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Turpin leitet Finale in Paris souverän

Real Madrid gewinnt die UEFA Champions League mit einem sehr glücklichen 1:0-Sieg gegen den FC Liverpool. Nach einem aberkannten Abseitstor entschied Vinicius Junior die Partie mit seinem Treffer in der 59. Minute zugunsten der Spanier. Insgesamt war das Finale aber sehr ausgeglichen bzw. wurde spielerisch eher von Liverpool bestimmt. Schiedsrichter Turpin hatte mit einem sehr fairen Finale keinerlei Probleme und entschied im Gespann bei einer schweren Einzelszene korrekt.

Die begehrteste Ansetzung im europäischen Fußball gab die UEFA dem Franzosen Clement Turpin. Der 40 jährige FIFA-Schiedsrichter leitet nach dem Europa League Finale im vergangenen Jahr diese Saison das Endspiel in Paris. Damit ist er der erste Franzose seit 1986 (damals Michel Vautrot), der das Finale in der Königsklasse leitet. In seiner Heimat wird er von einigen als „Wunderkind“ bezeichnet.

Turpin assistierten an den Linien im Finale in Paris Nicolas Danos und Cyril Gringore. Als Vierter Offizieller fungierte Benoit Bastien. Im Champions League Finale werden vier VARs eingeteilt, die das Endspiel vor dem Bildschirm verfolgen. Dabei wurden die zwei Franzosen Jerome Brisard (VA) und Willy Dalajod (VA-A1) eingeteilt. Für das Abseits unterstützten die beiden Italiener Massimiliano Irrati (VA-A2) und Filippo Meli (VA-A3).

Der Anpfiff verzögerte sich im Stade de France um 30 Minuten, weil sich der Einlass verzögerte und es viele Fans sonst nicht rechtzeitig ins Stadion geschafft hätte. Die UEFA nannte offiziell Sicherheitsgründe. Offenbar sind einige englische Fans ohne Ticket ins Stadion eingedrungen. Ähnliche Probleme gab es bereits beim EM-Finale 2021, damals im Londoner Wembley Stadion.

Die Partie startete wie erwartet sehr ausgeglichen. Nach wenigen Minuten startete aber ein Powerplay der Engländer. Mane und Sallah konnten aber entscheidende Chance nicht nutzen, sodass Real Madrid von einem Gegentreffer trotz erneut schlechten Starts verschont blieb. Aus Sicht des Schiedsrichters Turpin war die Partie sehr fair. In der ersten Viertelstunde hatte das Gespann nahezu ausschließlich Ausbälle zu bewerten. Die wenigen deutlichen Fußvergehen pfiff der Franzose raus. Ein bisschen sehr weit wurde die Linie nach 25 Minuten, als Carvajal an der eigenen Eckfahne seinen Gegenspieler mehrfach sehr deutlich am Trikot festhielt und sogar daran riss. Dieses sehr deutlich Textilvergehen muss sicherlich in einem Champions League Finale nicht direkt mit Gelb geahndet werden, pfeifen hätte Turpin es aber sicherlich müssen. Stattdessen ging es mit einem Einwurf für Real weiter. In der 38. Minute machte Liverpools Keeper Alisson das Spiel mit einem weiten Abschlag zu Luis Diaz schnell, der Kolumbianer wurde mit einem Foul wieder von Carvajal gestoppt. Turpin pfiff das auch, ermahnte aber den Madrilenen nur. Spätestens hier hätte in der Summe Gelb kommen müssen, die der französische Referee bei einer Ermahnung vorher auch super verkauft gekriegt hätte.

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Dann ist der Ball in der 42. Minute auf einmal im Kasten von Alisson. Benzema machte den vermeintlichen Führungstreffer für Real Madrid, doch die Fahne vom Assistenten ging hoch. Nach der ersten Wiederholung stellte sich heraus, dass Benzema beim Torschuss vorher im Abseits stand, weil Keeper Alisson rausrückte und so die beiden vorletzten Abwehrspieler zählten. Doch von wem kam überhaupt der Ball? Im Pulk sehr schlecht zu erkennen. Auch die Videoassistenten taten sich bei dieser Szene sehr schwer. Die Überprüfung dauerte fast drei Minuten. Denn während die einen im Videowagen am Stadion die Abseitsszene bewerten mussten, überprüften die anderen auch noch ein vermeintliches Offensivfoulspiel im Vorfeld bzw. gar ein Foul an Valverde, was statt Abseits einen Strafstoß nach sich ziehen hätte können. Die Beschreibungen zeigen schon ganz gut, die Szene war sehr komplex. [TV-Bilder – ab 2:30 Minute]

Eine komplizierte Abseitsbewertung, bei der zunächst nicht klar, von wem der Ball gespielt wurde. (Screenshot ZDF)

Ein klares Foulspiel ist jedoch nicht zu erkennen, die Zweikämpfe sind alle fair und im Rahmen, damit wäre dieser Punkt schon mal abgeschlossen. Bleibt noch die Frage, von wem der Ball zu Benzema kam. Nach mehreren Wiederholungen und der Perspektive von hinter dem Tor lässt sich mit großer Sicherheit sagen, dass zunächst der Real-Spieler Valverde am Ball war und diesen gegen den Fuß von Konate spielte. Von dort aus prallte der Ball zum zweiten Liverpool-Verteidiger Fabinho, von dem der Ball letztlich zu Benzema geht. Es war dennoch Abseits, denn die Aktion vom Madrilenen ist ein bewusstes Spielen des Balles, die beiden Verteidiger springen aber in den Ball, sodass es sich hier um eine Torabwehraktion handelt, die das Abseits nicht auflöst. Das ist auch nicht der Fall, wenn wie hier zwei gegnerische Verteidiger nacheinander am Ball sind und es sich bei beiden um das sogenannte „deliberate play“ bzw. eine „deflection“ handelt. Wichtig ist hier, dass am Ende der langen Überprüfung eine richtige Entscheidung steht und Sonderlob gibt es für Turpin und seinen Assistenten Nicolas Danos. Wenig später war Pause.

Anfangs der zweiten Halbzeit war wieder Liverpool sehr stark, in der 47. Minute hatten Alexander-Arnold bzw. Luis Diaz eine weitere Chance für die Engländer. Nach 50 Minuten wurde Alexander-Arnold ebenfalls nur ermahnt. Auch hier war das sehr großzügig von Turpin, denn es spricht durchaus einiges hier für die Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs. Immerhin ist Turpin konsequent (siehe Carvajal erste Halbzeit).

Das Bein der Nr. 66 hob die Abseitsstellung auf. (Screenshot: DAZN)

Nach einer Stunde fiel dann der Treffer und Real Madrid ging sehr glücklich in Führung. Valverde zog über die rechte Seite Richtung Liverpooler Tor und spielte dann einen perfekten Pass durch die Abwehrreihe an den langen Pfosten zu Vinicius Junior, der den Ball über die Linie drückte. Eine perfekt gespielte Kombination und kein Abseits des Torschützen, Benzema griff hier nicht ein. Wenig später zeigte Turpin Fabinho auch die erste gelbe Karte für ein wirklich rücksichtsloses Foul gegen Valverde. Nach den beiden sehr großzügigen Ermahnungen zuvor eine doch nachvollziehbare Einstiegsverwarnung. Nach dem Gegentreffer spielte der FC Liverpool noch offensiver und kam zu weiteren Möglichkeiten. [TV-Bilder – ab 3:14 Minute]

Aber das Tor für die Reds wollte einfach nicht fallen, was auch am starken Real-Keeper Courtois lag. Er parierte mehrmals Weltklasse. Die Partie wurde spielerisch etwas hitziger, Schiedsrichter Turpin blieb aber ruhig und passte seine Linie leicht an. Durchaus nachvollziehbar, so behielt er die Partie stets im Griff und die Hektik beschränkte sich auf das Spiel. Nach fünf Minuten Nachspielzeit blieb es beim sehr sehr sehr glücklichen Champions League Sieg für Real Madrid. Bis auf das Abseitstor und dem 1:0 hatten die Madrilenen kaum Chancen, spielerisch war eigentlich auch Liverpool insgesamt deutlich besser (24 zu 4 Torschüsse).

Die verdiente Ehrung des Finalgespanns rund um den französischen Schiedsrichter Clement Turpin. UEFA-Präsident Alexander Ceferin überreichte dem Final-Schiedsrichter Clement Turpin die Goldmedaille.

Fazit: Insgesamt eine gute Leistung von Turpin in einem normal zu leitenden Finale. Die Partie war insgesamt ruhig und bis auf wenige Ausnahmen war die Zweikampfbewertung nachvollziehbar und die entscheidenden Szenen bewertete der Schiedsrichter korrekt. Besonderes Lob gibt es für die schwer zu bewertende Abseitsszene Ende der ersten Halbzeit (Abseitstor Benzema), bei der Assistent und Schiedsrichter auf dem Platz super zusammengearbeitet haben.


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Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

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