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Nach Faustschlag: Schiedsrichter dachte ans Aufhören

Als Assistent wurde Jens Schmidt von einem Fußballspieler niedergeschlagen. Wie geht man mit einer solchen Attacke um? Nun haben sie bei dem Wormser Lehrer nachgefragt.

Von Roland Keth/Wormser Allgemeine Zeitung (pay)

30 Euro Pauschale, 27 Euro Fahrtgeld. Zusammen also 57 Euro. Das hat Jens Schmidt als Aufwandsentschädigung dafür erhalten, dass er das Halbfinale im Fußball-Verbandspokal zwischen TuS Rüssingen und Alemannia Waldalgesheim im November als Linienrichter mitgeleitet hat. Im Nachhinein müsste man allerdings eher von Schmerzensgeld sprechen: Denn ein Rüssinger Spieler war damals völlig ausgerastet und hatte den Schiedsrichterassistenten mit einem krachenden Faustschlag niedergeschlagen. Die Folge: Gehirnerschütterung, ein völlig zugeschwollenes Veilchen-Auge, erhebliche Schmerzen und im Beruf eine ärgerliche, aber unvermeidliche Krankschreibung. Eineinhalb Wochen mussten die Erstklässler der Wormser Westend-Grundschule auf ihren Klassenlehrer verzichten.

Mittlerweile ist Jens Schmidt längst in die Schule zurückgekehrt und unterrichtet seine Schüler wieder in evangelischer Religion und Sport. Folgeschäden hat er glücklicherweise nicht davongetragen. „Mir geht’s gut“, sagt der 33-jährige gebürtige Studernheimer, der mittlerweile in Ludwigshafen wohnt. Das gilt für den Körper. Aber wie sieht es tief drinnen in der Seele aus? Was hat die brutale Attacke mit der Psyche eines Mannes gemacht, der jedes Wochenende für ein kümmerliches Salär quasi ehrenamtlich Fußballspiele pfeift?

„Mit Leib und Seele Schiedsrichter“

Er habe natürlich während seiner Krankphase viel Zeit gehabt, die Ereignisse von Rüssingen noch einmal gedanklich Revue passieren zu lassen und sich Konsequenzen zu überlegen. Aber er habe nur kurz mit dem Gedanken gespielt, den Bettel hinzuschmeißen. Und sich dann bei seinem Obmann Thorsten Gerhard Braun rasch zurückgemeldet. „Denn ich bin nun mal mit Leib und Seele Schiedsrichter.“

Schiri-Streik als Warnung?

Wegen andauernder, tätlicher Übergriffe haben in Berlin alle unterhalb der Oberliga pfeifenden Schiedsrichter an einem Wochenende im Oktober gestreikt. Von solchen Aktionen hält DFB-Lehrwart Lutz Wagner wenig. „Damit bestrafen wir die Falschen. Viel wichtiger ist es, dass es eine Bewusstseinsänderung gibt. Man kann einen Schiedsrichter kritisieren, auch Einspruch gegen die Spielwertung einlegen. Aber so groß kann ein Fehler gar nicht sein, dass zugeschlagen wird.“

Schmidt, der bis zur A-Jugend selbst Fußball spielte, sich selbst aber nur mäßiges Kicker-Talent bescheinigt, hat dann vor der Winterpause noch ein Verbandsligaspiel gepfiffen. Und war der Meinung, die Partie so geleitet zu haben, wie er das immer tut. Engagiert, korrekt, souverän, im Zweifelsfall auch streng und stets selbstbewusst. Das hat ihm bei manchem Fußballer oder Trainer den Ruf eingetragen, mitunter auch arrogant aufzutreten. Er weiß das. „Aber eigentlich bin ich eher ein Kumpeltyp. Und bei manchen Spielen mit fairen Spielern kann ich das auch zeigen. Aber wenn es sein muss, dann greife ich rigoros durch“, lautet seine Devise. Und das werde ihm dann gerne fälschlicherweise als übersteigertes Selbstwertgefühl ausgelegt.

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