Die ehemalige FIFA-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb verfolgt die Fußball-WM als ARD-Expertin. Im Interview spricht die Niedersächsin über die bisherigen Referee-Leistungen, Vielfalt im Fußball und ob ausgerechnet in Katar erstmals eine Schiedsrichterin ein WM-Spiel pfeifen wird?
Bibiana Steinhaus-Webb, wie beurteilen Sie die bisherigen Leistungen der Schiedsrichter bei dieser WM?
Bibiana Steinhaus-Webb: Bislang haben wir durchweg gute Schiedsrichter-Leistungen gesehen, mit viel Nachspielzeit, aber mit einer sehr konsequenten Linie.
Verändert diese lange Nachspielzeit den Fußball gerade ein bisschen?
Steinhaus-Webb: Sie gibt den Mannschaften natürlich deutlich mehr Netto-Spielzeit, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Spielverzögerungen, Auswechslungen oder Verletzungspausen werden jetzt einfach eins zu eins nachgeholt. Aus diesem Grund sehen wir aktuell so viel Nachspielzeit.
Es sind sechs Schiedsrichterinnen bei dieser WM dabei, drei Hauptschiedsrichterinnen und drei Assistentinnen. Bislang waren sie nur als Vierte Offizielle im Einsatz. Glauben Sie, dass in Katar noch eine Schiedsrichterin ein WM-Spiel pfeifen wird?
Steinhaus-Webb: Die Qualität spricht für sich. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir die eine oder andere noch auf dem Feld in Aktion erleben werden. Ganz wichtig auch aus Sicht der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter ist, dass die Besten eingesetzt werden.
Es ist ein bisschen überraschend, dass ausgerechnet in Katar Schiedsrichterinnen eine WM-Spiel pfeifen sollen?
Steinhaus-Webb: Fußball wird weltweit gespielt. Fußball ist Vielfalt und für jedermann offen. Dass wir diese Diversität in Schiedsrichter-Teams sehen können, freut mich ganz besonders.
Man hat ein bisschen das Gefühl, dass der Schiedsrichter immer mehr zu einer politischen Figur oder auch zum verlängerten Arm der FIFA wird, wenn es zum Beispiel um die „One Love“-Binde geht. Finden Sie das in Ordnung?
Steinhaus-Webb: Die FIFA hat sich da sehr deutlich positioniert. Und die Schiedsrichter sind angehalten, den Anweisungen zu folgen.
In Deutschland haben wir große Diskussionen über den WM-Gastgeber Katar, das Thema Menschenrechte oder auch die „One Love“-Binde. Sie leben in England, werden diese Themen dort genauso heiß diskutiert?
Steinhaus-Webb: Diese wichtige Diskussion wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und vielen anderen Ländern in Europa und weltweit geführt. Wir haben jetzt eine große Chance, Themen zu besprechen, die den Fußball auch außerhalb des Platzes bewegen. Und wir haben alle die Möglichkeit, jetzt Stellung zu beziehen, um unsere und die Zukunft unserer Kinder positiv zu beeinflussen und den Fußball für alle zugänglich zu machen.
Das Interview führte Claudia Hoogestraat