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Schiedsrichter bei der EM: Eine gute Bilanz

Ich kann den Schiedsrichtern grundsätzlich ein gutes Zeugnis ausstellen. Dennoch blieben nach dem ersten Spieltag drei ärgerliche Fehlentscheidungen hängen. Mein EM-Zwischenfazit zu drei Fehlentscheidungen und technische Unterstützung.

Die internationalen Schiedsrichter kamen gut in die Fußball-Europameisterschaft und zeigten weitestgehend gute Leistungen. Allerdings gab es auch vereinzelt Partien die durch kritische Entscheidungen beeinflusst wurden. Ich sage, wir haben bis auf eine Situationen durchweg nur gute Entscheidungen gesehen. Das ist ein guter Start in die EM. Allerdings hat es auch in drei Spielen des ersten Spieltags nicht so gut funktioniert wie erhofft und es gab kritische Szenen, wo die Schiedsrichter im Mittelpunkt standen.

Vorab möchte ich aber auch noch den deutschen Schiedsrichter Felix Zwayer bei seinem EM-Debüt loben! Die Partie Italien gegen Albanien hatte er gut im Griff und sehr souverän geleitet. Folglich wurde er mit einem zweiten Gruppenspiel am Samstag belohnt. Als großen Finalkanditaten sehe ich Daniele Orsato ganz weit vorn.

So ist über eine kritische Szene beim Spiel Belgien gegen die Slowakei zu sprechen. Es geht dabei um die 86. Minute. Beim Stand von 1:0 kam Lois Openda gefährlich über die linke Seite vor das Tor. Den Zweikampf gegen Denis Vavro gewann der belgische Leipziger. Allerdings ist ihm der Ball an die linke ausgestreckte Hand gesprungen. In der Folge legte er den Ball in den Rückraum, wo Romelu Lukaku zum vermeintlichen 1:1 traf. Doch dann meldete sich der deutsche Video-Schiedsrichter Bastian Dankert und hat den türkischen Referee Halil Umut Meler in die Review Area gebeten. Dort sah er sich die Situation am Monitor an und hat den Lukaku-Treffer die Anerkennung verweigert. Hierbei sagt die Regel: Wenn ein Spieler kurz vor der Torerzielung mit der Hand am Ball ist, dann ist das ein Handspiel. Ob bewusst oder unbewusst, spielt dabei keine Rolle. Weiter ist es eine unnatürliche Armhaltung, weil der Arm vom Körper nach oben abgestreckt ist. Die Zurücknahme des Tors war demnach korrekt.

Hier gab es zudem die Premiere der „Connected Ball Technology“. Das heisst, dass ein Chip im Ball Impulse misst, wenn die Hand am Ball war. Dabei wurden dem türkischen Schiedsrichter deutlich die ausgeschlagenen Impulswellen gezeigt, sodass er sehen konnte, dass die Hand am Ball war. Ich finde, alles was dem Schiedsrichter hilft, eine richtige Entscheidung zu treffen, ist eine gute Entscheidung.

Eine weitere kritische Situation gab es am Montagabend bei der Partie Österreich gegen Frankreich. In der 36. Minute. Christoph Baumgartner ist mit seinem Abschluss am Fuß von Frankreichs Keeper Mike Maignan gescheitert. Von dessen flog die Kugel eindeutig sichtbar ins Aus, ohne dass der Österreicher den Ball nochmal berührte. Der spanische Schiedsrichter Jesus Gil Manzano entschied zur Verwunderung aller auf Abstoß. In der Folge fiel der entscheidende Treffer im direkten Anschluss durch ein Eigentor von urch ein Eigentor von Maximilian Wöber. Das war eine heftige Fehlentscheidung und ein folgenschwerer Fehler des gesamten bisherigen Turniers. Ich denke aber, der Schiedsrichter trägt hier die Schuld nicht alleine. Eckbälle sind grundsätzlich Aufgabe des Assistenten, die Schiedsrichter nehmen dessen Entscheidungen meist bedenkenlos hin. Das der dieser einfach falsch wahrgenommen.

Zum Abschluss des ersten Spieltages gab es zudem beim Spiel Portugal gegen Tschechien eine weitere diskutable Szene. Der Tscheche David Douděra ging zu Boden und hat sich das Gesicht gehalten. Deutlich in der Wiederholung zu erkennen war, dass der Portugiese Nélson Semedo dem Tschechen einen heftigen Bodycheck gegeben hatte. Das ist ein Foulspiel. Allerdings sind Foulspiele immer im Ermessen des Schiedsrichter zu bewerten. Technologien wie die halbautomatische Abseitserkennung oder der Chip im Ball sind gut um faktische Entscheidung (Abseits, Ball im Aus oder im Tor oder auch neuerdings, ob der Ball die Hand berührt). Foulspiele sind auch teilweise im Ermessens des Schiedsrichters je nach Linie oder der Schiedsrichter hat die Szene, wie hier vorliegend nicht gesehen, weil zwei Tschechen ihm in die Linse gelaufen sind. Da der Ballbesitz wechselte, der Ball ins Aus ging und das Spiel mit Abstoß fortgesetzt wurde konnte ihm der Video-Assistent mittels keine Technik nicht helfen. Dennoch muss man hier schon von einer ärgerlichen Fehlentscheidung sprechen, die auch hier in der Folge tragisch wurde.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Spiel wurde mit einem Abstoß für Portugal fortgesetzt. Tschechien hatte also eigentlich noch ausreichend Zeit, sich auf den Angriff vorzubereiten und ihn zu verteidigen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. CA

    Hallo Herr Kuhn,

    Ihre Analyse finde ich richtig gut, jedoch bin ich bei der Bewertung von Felix Zwayer anderer Meinung. Das Tor zum 2:1 für Italien hätte nicht zählen dürfen, da vorher im Strafraum ein Foulspiel am albanischen Verteidiger vorlag. Auch im Zweikampf zwischen Nr. 5 (Italien) und Nr. 11 (Albanien) wurden die Regeln klar umgangen, sowohl von VA Dankert als auch von Schiedsrichter Zwayer.

    Die Gelbe Karte für das Halten durch Nr. 5 war zwar korrekt. Noch problematischer war die total verspätete nachträgliche Verwarnung von Nr. 11 (Albanien) für den „Befreiungsschlag“ während er gehalten wurde. Hier hätte der VA den Schiedsrichter zum Check rufen müssen, damit dieser die Situation selbst im Video überprüft. Aber er darf nicht den Schiedsrichter auffordern, auch eine Gelbe Karte für Nr. 11 zu zeigen. Meiner Meinung nach hätte dieser Schlag nur mit Rot bestraft werden müssen.

    Der Ablauf widersprach eindeutig den Vorgaben der FIFA, die besagen, dass klare und offensichtliche Fehler oder übersehene schwerwiegende Vorfälle durch den VA überprüft werden und nur der Schiedsrichter nach einem Videocheck selbst eine persönliche Strafe aussprechen bzw. korrigieren darf.

  2. Jansky

    Zur 1. Situation:
    Die Erzielung des Tores folgt nicht unmittelbar nach dem Handspiel. Von daher Spielt diese Regel hier keine Rolle.
    Was unstrittig ist, ist, dass Openda den Ball mit der Hand berührt. Der Ball verändert nur minimal seine Bewegungsrichtung. Die Frage ist für mich, inwiefern Opendas Handbewegung unnatürlich war oder ob man ihm Absicht unterstellen kann.

    Unnatürliche Handhaltung:
    Openda befindet sich in einem Zweikampf mit Vavro im Sprint. Beide benutzen natürlich auch ihre Arme und setzen ihre Körper ein. Beide haben den Ball, der von hinten kommt im Blick.
    Das Zusammenspiel vom über die Schulter Gucken und der leichten Rückenlage, in die Openda durch Vavro gebracht wurde, führt meiner Meinung nach dazu, dass Openda seinen Arm relativ weit oben und vorne hat, um seine Balance zu halten. Dabei ist sein Arm sogar nichtmal ausgestreckt und nur auf Brusthöhe.
    Für mich ist die Bewegung das Resultat des Zweikampfes im Sprint und nicht unnatürlich.

    Absicht:
    Leider gibt es unterschiedliche Clips mit verschiedenen Perspektiven, Wiedergabegeschwindigkeiten und Videosequenzlängen aus denen verschiedene Eindrücke entstehen.
    Der VAR hat Meler auf dem Feld extrem kurze und sehr doll verlangsamte Videosequenzen aus zwei Perspektiven gezeigt, wobei die zweite nur sehr kurz gezeigt wurde.
    Hier entsteht aufgrund von der Kopfdrehung und der extremen Verlangsamung der Eindruck, dass Openda wohlmöglich den Ball Absichtlich spielte. Aufgrund der Kürze der Sequenz ist die Wirkung des vorherigen Zweikampfes, woraus die Armhaltung von Openda resultiert, nicht ersichtlich. Die extrem reduzierte Wiedergabegeschwindigkeit verstärkt die Illusion, dass Openda auf den von ihm zuvor falsch eingeschätzten Ball mit dieser Handbewegung reagiert und er somit absichtlich den Ball spielen wollte.
    Im der Live Übertragung wurden längere und etwas verlangsamte Videosequenzen gezeigt. Dort sieht man die Wirkung des Zweikampfes. Zudem sieht man besser, dass Openda aufgrund der Schnelligkeit der Situation gar nicht schnell genug auf den zuvor falsch eingeschätzten Ball reagieren kann. Eher berührt der Ball die Hand, gerade weil Openda die Hand nicht schnell genug wegziehen kann. Außerdem sieht man, dass seine Hand bei der Berührung nicht auf Spannung ist, wie das bei einer Absichtlichen Berührung der Fall wäre.
    Meiner Meinung nach kann man Openda keine Absicht unterstellen.
    Leider hat der VAR nur Bilder gezeigt, die für die Rücknahme des Tores sprechen. Für mich entsteht mal wieder der Eindruck, dass diese Situation nicht vom Schiedsrichter auf dem Feld entscheiden wurde, sondern der VAR beim Check sich aufgrund von selektiven Bildern eine Meinung gebildet hat, diese dem Schiedsrichter mitgeteilt hat und dann auch nur diese selektierten Videosequenzen zeigt. Ich fände es besser, wenn der VAR mehr Zeit, mehr Perspektiven und allgemein mehr Eindrücke bekommen würde. Um dich ein gutes Bild der Situation machen zu können brauche ich mehr als zwei extrem verlangsamte Videosequenzen. Dazu brauche ich mehrere Perspektiven, einmal in normaler Geschwindigkeit und danach erst verlangsamt.
    Zum Check wird der Schiedsrichter gerufen, wenn aufgrund von einigen Sequenzen der VAR den Eindruck hat, dass der Schiedsrichter eine Fehlentscheidung getroffen hat. Dabei gibt es oft Perspektiven, bei denen der eine Eindruck entsteht und dann andere Perspektiven, die einen ganz anderen Eindruck hinterlassen. Ich würde mir wünschen dass der VAR beim Check nicht nur sagt „Hey guck mal, hier sieht es sehr danach aus als ob du falsch lagst“, sondern auch „Hier sieht es tatsächlich nicht ganz so falsch aus“.
    Und dann würde ich mir auch wünschen, dass die Schiedsrichter öfters mal bei ihrer Entscheidung bleiben. Ich habe teilweise das Gefühl, dass 50/50 Situationen zu 90% unentschieden werden, wenn der VAR eingreift. Das liegt einerseits daran, dass der VAR nur eingreifen soll, wenn seiner Meinung nach eine klare Fehlentscheidung vorliegt, und er dann selektiv diese Bilder nur zeigt, und andererseits am Schiedsrichter, der in dieser Drucksituation sehr im Einfluss des VAR steht und sich wahrscheinlich denkt: „Wenn ich schon zum Check geholt werde, wird es auch falsch gewesen sein. Sonst hätte der VAR ja falsch gehandelt.“

    Situation 2
    Ja, es hätte eine Ecke geben müssen. Auch wenn der Ball auf der entlegenen Seite des SRA ins Toraus geht, hätte er es sehen können. Manzano lief leider nicht nach außen, sondern in die Mitte, wo Rabiot ihm im Sichtfeld stand.
    Trotzdem trögt der Schiedsrichter keine Schuld am Tor der Franzosen. Es ist unglücklich, dass Frankreich aufgrund der Fehlentscheidung in den Ballbesitz gekommen ist und in dem Angriff das Tor erzählte, aber zwischen dem Abstoß und dem Tor liegen unzählige Fehler der Österreicher, die zwischendurch sogar in den Ballbesitz kamen. Völlig unabhängig von der Fehlentscheidung haben die Österreicher mehrere Fehler gemacht, die die Franzosen bestraften.

    Situation 3
    Keine Frage, klares Foul. Der Schiedsrichter war leider für mich zu weit weg. So haben ihn drei Spieler die Sicht auf das Foulspiel verdeckt, was sowieso schon schlecht zu sehen ist, weil es nicht am ballführenden Spieler ist.
    Genau wie du gesagt hast. Wieder ist es unglücklich, dass Portugal durch diese Fehlentscheidung in Ballbesitz gelangt ist. Mehr Nachteile hatte Tschechien aber nicht. Zu den Anforderungen im Profifußball gehört auch, nach Fehlentscheidungen in der Nachspielzeit konzentriert weiterzuspielen. Auch Tschechien hat letztlich durch die Fehlerkette das Gegentor selber zu verschulden.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass 15 Sekunden nach einem Abstoß dieselbe Mannschaft ein Tor erzieht ist sehr gering. Dass das Portugal gelungen ist hat nichts mehr mit dem Schiedsrichter zu tun.

    1. G. Fuchs

      Zur Situation 3: Das der SR das Foul nicht gesehen hat, weil hier ggf. viele Spieler ihm die Sicht versperrt haben, passiert. Aber was ist mit dem SRA auf der gleichen Seite – darf er nicht eingreifen? Im Sichtfeld stand ihm jedenfalls, wenn ich nicht recht erinnere und mir das Bild oben anschauen, kein Spieler.

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