(red/fs) In der aktuellen Ausgabe der Schiedsrichterzeitung wird ein immens wichtiges Thema der modernen Spielleitung angesprochen. Der DFB-Lehrbrief Nr. 95 beschäftigt sich mit dem Thema Kommunikation.
„Man kann nicht kommunizieren.“ Dies stellte bereits Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick fest. In besonderer Art und Weise trifft das auf die Unparteiischen zu, bei deren Arbeit jede Regung begutachtet wird. Um im Hochleistungssport der heutigen Zeit bestehen zu können und emotionalen Spielen nicht nur Strafkarten entgegensetzen zu können, ist eine überdurchschnittliche Kommunikationfsähigkeit gefordert. Platzverweise, wie der für Willi „Ente“ Lippens nach seinem legendären Wortwechsel „Herr Lippens, ich verwarne Ihnen“ – „Herr Schiedsrichter, Ich danke Sie“, würden heute ganz sicher nicht mehr vorkommen. Stattdessen würde auch vom Referee ein passender Spruch folgen. Doch auch die Schiedsrichter sind keine Maschinen und eben alle grundverschieden. Deshalb lohnt ein Blick auf die auffälligsten, exzentrischsten und auch oft unterhaltsamsten Unparteiischen.
Der sicher auffälligste und zugleich exzentrischste Spitzenschiedsrichter ist derzeit wohl der Spanier Antonio Mateu Lahoz. Nachdem er es in früheren Jahren mit seiner wilden Gestik und seinen auffälligen Ansprachen deutlich zu weit trieb, hat er sich in Spanien zu unumstrittenen Nummer 1 hochgearbeitet und auch international an Ansehen gewonnen. Hin und wieder bricht es dennoch aus ihm heraus, wie beispielsweise beim Champions League-Spiel zwischen RB Leipzig und Manchester United. Doch schon am folgenden Wochenende pfiff er das Madrider Stadtderby, aus welchem man beinahe einen Lehrfilm zu Kommunikationsfähigkeit drehen könnte. [TV-Bilder]
Man kann vom Spanier halten, was man will, ein Typ mit Ecken und Kanten, wie ihn der glattgebügelte Spitzenfußball braucht, ist Lahoz definitiv.
Andere Schiedsrichter brauchen für eine effektive Kommunikation keine großen Gesten, sondern müssen einfach nur böse schauen: Der Mexikaner Marco Rodriguez Moreno, Schiedsrichter des deutschen 7:1 Triumphs gegen Brasilien, passt eindeutig in diese Kategorie. Nicht umsonst wird er auch ‚Dracula‘ genannt.
Von Rodriguez Moreno ist für deutsche Fans der Weg nicht weit zu Deniz Aytekin. Eine gewisse Ähnlichkeit ist schon mal nicht von der Hand zu weisen und auch bei seinem Umgang mit den Spielern braucht Aytekin neben ein paar lockeren Sprüchen nicht viel Spektakel, um Autorität auszustrahlen.
Von der Ruhe kehren wir wieder zurück zum Spektakel und zu zwei höchst auffälligen Kollegen aus Südamerika. In der Hitze der argentinischen Liga scheint es sich doch auszuzahlen, als Referee auch mal ein paar Sonderschichten auf der Hantelbank geschoben zu haben. Weltklasse-Referee Nestor Pitana, Unparteiischer des WM-Finals 2018, legt eine unheimliche Kraft in sein Auftreten, dass man als Spieler beinahe nicht anders kann, als seine Entscheidung zu akzeptieren. Spannend wäre es, zu sehen, ob sich eine solches Auftreten auch im meist unterkühlten und sachlichen europäischen Schiedsrichterwesen durchsetzen könnte. Damit ihr wisst, wovon wir reden, sehr ihr hier einige Ausschnitte: [TV-Bilder]
Der zweite auffällige Südamerikaner hat es mit seinem Bizeps bereits in verschiedenste soziale Netzwerke geschafft. Aufsehen erregt Anderson Daronco (Vorschaubild) durch seine kräftigen Oberarme definitiv und trägt mit seinem Erscheinungsbild auch sicher zu einer ruhigen Spielleitung bei.
Um wieder den Bogen nach Deutschland zu schlagen, kommen wir in einer solchen Analyse an zwei Berliner Schiedsrichtern nicht vorbei, die auch ohne Extraschichten im Fitnessstudio, oder großer Gestik mit ihrer Kommunikationsfähigkeit bei den Spielern ankommen. Manuel Gräfe sorgt seit Jahren für tolle Spielleitungen, indem er den Spielern eine gesunde Nähe signalisiert, dadurch Vertrauen gewinnt und Akzeptanz findet. Was Gräfe seit Jahren gelingt, scheint nun auch Daniel Siebert aufzugreifen. Der jederzeit grundsachliche Sportlehrer verzichtete schon immer auf große Gestik und gewann immer mehr Sicherheit in seinem Auftreten.
Kompetent zu kommunizieren, ist gerade für junge Schiedsrichter nicht leicht. In jeder neuen Spielklasse werden die Unparteiischen wieder auf die Probe gestellt und müssen sich durchbeissen. Doch mit einem gesunden Verständnis für sein Gegenüber und Kommunikation auf Augenhöhe ist für jeden Schiedsrichter neben stabilen Leistungen schon viel gewonnen. Denn auch wenn mal eine Entscheidung nicht passt, so wird dem nahbaren und ruhigen Schiedsrichter immer weniger Gegenwind entgegenwehen, als einem distanziert auftretenden Referee.
Von: Felix Stark
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