Vorab: Er wurde definitiv nicht offiziell gesperrt. Vielmehr hat der Schiedsrichter-Ausschuss des Deutschen Fußball-Bundes im Sinne einer Disziplinarmaßnahme beschlossen, Tobias Stieler für den Rest dieser Saison in seinem „Hoheitsbereich“ nationale Spiele nicht mehr anzusetzen (von diesem sind FIFA/UEFA ja nicht berührt). Ich kann nicht sicher sagen, welchen Status (Partei/Zeuge?) Stieler in der sportgerichtlichen Verhandlung um den Petersen-Feldverweis hatte – an diesen Status wäre dann vermutlich auch die Möglichkeit bzw. Nicht-Möglichkeit einer Aussage-Verweigerung bzw. der Umfang eines möglichen Aussageverweigerungsrechts geknüpft.
Was über Stieler jetzt länger „schweben“ dürfte, ist eine „Bewährungsfrist“. Ein nur annähernd ähnlicher Vorfall in den kommenden Jahren dürfte schon allein wegen öffentlichen Drucks sowohl DFB-Justiz als auch die Schiedsrichter-Führung zu einer formalen Aufarbeitung der Sache quasi zwingen. Für mich stellt sich eine entscheidende Frage: Wenn man das ganze offenbar „intern“ lösen wollte, um Stielers rasante Karriere nicht zu gefährden, warum kommuniziert man das Ganze nach außen? Hätte man ihn einfach nicht mehr angesetzt, ohne eine Information, hätten wir hier wohl alle gedacht, er wäre verletzt. So bleiben Vermutungen, Verdächtigungen und, das dürfte gewollt sein, Abhängigkeiten. Nicht zuletzt in Bezug auf die angesprochene „Bewährungsfrist“.
Ich denke mal, ein gänzlich kommentarloses Nicht-mehr-auftauchen von Stieler im Anschluss an den ja auch von BILD und Co. begleiteten Verhandlungstermin des Petersen-Platzverweises wäre nicht so einfach mit einer Verletzungs-Vermutung aus der Welt gewesen. Da hätte ein Stillschweigen von Seiten des Schiedsrichter-Ausschusses eher für noch mehr Spekulationen im medialen Raum gesorgt. Immerhin hat man ja eines erreicht: fast jedes Medienorgan hat die Maßnahme der Kommission als „Sperre“ verkauft. Man hat einer breiten Öffentlichkeit damit also eine sportjuristische Entscheidung suggeriert in der Sache um den SR, obwohl in Wirklichkeit noch nicht mal eine zur Entscheidung stand. 90% der Berichtwahrnehmer haben doch vermutlich gar nicht begriffen, dass es sich um eine Art Disziplinarmaßnahme und nicht um eine sportjuristische Aufarbeitung und Ahndung handelt. Wenn man das erreichen wollte, war es ganz geschickt gemacht.
Und nur noch ergänzt ein Gedanke „um die Ecke“ zu der Sache: Sportrichter H. E. Lorenz äußert im Zuge der Aufarbeitung des Spiels „Darmstadt-Aue“ sinngemäß, die Sportgerichtsbarkeit als II. Instanz zu sehen und setzt damit den Schiedsrichter auf dem Platz in die Rolle des erstinstanzlichen Richters im sportjuristischen Gefüge. Die Sichtweise teile ich angesichts der Umsetzungsgepflogenheiten gern. Gerade deswegen habe ich allerdings so große Schwierigkeiten, das Verhalten von Stieler in der Petersen-Sache zu akzeptieren. Lorenz stellt hier über den Umkehrschluss klar, der Schiedsrichter besetze ein Richteramt im Instanzenzug (und eben nicht das eines Ordnungshüters vor den Instanzen). Den Ansprüchen an die Aufgaben eines solchen Amtes wurde Stielers Verhalten in der Sache nicht gerecht.