Knapp 60.000 aktive Fußball-Schiedsrichter gibt es in Deutschland, und Schams Golzari ist einer davon. Der Buxtehuder ist eine Ausnahmeerscheinung in der Region. Mit 17 Jahren leitet Golzari bereits Spiele der Bezirksliga. Das TAGEBLATT hat ihn begleitet.
Golzari ist eine Ausnahmeerscheinung im NFV-Bezirk Lüneburg. Mit 17 Jahren pfeift er seit dieser Saison Spiele in der Bezirksliga. „Er ist eines unserer großen Talente“, sagt der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses, Berthold Fedtke. Durch seine „sehr guten Leistungen“ auf Kreisebene hat sich Golzari für den Bezirk empfohlen. Dort stehen 87 Schiedsrichter auf der Liste.
Seine Schwester verteilt den Kuchen auf die Teller. Bevor Golzari nach Hamburg gezogen war, lebte er bei ihr in Buxtehude. Jetzt kommt er an den Wochenenden zu Besuch, ist wegen seiner vielen Einsätze aber selten daheim. Er pfeift bis zu 70 Spiele pro Saison. „Die Konkurrenz ist groß“, sagt Golzari. „In der Bezirksliga muss man zuverlässig da sein.“ Die Verwandtschaft gibt sich verständnisvoll. „Wir sind unheimlich stolz“, sagt die Schwester. „Man merkt, dass es seine große Leidenschaft ist.“ Golzari will offenbar hoch hinaus, sagt es aber nicht.
Ich habe viele Jahre Fußball gespielt. Ich wollte später verstehen, wie es ist, Situationen zu bewerten. Das hat mich fasziniert.
13.05 Uhr. Golzari ist noch zu jung, um alleine Auto zu fahren. Also „chauffiert“ sein Schwager das Gespann nach Lamstedt. Auf dem Weg sammeln sie in Fredenbeck den anderen Assistenten, Hagen Wöhlk, ein und merken, dass sie etwas spät dran sind. Michael Eisenhardt drückt aufs Gaspedal. Felder mit Kühen ziehen vorüber. Die Oste bei Hechthausen. Die Windmühle „Caroline“. Dann erreichen sie den „Ferienort“ Lamstedt, so steht es auf dem Ortsschild.
Nicht nur die Noten sind entscheidend
14.10 Uhr. Golzari und seine Assistenten begehen den Platz. An der Torauslinie machen sie Halt. „Unterstützt mich ruhig bei Fouls“, sagt Golzari. Über Situationen im Strafraum werde er entscheiden, „außer ihr seid euch absolut sicher“. Golzari legt die Linie für das Spiel fest. Falls die Assistenten mehr sehen als er, gibt es eine Reihe von Signalen, die sie jetzt abstimmen. Hand vor dem Bauch bedeutet Gelb, Hand vor den Weichteilen: Rot. Die Assistenten können Golzari auch ein Signal mit ihrer Funkfahne senden. Dann vibriert sein Armband.
Wie verschafft sich ein 17-Jähriger Gehör? „Auf die Balance kommt es an“, sagt Golzari. Er will nicht der strenge Spielleiter sein. „Es gibt Spieler, bei denen man einen lockeren Spruch bringen kann.“ Und wenn es drauf ankommt, habe er keine Scheu, den Spielern klarzumachen, dass er den Ton angibt. „Wichtig ist, immer auf Augenhöhe zu kommunizieren.“
Oft heißt es: Wenn es gut läuft, wird der Schiedsrichter nicht beachtet. Läuft es schlecht, wird er verflucht. Das stimmt, sagt Golzari. „Ich bin froh, wenn man nach einem Spiel nicht das Thema ist.“ Und wenn doch, sei es gut, sich ein dickes Fell zuzulegen. Gewalt habe er noch nicht erlebt, anders als Assistent Thiele, dem ein Zuschauer bei einem Landesligaspiel mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe – Kieferprellung. „Ich wollte aufhören, es macht aber zu viel Spaß.“.
Golzari steht mehrmals in der Saison unter Beobachtung. So auch in Lamstedt. Dort protokolliert ein Mann mit einem Klemmbrett vor dem Bauch und einer Stoppuhr um den Hals jede Entscheidung des Schiedsrichters. Matthias Kopf, Schiedsrichter-Lehrwart des NFV, geht es darum, Golzaris Leistung zu bewerten, aber auch, ihm Feedback zu geben. Kopf hat unzählige Schiedsrichter auf dem Weg nach oben begleitet, auch Bundesliga-Schiedsrichter Harm Osmers. Er weiß, dass der Flaschenhals enger werde, je höher ein Unparteiischer aufsteige. Allein in der Oberliga Niedersachsen gebe es nur 26 Schiedsrichter. „Es reicht nicht, nur Talent zu haben“, sagt Kopf. „Man braucht auch Glück und einen langen Atem.“
Vor der Kabine wartet der Schwager. Michael Eisenhardt ist beeindruckt, wie abgeklärt Golzari die Partien leite, und glaubt, dass er es „hoch schaffen“ werde. Dann tauchen die Drei auf. Zuerst wird Hagen Wöhlk in Fredenbeck abgesetzt, dann Noah Thiele in Apensen. Um 19 Uhr erreichen sie Buxtehude. Wenig später fährt Golzari mit der Bahn zurück nach Hamburg-Barmbek. Am Montag geht er wieder zur Schule.
Recht vielen Dank für den informativen Artikel!
Toller Blog.