Auch am dritten Spieltag der Bundesliga-Saison gab es wieder einige diskutable Szenen. Während in Frankfurt vor allem das Sichtfeldabseits heiß diskutiert wurde, beschwerten sich die Leipziger zurecht über einen von Schiedsrichter Aytekin verweigerten Strafstoß. Andere Eingriffe wie in Leverkusen, Gladbach oder Wolfsburg waren eindeutig korrekt.
Borussia Mönchengladbach – Hertha BSC Berlin 1:0 (SR: Dr. Matthias Jöllenbeck)
Im Freitagsspiel gab es zwei Handelfmeter gegen die Berliner. Beide Entscheidungen waren am Ende korrekt getroffen. Während sich bei der ersten Szene kaum jemand über den Strafstoß selbst beschwerte, da Mittelstädt den Ball deutlich mit dem nach oben unnatürlich ausgestreckten Arm blockte, sah Hertha-Trainer Schwarz zuvor bei einem Zweikampf anders als der Schiedsrichter deutlich kein Foul. Aus diesem Freistoß für die Borussia entstand dann das Handspiel im Berliner Strafraum. Unabhängig davon, ob man hier ein Foul sieht oder nicht (für mich eher kein Foulspiel), kann dieser Zweikampf nicht mehr überprüft werden, da die daraus folgende Spielfortsetzung bereits ausgeführt wurde. Das ist wie bei einem Tor, wenn der Anstoß ausgeführt ist, kann an der Geltung des Treffers nichts mehr geändert werden.
In Ecke der Gladbacher in der 67. Minute klärte Uremovic wieder deutlich mit dem Arm oberhalb der Schulterhöhe. Neben einer zweifelsfreien Vergrößerung der Körperfläche durch eine unnatürliche Armhaltung liegt hier auch eine gewisse Absicht vor, weil der Arm leicht in die Schussbahn Richtung Ball gestreckt wird. Was Schiedsrichter Jöllenbeck auf dem Platz im Getümmel wohl nicht vollständig korrekt wahrnahm, entdeckte Videoassistent Pascal Müller schnell und schickte Jöllenbeck zum On-Field-Review. Dort war klar, dass die richtige Entscheidung Strafstoß und Gelb für Uremovic lauten muss. Er verhinderte durch das Handspiel einen Kopfball auf das Hertha-Tor. Für den Berliner war es die zweite in dieser Partie, weswegen Hertha ab diesem Zeitpunkt zu zehnt weiterspielen muss.
Eine weiteren Strafstoß für die Gladbacher hätte es beim Einsatz von Mittelstädt gegen Neuhaus kurz vor dem Ende der Partie geben können. Der Berliner trifft den Gladbacher deutlich am Fuß, der kommt daraufhin zu Fall. Für mich ist das doch eher ein Strafstoß als keiner. Am Ende aber noch eine Entscheidung im Ermessensspielraum des Schiedsrichters, weswegen ich bei korrekter Wahrnehmung von Jöllenbeck auf dem Platz nachvollziehen kann, dass weitergespielt wurde und es zu keinem On-Field-Review kam. [TV-Bilder ab Minute 1:47]
VfL Wolfsburg – FC Schalke 04 0:0 (SR: Felix Zwayer)
Kurz vor der Pause bildet sich in Wolfsburg das Elfmeterdrama um den Schalker Stürmer Simon Terodde. Aber man ganz von Anfang an. Nach einem langen Ball arbeitet der Schalker Stürmer körperlich gegen zwei Wolfsburger Verteidiger, die den Ball nicht so richtig geklärt bekommen. Dann ist Terodde im entscheidenden Zweikampf einen Tick vor dem Wolfsburger Micky van de Ven am Ball. Der Verteidiger sah Terodde ziemlich sicher nicht direkt kommen, was aber regeltechnisch kein Argument für oder gegen ein Foulspiel ist. Fakt ist: Terodde spielt hier den Ball, van de Ven tritt ihn deutlich am Fuß. Also muss die richtige Entscheidung Strafstoß lauten und zu dieser kam der Berliner FIFA-Schiedsrichter Felix Zwayer auch in der Review-Area.
Doch die Szene ist noch nicht vorbei! Der gefoulte Spieler tritt selber an und verschießt. Der Wolfsburger Keeper Casteels hatte die Ecke und konnte den Elfmeter parieren. Doch Zwayer pfiff direkt mehrmals in seine Pfeife, um zu signalisieren, dass der Strafstoß wiederholt wird. Dafür gibt es regeltechnisch gleich mehrere Argumente. Den Ausschlag dürfte hier aber gegeben haben, dass der Wolfsburger Torwart mit beiden Beinen zum Zeitpunkt des Schusses vor der Linie stand. Pariert er danach den Strafstoß, muss dieser wiederholt und der Schlussmann ermahnt werden. Beim zweiten Vergehen gäbe es die gelbe Karte. Zu diesem kam es aber nicht, denn bei seiner zweiten Parade ließ Casteels ein Bein auf oder zumindest nah der Linie und durfte sich so endgültig feiern lassen. Ähnlich wie beim zu frühen Reinlaufen der Spieler beider Mannschaften (was hier zweimal auch der Fall war) gibt es hier in der Praxis eine gewissen Ermessensspielraum und eher eine weite Linie, die seit vielen Jahren gute Akzeptanz findet. Ich denke die von Zwayer hier gewählte Linie ist durchaus nachvollziehbar und im Sinne des Fußballs. [TV-Bilder ab Minute 1:30]
Bayer 04 Leverkusen – TSG Hoffenheim 0:3 (SR: Tobias Reichel)
Beim zwischenzeitlichen 3:0 der Hoffenheimer durch Skov gab es eigentlich beim Treffer selber nichts zu beanstanden. Aber bei der Balleroberung am Hoffenheimer Strafraum durch Kabak lag ein Foulspiels des Hoffenheimers vor. Das entdeckte der aufmerksame Videoassistent Markus Schmidt, der Reichel in die Review-Area bat. Dort gab der Stuttgarter Bundesliga-Schiedsrichter einen direkten Freistoß für Leverkusen statt Tor für Hoffenheim. Eine nachvollziehbare Entscheidung! Hier ist ganz schön zu erkennen, dass weder eine bestimmte Zeit noch eine räumliche Distanz eine Rolle spielt, ob ein Zweikampf noch gecheckt wird oder nicht. Es geht hier darum, dass das Foul der Start des Hoffenheimer Angriffs ist, der zum Tor führt. [TV-Bilder ab Minute 3:20]
FC Augsburg – 1. FSV Mainz 05 1:2 (SR: Sascha Stegemann)
Stegemann wurde beim 0:1 in die Review-Area gebeten. Denn der Ball war in der Entstehung am Arm des Torschützen Onisiwo. Doch nicht unmittelbar bei der Torerzielung (ein Mitspieler war dazwischen noch am Ball) und recht offensichtlich nicht absichtlich. Damit war es vollkommend richtig den Treffer zu geben.
In der 60. Minute zeigte Stegemann auf den Punkt. Der Augsburger Verteidiger Gruezo traf den Mainzer Angreifer Burkhardt bei dessen Finte leicht am linken Fuß. Der Kontakt ist da, ja. Aber wie Burkhardt danach fällt, lässt schon sehr den Eindruck entstehen, dass er hier auch einfach weiterspielen könnte und der Treffer nicht ursächlich für das Fallen des Mainzer-Angreifers war. Am Ende ist der Strafstoß-Pfiff sicher nicht falsch. Für mich ist das aber eher kein Strafstoß.
Beim 2:1 der Mainzer in der dritten Minute der Nachspielzeit ruhte der Ball beim Eckstoß nicht. Die Spielfortsetzung hätte wiederholt werden müssen. Ein VAR-Eingriff ist hier aber durch das IFAB-Protokoll ausgeschlossen. [TV-Bilder ab Minute 1:20]
1. FC Union Berlin – RB Leipzig 2:1 (SR: Deniz Aytekin)
In der zwölften Minute forderten die Leipziger wild Elfmeter, nachdem Neuzugang Timo Werner im Berliner Strafraum zu Boden ging. Der Unioner Trimmel gab dem Leipziger Angreifer zuvor mit seinem Arm einen leichten Stoß und trat ihn dann noch hinten in die Wade. Besonders die Kombination aus beidem macht hier einen klaren Strafstoß. Das Aytekin die Szene auf dem Platz evtl. anders wahrnahm und deshalb nicht auf einen Strafstoß entschied ist irgendwo noch verständlich. Wieso der spezialisierte Videoassistent Günter Perl hier nicht eingriff, ist allerdings nicht mehr nachvollziehbar. Hier hätten die Leipziger im Topspiel einen Elfmeter kriegen müssen! [TV-Bilder ab Minute 0:15]
Eintracht Frankfurt – 1. FC Köln 1:1 (SR: Martin Petersen)
In Frankfurt gab es am Sonntag große Diskussionen um den Kölner Ausgleichstreffer in der 82. Minute durch Thielmann. Bei dessen Schuss stand allerdings der Köllner Dietz knapp im Abseits. Selber aktiv wurde der Spieler der Gäste nicht, aber nahm er Eintracht-Schlussmann Kevin Trapp die Sicht? Eine nicht einfach zu beantwortende Frage, denn so eindeutig wie der Sportschau-Kommentar suggeriert, ist die Szene auf alle Fälle nicht. Im Stadion herrschte wohl knappe fünf Minuten Ungewissheit. Das zeigt schon, wie komplex die Szene zu bewerten ist. Denn beim Bilder der Hintertorkamera muss bedacht werden, dass Trapp viel weiter links steht. In seiner Sichtlinie zum Ball kann eigentlich nur der eigene Mann Tuta ihm die Sicht nahm. In letzter Gewissheit lässt sich das nicht sagen. Ich würde dennoch mit der Entscheidung des Schiedsrichters hier mitgehen. Der Unterschied zur Szene bei Köln gegen Schalke ist ganz klar auch wo die Spieler jeweils stehen. Hier doch locker fünf Meter vom Keeper entfernt und nicht einen Meter. Dementsprechend anders ist da auch die Bewertung im Hinblick auf das Sichtfeld bzw. die Sichtlinie zum Schuss. [TV-Bilder ab Minute 6:20]
Fazit: Auch wenn an diesem Spieltag wieder leider klare Fehler durchgerutscht sind, merkt man bei der Vielzahl der Eingriffe doch, dass der VAR den Fußball deutlich gerechter macht. Insgesamt war es wieder ein besserer Spieltag für die DFB-Schiedsrichter, wenn der fehlende Strafstoß im Topspiel dennoch einen Beigeschmack hinterlässt. Am Ende sitzen halt auch vor dem Bildschirm Menschen, die Fehler machen. Eine Tatsache, die viele Fans da leider noch nicht wirklich akzeptieren wollen. Ä Da bei Strafstoß-Entscheidung oftmals ein gewisser Ermessensspielraum besteht, ist man beim Videoassistenten hier noch auf der Suche nach der VARheit, was die Linie bei den Eingriffen angeht. Ganz finden wird man die wohl nie…
Hinweis: Bei dieser Analyse waren wir auf die Zusammenfassungen im Anschluss an den Spieltag angewiesen.
Sehr geehrter Hr. Schmidt, ich möchte Ihrer Einschätzung bzgl. des Kölner Ausgleichtreffers widersprechen. Für mich steht auch der Kölner-Spieler in der Sichtlinie von Hr. Trapp – und dann ist Abseits die einzig richtige Entscheidung. Schwierig finde ich Ihr Argument bzgl. des Abstands des Kölner Spielers zu Hr. Trapp (5 Meter). Ab welcher Entfernung ist es denn „strafwürdiges Abseits“? 2 Meter, 3 Meter oder 4,35 Meter? Wofür soll dies relevant sein? Im übrigen verweise ich auf die Bewertung hierzu im Kicker (Fehlentscheidung). Des Weiteren verweise ich auf zwei gute Kommentare zum Artikel „Kölner Ausgleich mit Fragezeichen“.
Die Meteranzahl beim Sichtfeldabseits beträgt im schiedsrichterkreisen zwischen 5 und 7 Metern.