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Gewalt gegen Schiedsrichter: Ein Job zwischen Faszination und Gefahr

Die Gewalt gegen Schiedsrichter und generell auf Fußballplätzen nimmt weiter zu. Das zeigt die Zahl an Spielabbrüchen, die in der vergangenen Saison massiv gestiegen ist. Bundesliga-Schiedsrichter Christian Dingert und Thaya Vester vom DFB sprechen über das Problem.

Die Gewalt breitet sich immer mehr aus auf deutschen Fußballplätzen – oft sind die Schiedsrichter das Ziel. Das beobachtet auch Thaya Vester von der Uni Tübingen. Sie ist Mitglied der DFB-Expertinnengruppe „Fair Play – gegen Gewalt und Diskriminierung“ und ärgert sich, dass „viele Dinge im Fußballsport als normal angesehen werden“. Schiedsrichter bekämen häufig Sätze wie „Das muss man halt abkönnen“ oder „Ihr wisst doch, worauf ihr euch einlasst“ zu hören. Vester aber macht klar: „Nein, das ist nicht normal!“
Oftmals bleibt es nicht bei verbaler Gewalt, sondern es kommt zu tätlichen Angriffen auf Unparteiische. Ist die Grenze bei Beleidigungen und Bedrohungen bereits überschritten, sieht Vester hier vollendete Straftatbestände. „Wenn ich jemanden niederschlage, dann ist das ein strafbares Verhalten, das man so nicht dulden kann“, sagt die Kriminologin.

Neben dem Fehlverhalten auf dem Platz kommt es auch von außen vermehrt zu Angriffen und verbalen Attacken. „Wir haben ein Problem, was die Sanktionierung von Zuschauerverhalten angeht. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen kapitulieren die Schiris vor der schieren Masse an Fällen. Sie sagen: ‚Ich muss mich auf das Spiel konzentrieren. Ich kann und will auch gar nicht wahrnehmen, was da Leute von draußen reinbrüllen'“, so Vester.
Schwierig: Schiris können oft nicht zuordnen, von wem was kommt. Und auch das Sportgericht kann dann nur schwer dagegen vorgehen. Oft sind die Fälle „aussichtslos. Sportgerichte können nur Menschen bestrafen, die selber Mitglied im Sportverband sind“. Ansonsten seien die Heimvereine gefordert, das Hausrecht durchzusetzen und „dafür zu sorgen, dass es gesittet abläuft“, erklärt Vester.

Vester: Zu wenig Schiedsrichterinnen

Ein weiteres Problem sieht sie in fehlendem weiblichem Nachwuchs. Eine neue Studie vom DFB besagt zwar, dass es wieder mehr Schiedsrichter gibt. Aber: immer noch gibt es viel zu wenige Frauen unter den Referees, nur rund vier Prozent.

„Männer sind halt so“

„Da, wo es um Macht geht, da stehen die Frauen noch ein bisschen hinten an“, sagt Vester. Auch den Frauen wird es nicht immer leicht gemacht auf dem Platz. „Schiedsrichterinnen sind weniger betroffen von körperlicher Gewalt, müssen sich dafür verbal sehr, sehr viel anhören. Was auch besonders fatal ist: Sie sagen, sie glauben, dass sie das abkönnen müssen, wenn sie mitspielen wollen. Dann heißt es: Männer sind halt so.“

Vester unterstreicht, dass gerade die verbale Aggressivität im Amateur- und Jugendfußball durch das Verhalten von Fußballprofis gesteuert wird. „Wir sehen das in der Bundesliga und auch international, dass die Umgangsformen nicht die allerbesten sind und das setzt sich natürlich nach unten hin durch. Kinder kopieren den Torjubel, den sie sehen und natürlich verinnerlichen sie und nehmen das auch auf, wenn Trainer auf den Schiedsrichter zurennen und den aus zehn Zentimeter Entfernung anbrüllen“, führt Vester aus. „Dann wird das als normal angesehen und gefeiert, weil das sind ja auch noch wahre Emotionen. Es setzt sich fort und prägt dieses Bild: Fußball ist halt so.“

Vester wirbt bei allen Verantwortlichen und den Kickern für ein Bewusstsein der Probleme. „Wir werden es nicht gänzlich lösen können, aber ich hoffe wirklich, dass die Beteiligten spätestens jetzt aufgerüttelt und wach werden, dass wir mal wieder einen positiven Fokus setzen können“, sagt Vester. Sie setzt dabei auch auf die EM im kommenden Jahr, das ersehnte Sommermärchen 2.0. „Ich hoffe, dass die EM wieder eine Fußballbegeisterung neu entfacht und nicht mehr die ganzen negativen Themen im Fokus stehen müssen, sondern man sich einfach nur über Fußball freuen kann.“

Und vor allem muss den Betroffenen zugehört werden. Da ist die Herangehensweise in den einzelnen Landesverbänden ganz unterschiedlich“. so Dingert weiter. Trotz aller Probleme wirbt der FIFA-Schiri von der TSG Burglichtenberg weiter für den Job an der Pfeife, der in seiner Ausprägung an sich faszinierend ist. „Man hat mit 22 unterschiedlichen Charakteren zu tun. Man muss entscheiden, man kann sich als Schiri nicht irgendwie rausreden. Was ganz wichtig ist: Man lernt fürs Leben dazu, wenn man hier die Verantwortung übernimmt. Und das Wichtigste: Es muss natürlich Spaß machen.“

Quelle: SWR sport

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Dieter Albrecht

    Leider ist das Gewaltpotenzial im Amateurbereich dauerhaft gestiegen. Jetzt werden Schiedsrichter wegen einer Entscheidung, wie kürzlich in Verden, mit dem Tode bedroht. Wenn, wie in diesem Fall, ein Zuschauer, der kein Mitglied eines Vereins ist, derartige Drohungen ausstößt, ist das Sportgericht machtlos. Am Ende wird nur der betreffende Verein bestraft. In diesem Fall nach dem Spielabbruch mit einer 0:5-Wertung und einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 500 EURO. Darunter fällt mangelnde Platzaufsicht, vor allem auch der Schutz des um sein Leben fürchtenden Schiedsrichters.
    Der arabisch sprechende Zuschauer, Vater eines Spielers, wurde vom Heimverein mit einem Platzverbot belegt. Damit stellt sich sogleich die Frage, wer das überwacht? Vielleicht steht die Person schon in einigen Wochen wieder auf dem Platz. Ein Verbot müsste bundesweit gelten. Gut gesagt, aber nicht realistisch und durchsetzbar.
    Wenn der Schiedsrichter gegen die aktiv körperliche Bedrohung etwas unternehmen will, muss er zivilrechtlich mit einer Anzeige gegen die betreffende Person vorgehen. Das Ergebnis ist vorhersehbar. Nach kurzer Zeit erhält er von der Staatsanwaltschaft eine Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens. So ist das in unserer Rechtsprechung. Vielleicht ändert sich erst dann etwas, wenn ein Schiedsrichter tot vom Platz getragen wird. Meine Aussage ist keine Überspitzung. Das ist pure Realität.
    Der Jugendbereich, wie auch der gesamte Fußball, ist von Jahr zu Jahr rückläufig. Es gibt zunehmend weniger Mannschaften. Entweder hat ein Teil der Jugendlichen „keinen Bock“ mehr oder wendet sich Sportarten zu, in denen mehr Disziplin herrscht. Ein gutes Beispiel ist der Handball. Hier ist mir kein Fall von aktiver Bedrohung gegen einen Schiedsrichter auf dem Spielfeld oder der Zuschauer in einer Halle bekannt.
    Was der junge Schiedsrichter beim Spiel in Verden macht, ist völlig unklar. Vielleicht macht er weiter, vielleicht auch nicht. Wenn nicht, hätten wir wieder einen Schiedsrichter weniger. Bedenklich ist, dass sich nicht selten heißblütige Migranten austoben, was in ihrem Herkunftsland sehr hart bestraft werden würde. Diese Menschen glauben, dass sie sich durch ihre Anwesenheit in unserem Land alles erlauben können. Zum Glück ist das die Minderheit. Deutschland ist kein rechtsfreier Raum, auch nicht im Sport. Das gilt für alle Bürger, egal welcher Herkunft.

  2. Dieter Albrecht

    Zum Schiedsrichternachwuchs möchte ich noch ergänzen. Früher war längst nicht alles besser, vieles aber doch. Vorkommnisse, wie sie jetzt allwöchentlich passieren, gab es vor einigen Jahrzehnten in dieser Form nicht. In den seltenen Einzelfällen wurden derartige Personen allgemein geächtet.
    Heute ist das anders. Die Aggressionen von sogenannten Fans werden an denen abgelassen, die überhaupt nichts dafür können. Wir sehen das gerade im Fußball. Jeder Schiedsrichter hat für sich selbst den Anspruch, ein Spiel gut und möglichst fehlerfrei zu leiten. Wenn dann – wie geschildert – Bedrohungen an Leib und Leben vorkommen, vor denen sie kaum geschützt werden können, werfen sie letztlich enttäuscht hin.
    So reduziert sich der Nachwuchs an Schiedsrichtern zunehmend. Was Frauen betrifft, ist das Ganze noch erheblich schlimmer. Schwerste – zumeist geschlechtsspezifische – Beleidungen sind im Amateurbereich durchaus an der Tagesordnung. Das muss viele Frauen abschrecken, überhaupt Schiedsrichterin werden zu wollen. Die Auswüchse werden nicht selten, mitunter sogar von Führungspersonen in den Verbänden beschönigt, ist aber die ganze und einzige Wahrheit. Leider!

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