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Zwayers Weckruf

Das Spiel Dortmund gegen Bayern sorgte für große Aufregung im Dezember rund um den eingeteilten Schiedsrichter Felix Zwayer. Dieser bekam nach dem Spiel Morddrohungen gegen sich und seine Familie und nimmt sich seitdem eine Pause. Für Autor Simon Schmidt ist es Zeit, ein persönliches Fazit zu den Ereignisse seitdem zu ziehen.

Ein Kommentar von Simon Schmidt

Ich kann mich noch gut an die Ereignisse in der Woche vor dem Spiel Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München erinnern. Die Bild-Zeitung hatte schon relativ früh unter der Woche die Ansetzung Felix Zwayers veröffentlicht. Normalerweise sind die erst am Vormittag des Spieltags auf der Website des DFBs zu finden. Und es wurde direkt darüber diskutiert. Ich dachte mir, was läuft denn da gerade ab? Die ersten Kommentare waren schon zu lesen, von wegen „Wie kann man Zwayer so ein Spiel geben?“. Begründet wurde diese Meinung meistens mit vermeintlich schlechten Spielleitungen in der Vergangenheit oder der Verwicklung Zwayers in den Wettskandal vom ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer von vor über 15 Jahren. Als die Kommentare in den oftmals leider asozialen Netzwerken immer weiter zunahmen bis zum Wochenende, dachte ich mir am Samstag schon: Hoffentlich wird das heute Abend eine ruhige Spielleitung für Schiedsrichter Zwayer. Wurde es nicht.

Die Szenen aus dem Spiel wurden schon sehr oft diskutiert. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es keine wirklich gute und ausgeglichene Spielleitung war, die entscheidenden Szenen aber richtig bewertet wurden (Abseits vor dem vermeintlichen Elfmeter für Dortmund und korrekter Handelfmeter für die Bayern nach VAR-Eingriff). In jedem Fall überschreiteten die Ereignisse nach dem Spiel jede noch zu tolerierende Grenze. Zwayer war vor dem Spiel bereits öffentlich ein Thema, nach dem Spiel gab es nur noch das eine in den Medien. Daran hatten die Dortmunder durchaus ihren Anteil. Trainer Rose konnte sich während dem Spiel nicht zusammenreißen und wurde mit Gelb/Rot auf die Tribüne geschickt. Star-Stürmer Erling Haaland äußerte sich nach dem Spiel auf Twitter mit einem Daumen runter zu Zwayers Leistung und griff ihn in Interviews scharf an. Auf die Spitze trieb es der junge Dortmunder Spieler Jude Bellingham, als er Zwayer durch eine unsägliche Aussage die Integrität absprach, so ein Spiel neutral leiten zu können.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Verhalten einen Einfluss auf die weiteren Ereignisse hatte. Dennoch möchte ich auch klar betonen, dass die Dortmunder sicher nicht für Morddrohungen gegen Zwayers Familie oder Hasskommentare im Netz verantwortlich sind. Das sind jeweils hauptsächlich die Täter. Und irgendwo ist es mittlerweile wirklich ein gesellschaftliches Problem, dass die Umgangsform vor allem in den eigentlich sozialen Netzwerken unterirdisch ist. Ein absoluter Großteil dieser Kommentarschreiber hätte es Felix Zwayer so nicht ins Gesicht gesagt. Das würde es natürlich nicht besser machen, im Gegenteil. Aber es zeigt meiner Meinung nach eines der größten Probleme unserer Zeit in der Kommunikation. Über Sachen wie Morddrohungen gegen die Familie Zwayers möchte ich gar nicht mehr mehr Worte verlieren. Das sind Straftaten, die hoffentlich ernst zu nehmende Strafen für die Täter nach sich ziehen.

Wie geht man mit der Sache jetzt am besten um? Ich finde jeder Beteiligte sollte sich mal hinterfragen. Der DFB sollte sich mal wirklich überlegen, ob man seine Schiedsrichter genug schützt und ob man mit dem Verheimlichen der Zwayer-Verurteilung sich einen Gefallen getan hat. Hat man nicht. Auch die Schiedsrichter könnte der Verband meiner Meinung nach durch eine professioneller Kommunikation deutlich besser schützen. Bis von der Leitung der DFB-Elite-Schiedsrichter mal eine Stellungnahme kommt, ist der Shitstorm meistens nicht mehr aufzuhalten oder lässt sich auch nicht mehr begrenzen. Hier besteht großer Nachholbedarf. Ich hätte hier die konkrete Idee, einen ehemaligen oder gerade noch aktiven Schiedsrichter als Pressesprecher für die DFB-Schiedsrichter in der neuen Schiri GmbH anzustellen. Patrick Ittrich wäre zum Beispiel (nach seiner Karriere als aktiver Schiedsrichter) eine super Besetzung. Dazu bräuchte es Experten im Bereich Krisenkommunikation und Social Media.

Beim Urteil von Zwayer bleiben bis heute Fragen, die der DFB endlich beantworten müsste. Wieso wurde Zwayer damals verurteilt, wenn doch Aussage gegen Aussage steht, rund um die entscheidende Tatsache, ob er die 300€ annahm. Wieso galt für Zwayer dann damals nicht die Unschuldsvermutung? Wieso sind Verfahrensabläufe so, dass Zwayer das womöglich falsche Urteil nahezu annehmen musste, um überhaupt wieder pfeifen zu dürfen nach fast 18 Monaten Pause. Der damals Vorsitzende Richter des Sportgerichts Koch sollte diese Fragen unbedingt offen beantworten. Durch die immer noch schlechte Transparenz in solchen Sachen hat auch der Verband einen Anteil daran, dass Zwayers Akzeptanz rund um diese Spielleitung so hart gelitten hat.

Felix Zwayer hinterfragt nicht nur sich, sondern auch allgemein seine Zukunft als Schiedsrichter gerade sehr kritisch und lässt sich dafür Zeit. Das ist sicherlich ein sinnvoller Umgang und ich finde es sehr gut, dass der BVB jetzt doch zur Vernunft gefunden hat und für ein Gespräch mit dem Berliner FIFA-Schiedsrichter offen ist. Ein persönliches Gespräch kann in solchen Situation die beste Lösung sein.

Und wir, die Öffentlichkeit? Sollte uns vielleicht einfach mal in die beteiligten Personen versetzen. Was macht es mit einem Menschen Felix Zwayer und seiner Familie, wenn ich meine Wut über Facebook und Co. nach dem Spiel rauslasse? Ich finde diese rhetorische Frage hat Zwayer in „Meine Geschichte“ gut beantwortet.

Fazit: Die Ereignisse nach dem Spiel Dortmund gegen Bayern im Dezember waren nicht mehr tolerierbar und hatten oftmals nichts mehr mit einer sachlichen Kritik an Zwayers Spielleitung zu tun. Alle Beteiligten sollten sich hinterfragen und besonders der DFB endlich die offenen Fragen aus dem Hoyzer-Skandal beantworten. Besonders zum Schutz Zwayers. Felix Zwayer wünsche ich persönlich, dass seine Pause und die Gespräche mit den Dortmundern ihm wieder Lust aufs Pfeifen machen. Nur so wird er durch die Tür zurück auf den Sportplatz gehen.


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Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Holger Roth

    Sehr geehrter Herr Schmidt,
    ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass der Shitstorm und der ganze Hass und Drohungen die Herrn Zwayer und insbesondere auch seiner Familie infolge dieses Spiels entgegenschlugen, unannehmbar sind.
    Aus Respekt hiervor möchte ich die Aussagen von Herrn Zwayer auch nicht kommentieren.

    Ein Punkt, der mich auch in Ihrem Kommentar stört, möchte ich an dieser Stelle jedoch aufgreifen.

    Sie und Herr Zwayer sind beide Schiedsrichter. Sie möchten, dass die Spieler Ihnen Respekt entgegenbringen und ihre Entscheidungen akzeptieren.
    Ihre Aufgabe ist der eines Richters in gewisser Weise nicht unähnlich.
    Sie und Herr Zwayer zweifeln umgekehrt die Kompetenz und das Urteilsvermögen der Richter, die in den entsprechenden Fällen für Recht gesprochen haben, jedoch selber an.
    Herr Zwayer sieht das Urteil gegen Bellingham für zu milde an „40.000€ helfen keinem und tuen keinem weh.“, Warum wird sowas nicht einfach hingenommen, wie es umgekehrt als Schiedsrichter von einem Spieler erwartet wird, zumal es Herrn Zwayer auch nicht selbst betrifft.. Wie gesagt, aus oben genannten Gründen möchte ich auch hierauf nicht weiter eingehen.

    Das zweite ist das Urteil im Manipulationsskandal. In dem Urteil sieht der Richter die Gelübergabe als erwiesen an.
    Ihrer Darstellung nach wurde, das Urteil auf der Basis Aussage gegen Aussage und ohne Berücksichtigung des Grundsatzes im Zweifel für den Angeklagten getroffen.
    Ein Richter hat noch etwas höhere Maßstäbe an sein Urteil anzulegen als ein Schiedsrichter an einen Pfiff.
    Dass hinsichtlich der Geldübergabe Aussage gegen Aussage steht, ist doch allein der Vortrag von Herrn Zwayer. Auch muss Herr Zwayer nicht, wie er sagt, beweisen, dass er kein Geld genommen hat (In dubio pro reo). Es sei denn, ich unterstelle dem Richter schon eine gehörige Inkompetenz.

    Könnte es nicht sein, dass die Entscheidungsgründe nicht allein auf einer einzigen Aussage beruhen und die Kenntnisse des Richters in der damaligen Sache dann doch etwas umfangreicher waren?
    Insofern wäre meiner Meinung nach zunächst mal davon auszughen, dass die Richter in den entsprechenden Fällen ihren Job mit entsprechender Sorgfältigkeit und Urteilsvermögen gemacht haben und gegenüber den Richtern wäre der gleiche Respekt angebaracht, den man für sich selbst haben möchte.

    Nur meine Meinug,
    der Couchschiedsrichter

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