort ausgeschalten wird. Man hört lediglich die Kommunikation und nicht den schrillen Ton einer Pfeife.

15. Frage von Luisa: Wer spielt besser PlayStation? Sie oder Deniz Aytekin?

Beitinger: Definitiv Deniz, weil ich kann es nicht. Noch nie PlayStation gespielt, deswegen ist Deniz Aytekin der bessere FIFA-Spieler.

16. Frage von Florian: Ist das Squad-Headset für den Amateurbereich geeignet?

Beitinger: Sicher ist das geeignet, das funktioniert auch ganz gut, aber ich finde das für den Amateurbereich viel zu teuer.

17. Frage von Henry: Kommt man als Assistent in der Bundesliga finanziell zurecht? Wird es beim VAR Änderung geben?

Beitinger:  Als SRA in der Bundesliga kommt man finanziell zurecht, ja. Das funktioniert auch und man kann davon leben. Allerdings sind das immer nur befristete Verträge. Deswegen haben die meisten bzw. alle noch eine Nebentätigkeit. Zweite Frage: Stand jett wird es keine Änderungen beim VAR geben. Verbesserungen wird es sicherlich geben, aber der Videobeweis wird es als solchen von nun an immer geben. Er gehört mit ins Regelwerk und ins System.

18. Frage von Lukas: Welches Spiel bleibt dir immer im Hinterkopf?

Beitinger: Ganz einfache Antwort: Das DFB-Pokal-Finale BVB gegen Frankfurt. Das war mit das größte Erlebnis was ich bisher hatte und habe ich damals sehr genossen und war ganz ganz toll.

19. Frage von Markus: Wie kommt man in die Bundesliga?

Beitinger: Das ist ein langer Weg und ganz viel Bereitschaft, Fleiß, Training und das nötige Quäntchen Glück. Wir haben in der Spitze eine begrenzte Anzahl von Schiedsrichtern die überhaupt in der Bundesliga sein können. Daher ist es für die 65.000 Tausende Schiedsrichter in Deutschland nicht einfach in die Bundesliga zu kommen, aber es ist nicht unmöglich.

20. Frage: Engagierst du dich noch in der Gruppe?

Beitinger: Nein das lässt die Zeit einfach nicht mehr zu. Aber ich gehe gerne fünf sechs mal in die Versammlungen. Das ist auch immer ganz schön wieder dahin zu gehen, wo man selbst mal groß geworden ist.

21. Frage von Laurin: Wann hast du mit der Schiedsrichterei angefangen?

Beitinger: 1997 im zarten Alter von 13 Jahren ging es bei mir los.

22. Frage von Elias: Stört dich das laute Publikum?

Beitinger: Mich stört es gar nicht, es motiviert mich eher. Das hab ich auch beim letzten Geisterspiel gemerkt, ohne Publikum fühlt sich das alles komisch an. Man ist auf die Arbeit an der Linie so konzentriert, dass man das Umfeld gar nicht groß mitbekommt.

23. Frage und letzte von Jonathan: Wie lange warst du Schiedsrichter bis du dich als Assistent spezialisiert hast?

Beitinger: Gute Frage. Zuerst ist man immer Schiedsrichter bis man irgendwann durch einzelne Faktoren die Möglichkeit als Assistent bekommt. Selber war ich bis zum 30. Lebensjahr in der 3. Liga Schiedsrichter, leitete dort an die 50 Spiele und bin dann als Spezial Schiedsrichter-Assistenten in die Bundesliga gekommen. Zunächst ein Jahr in der 2. Liga und dann recht schnell Bundesliga. Eben erst bei Robert Hartmann und jetzt im Team von Deniz Aytekin. Jetzt pfeif ich noch ab und zu eine Regionalligaspiel und ansonsten nur noch Assistent in der Bundesliga und im FIFA-Gebiet.

Das war das Interview mit Eduard Beitinger. Vielen Dank das du Dir die Zeit genommen hast  und Danke für das sehr gute Interview.

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