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Petersen: „Applaus gibt es sowieso nicht“

Ärger über Schiedsrichter-Entscheidungen kennen wir alle: ob Spieler, Verantwortliche oder Fans, ob in Freiburg beim SV Werder Bremen oder sonst wo. Ich habe nun die Perspektive des Referees kennenlernen dürfen – eine besondere Erfahrung.

Von: Nils Petersen 

In der Länderspielpause musste ich ran: Bezirksliga, ich der Schiedsrichter. Absolutes Neuland für mich. Ich war mächtig nervös. Mit dem Anpfiff löste sich die Anspannung etwas, aber ich habe schnell gemerkt: Das wird nicht einfach, denn du wirst es nicht beiden Mannschaften recht machen. Zumal es wirklich nicht leicht ist, den Fokus zu behalten, wenn die Zuschauer reinrufen oder die Spieler selbst deine Entscheidungen kommentieren. Und was man als Schiedsrichter alles wissen muss – Wahnsinn! Ohne Multitasking geht da nix. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schwer es ist, eine Bundesliga-Partie vor 50.000 Fans zu leiten. Das verdient meinen größten Respekt. Weil: Wie du es machst, du machst es falsch!

Werder Bremen-Kolumne – Nils Petersen als Schiedsrichter: „Applaus gibt es sowieso nicht“

Es kommt immer mal wieder vor, dass ich mit den Jungs in der Kabine sitze und wir über strittige Entscheidungen des Bundesliga-Wochenendes sprechen. Drei sagen „klarer Elfmeter“, drei andere „niemals ein Foul“. Das war in der Kabine von Werder Bremen so, das ist in der Freiburger Kabine so und das wird vermutlich auch in allen anderen Kabinen so sein. Die Wahrnehmungen sind eben unterschiedlich. Deswegen tun mir die Schiedsrichter oft leid. Keiner entscheidet vorsätzlich falsch. Und selbst mit dem VAR bleiben viele Szenen Auslegungssache, die Entscheidungen subjektiv. Niemals werden alle mit dieser Entscheidung glücklich sein – und Applaus gibt es sowieso nicht.

Ich behaupte übrigens, einen guten Draht zu den Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen zu haben. Aber es gibt Spiele, in denen es ohnehin schlecht für dich läuft. Dir gelingt nicht viel – und wenn dann der Referee gefühlt alle 50/50-Entscheidungen gegen dich pfeift, willst du deinen Ärger einfach mal loswerden. Gerade von uns Stürmern bekommt das dann auch der Linienrichter ab: „Hör mal auf, ständig die Fahne zu heben, schau doch mal richtig hin!“ Ich finde, das gehört bei den Emotionen des Fußballs dazu – und ich habe mich als Schiedsrichter ebenso darauf eingelassen. Da stehen in der Regel 22 heißblütige Alpha-Tiere auf dem Platz, die unbedingt gewinnen wollen. Gegenseitiges Verständnis ist da aus meiner Sicht entscheidend. Der Ton muss aber angemessen bleiben – sonst gibt’s halt eine Karte. Ich bin zum Glück ohne Verwarnungen ausgekommen. Der Perspektivwechsel war eine sehr coole, lehrreiche Erfahrung. Würde ich es wieder tun? Ja! Aber nach nur einem Spiel habe ich auch leicht reden.

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