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Videobeweis in der Kreisliga: Schiedsrichter vor der Sperrung, weil er Rote Karte löschte

Die Kreisliga hat ihre eigenen Gesetze. Dass diese in Zeiten von Video-Technik nicht unbemerkt bleiben, mussten ein Schiedsrichter, der SV Körne 83 und der BSV Fortuna erfahren – und zahlen.

Als Lennart Tebaay vom B-Ligisten BSV Fortuna am 31. März gegen 16.30 Uhr seinen Strafraum verließ, ahnte er noch nicht, dass es das letzte Mal für die nächsten sechs Wochen sein wird. Der Torhüter flog in der 75. Minute beim Stand von 2:0 für seine Fortuna beim SV Körne 83 II vom Platz, weil er den gegnerischen Stürmer abgegrätscht hatte. Ein Foul, ja. Eine Rote Karte auch. Aber dass er eineinhalb Monate weg sein würde, das ist ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Beeindruckender Videobeweis

Dass es dazu kam, lag an einem beeindruckenden Videobeweis-Verfahren der Kreisspruchkammer, die überhaupt erst durch einen noch beeindruckenderen Vorgang tätig geworden ist, der nun möglicherweise dazu führt, dass ein Schiedsrichter in seinem Leben kein Spiel mehr pfeifen wird.

Was man wissen muss, bevor man sich mit diesem besonderen Fall auseinandersetzt, ist, dass es im Fußball immer mehrere Sichtweisen der gleichen Situation gibt. Was der eine sagt, kommt beim anderen möglicherweise falsch an und schon gibt es ein Problem, von dem niemand so genau sagen kann, wie es eigentlich angefangen hat. Und Schiedsrichter äußern sich generell eher ungerne über solche Fälle, der Dortmunder Schiedsrichter-Ausschuss will diesen Fall auch erst intern klären, bevor er darüber Auskunft gibt. Zudem gelten im Kreisliga-Fußball manchmal eigene Gesetze.

„War doch nicht so schlimm“

So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass sich zwei Vereine, die sich eben noch auf dem Platz duelliert haben, mit dem Schiedsrichter anschließend darauf einigen, eine im Spiel verteilte Rote Karte – wie die von Lennart Tebaay – nicht in den Spielbericht einzutragen: „War doch nicht so schlimm“ heißt es dann. Und: „Hat ja auch niemand gesehen.“

Vielleicht war es an diesem 31. März auf dem Sportplatz des SV Körne so. Die Darstellungen darüber gehen auseinander. Mario Sopar, der Trainer der „Zweiten“ von Körne sagt, er habe nach dem Spiel mit dem Schiedsrichter kurz über die Rote Karte gesprochen: „Ich sagte nur: Ja, ist nicht zu ändern. Daraufhin sagte der Schiedsrichter zu mir ‚Man könnte das ja noch regeln.‘ Ich hab dazu nur gesagt: ‚Wenn Sie meinen…‘“

Wahrnehmung verschwimmt

Danach sei Sopar zur Kabine der Fortuna gegangen und habe die Offiziellen darauf hingewiesen, dass der Schiedsrichter bezüglich der Roten Karte noch etwas zu klären habe. Hier beginnt die Wahrnehmung ein klein wenig zu verschwimmen, denn Torhüter Tebaay sagt, Sopar sei nach dem Spiel auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt, dass die Rote Karte gelöscht werde. Kurz danach sei dann auch der Schiedsrichter zu ihm gekommen und habe das bestätigt. Wie es jetzt genau war, ist nicht mehr zu rekapitulieren. Es ist für den Fortlauf der Geschichte aber auch nicht mehr relevant.

Denn den entscheidenden Fehler macht Schiedsrichter Ibrahim Quariouh, indem er die Rote Karte erst ins System einträgt, sie danach wieder löscht und dann vergisst, sie in einem gesonderten Spielbericht zu erwähnen. Solche Änderungen werden intern gespeichert – wodurch der Verband davon Wind bekommt und eine Spruchkammersitzung ansetzt. Das Ziel: Herausfinden, was genau passiert ist.

Eine Kamera läuft mit

„Der Schiedsrichter hat auf Nachfrage angegeben, dass es für ihn doch keine Rote Karte gewesen sei“, sagt Daniel Uffelmann vom Vorstand des SV Körne 83, der bei der Spruchkammersitzung dabei war. Dieser Redaktion gegenüber hat Quariouh das bestätigt: „Ich habe es selbst so entschieden, weil ich dachte: Warum soll der Junge für zwei Spiele gesperrt werden, weil ich eine falsche Entscheidung getroffen habe?“

Das Problem: Es lief eine Kamera mit. Und die zeigte das verhältnismäßig harte Foul ganz eindeutig. Und weil die Spruchklammer die Bilder als Beweismittel zulässt, ist für sie klar: Das Löschen der Roten Karte war falsch. Quariouh selbst wird gar nicht mehr angehört, er steht im Stau und erscheint erst zur für ihn verheerenden Urteilsverkündung. Die Spruchkammer sendet nach dem Verfahren nämlich eine Empfehlung an den Dortmunder Kreisschiedsrichter-Ausschuss mit dem Inhalt: Streicht ihn von eurer Liste. Was soviel heißt wie: Der darf nie wieder ein Spiel pfeifen, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hat.

Ob es tatsächlich dazu kommt, das muss der Ausschuss unter dem Vorsitz von Markus Schanz erst noch entscheiden. Einer, der sich mit der Materie auskennt, ist sich aber sicher, dass der Ausschuss der Empfehlung der Spruchkammer folgen wird. Für Quariouh wäre das ein hartes Urteil: „Ich habe einen Fehler gemacht, das war ja keine Willkür. Ich habe aus meiner Moral heraus entschieden, dass es nicht fair gegenüber dem Spieler gewesen wäre, die Rote Karte einzutragen. Ich hoffe, dass der Ausschuss in meinem Sinne entscheidet.“

Beide Vereine bestraft

Doch die Spruchkammer hat noch mehr zu beanstanden, denn seit der Einführung des elektronischen Spielberichts ist es die Pflicht der Vereine, für seine korrekte Erstellung zu sorgen. Aus diesem Grund erhielten auch die beiden Vereine SV Körne 83 und BSV Fortuna Ordnungsgelder in Höhe von 200 Euro aufgebrummt: „Für mich ist das unverständlich“, sagt der Vorsitzende der Körner, Eddy Hoffmann, „der Schiedsrichter macht etwas falsch und die Vereine müssen zahlen? Ich hätte das so nicht akzeptiert, wenn ich dabei gewesen wäre. Meines Erachtens ist die Spruchkammer eine Gelddruckmaschine für den Verband.“

Körnes Abgesandter Daniel Uffelmann sagt: „Es konnte nicht festgestellt werden, wer schuld am fehlerhaften Eintragen im Spielbericht hatte. Und weil die Klubs den Schiedsrichter nicht daran gehindert haben, wurden beide bestraft.“ Heißt: Ob die Idee vom Schiedsrichter kam oder von einem der beiden Vereine, konnte nicht geklärt werden. Deshalb werden alle zur Rechenschaft gezogen.

Und der Torhüter

Auch Lennart Tebaay, der seit der ominösen Roten Karte nicht mehr für BSV Fortuna auf dem Platz stand: „Als die Spruchkammer-Sitzung anberaumt wurde, haben wir gefragt, ob ich spielen darf. Das haben die verneint.“ Also musste Tebaay vier Wochen warten – und bekam bei der Spruckkammer noch einmal zwei Wochen oben drauf, weil das Foul nicht als Notbremse anzusehen war, sondern als rohes Spiel: „Marco Reus bekommt für sein böses Foul drei Wochen, ich bin sechs raus“, sagt Tebaay.

So ist das manchmal. In der Kreisliga.

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