(red/ss) In der 5. Ausgabe der Schiedsrichter Zeitung im Jahr 2020 wird im Analyse Teil vor allem Wert auf das Thema Handspiel gelegt. Im Bericht von Alex Feuerherdt und Rainer Werthmann werden 9 Szenen aus der 1. Bundesliga vom 27. bis zum 33. Spieltag analysiert unter anderem auch das umstrittene Handspiel von Boateng in der Partie Dortmund gegen Bayern.
VfL Wolfsburg – SC Freiburg 2:2 (SR: Bastian Dankert)
Aus der Bundesligapartie am 31. Spieltag werden gleich zwei Szenen in der Zeitung analysiert: Zum einen das Handspiel von Daniel Ginczek bei der Torerzielung in der 28. Minute und eine Abseitsstellung vom Wolfsburger Stürmer bzw. ein Strafstoß in der 24. Minute.
Kommen wir zur ersten Szene, die mit Videobeweis eindeutig ist. Nachdem Eckball köpft Daniel Ginczek sich den Ball an den eignen Arm von diesem geht der Ball ins Freiburger Tor. Hier liegt ein Offensivhandspiel vor, was laut Regel in allen Fällen strafbar ist. Korrekterweise wurde das Tor nach VAR-Eingriff nicht gegeben.
Die zweite Szene ist etwas komplizierter, da hier mehrere Aspekte zusammenkommen. Weghorst köpfte den Ball zunächst an die Latte des gegnerischen Tores. Zum Zeitpunkt des Abspiels befand sich Ginczek in einer passiven Abseitsstellung. Der Freiburger Höfler wollte den Ball in der Luft mit Fuß erreichen, traf aber nur Weghorst. Nachdem der Ball von der Latte abgeprallt war, wurde Ginczek aus seiner Abseitsstellung heraus aktiv und machte das Tor für den VfL. Hier gab SR Dankert den Treffer zunächst. Doch nachdem Eingriff des VAR war klar, der Treffer darf nicht zählen aufgrund der Abseitsstellung des Wolfsburger Stürmers. Bei der korrekten Spielfortsetzung wird es schon etwas komplizierter. Höfler traf Weghorst am Kopf, was einen Strafstoß und eine Verwarnung nach sich ziehen müsste. Aber was war mit der Abseitsstellung von Ginczek? Der wurde noch nicht aktiv zu diesem Zeitpunkt, sodass Dankert nach dem Gang zum Bildschirm korrekterweise auf Strafstoß + Gelb für Höfler entschied.
1. FC Köln – Eintracht Frankfurt 1:1 (SR: Christian Dingert)
Ein weiteres, kniffliges Offensivhandspiel ereignete sich am 33. Spieltag als der Frankfurter Ilsanker den Ball an den Arm geschossen kriegt und anschließend auf das Tor abschließt. Der Ball landete durch einen Kölner bei seinem Mitspieler Hinteregger, der einschoss. Schiedsrichter Christian Dingert erkannte das Offensivhandspiel sofort und entschied auf direkten Freistoß für den 1. FC Köln, die richtige Entscheidung! Den hier besteht laut der DFB-Schiedsrichter-Kommission ein klarer Zusammenhang zwischen dem Handspiel und der Torerzielung. Dieser lässt sich vor allem an der dazwischenliegenden Zeit, der geringen Distanz zum Tor und dem direktem Bezug zwischen dem Torschützen und Spieler mit dem Handspiel erkennen. Diese Kriterien waren hier alle erfüllt.
Fortuna Düsseldorf – Borussia Dortmund 0:1 (SR: Sascha Stegemann)
Die Szene am 31. Spieltag wurde schon allseits heiß diskutiert. Raphael Guerreiro bekam den Ball vom eigenen Mitspieler an den Oberarm geschossen, danach verwertete der Portugiese selbst. Trotz der öffentlichen Diskussionen war hier die Regel eindeutig, es gab nur eine richtige Entscheidung: kein Tor und direkter Freistoß für Düsseldorf. Ab der kommenden Saison würde der Treffer aber zählen, da nur noch Handspiele unterhalb der Achsel („T-Shirt-Line“) strafbar sind.
TSG 1899 Hoffenheim – RB Leipzig 0:2 (SR: Tobias Welz)
Eine weitere diskutable Szene am 31. Spieltag ereignete sich in der Partie Hoffenheim gegen Leipzig als Schiedsrichter Tobias Welz zunächst nach einem klaren Foul von RB-Keeper Gulacsi auf Strafstoß entschiedenen hatte, sich dann aber aufgrund eines Offensivhandspiels zuvor der VAR meldete und aus dem Elfmeter einen direkten Freistoß für Leipzig machte. Auch hier war der Eingriff und die finale Entscheidung korrekt durch das Offensivhandspiel wurde eine Torchance eingeleitet, sodass es zwingend strafbar ist.
Borussia Mönchengladbach – VfL Wolfsburg 3:0 (SR: Tobias Welz)
Zum direkten Vergleich wählten die Autoren eine Szene am 32. Spieltag aus, in der zwar ein Offensivhandspiel vorlag, aber kein direkter Bezug zur Torchance. 22 Meter vor dem eigenen Tor springt dem Gladbacher Neuhaus der Ball an den Arm, der darauffolgende Konter brachte das 1:0. Der Treffer zählte, dar zwischen dem Tor 70 Meter und 15 Sekunden Unterschied lagen und das Handspiel allgemein auch nicht strafbar war.
Borussia Dortmund – FC Bayern München 0:1 (SR: Tobias Stieler)
Diese Spielsituation sollte vielen noch gut vor Augen sein. Der Dortmunder Stürmer Haaland kommt im Bayern Strafraum frei zum Abschluss, Boateng wirft sich in den Ball und bekommt den Ball mit der Drehbewegung an den leicht ausgefahrenen Ellenbogen, sodass der Schuss knapp am Tor vorbeigeht. Laut der DFB-Schiedsrichter-Kommission wäre hier der Strafstoß die bessere Entscheidung gewesen, wenn es auch sicher keine klare Fehlentscheidung war und damit kein Eingriff des VAR möglich gewesen ist. Stieler hat die Szene wohl gesehen, sonst hätte er nicht auf Eckball entschieden. In Realgeschwindigkeit forderte auch auf dem Platz keiner einen Strafstoß.
SC Paderborn 07 – Borussia Dortmund 1:6 (SR: Daniel Siebert)
Am Spieltag darauf (29.) gab Daniel Siebert Strafstoß nachdem Emre Can sich in einen Paderborner Schuss warf und den Arm eng am Körper hielt. Der Ball prallte vom Arm ab. Hier liegt keine unnatürliche Bewegung vor und auch die Körperfläche wird nicht wirklich vergrößert, sodass dieser Pfiff von Siebert als falsch bewertet wird.
Borussia Mönchengladbach – Bayer 04 Leverkusen 1:3 (SR: Sören Storks)
Zuletzt bezieht man klar Stellung zu einer Situation am 27. Spieltag, als Bellarabi im Gladbacher Strafraum zum Abschluss kommt und danach, als sich der Ball aber noch auf dem Spielfeld und damit im Spiel befand, von Elvedi deutlich am Fuß getroffen wurde. Schiedsrichter Sören Storks gab Strafstoß für Baer 04 Leverkusen. Diese Entscheidung war regeltechnisch absolut korrekt und die lauten Proteste der Gladbacher unberechtigt.
Fazit: Mit der Analyse weißen die Autoren noch einmal deutlich auf klar geltende Regeln hin wie das Handspiel unmittelbar vor der Torerzielung bzw. Torchance oder die Tatsache, dass bei einem Foul auf dem Platz, solange der Ball im Spiel ist, auch eine entsprechende Spielstrafe zu folgen hat. Trotz der eigentlich eindeutigen Regelsituation gab es bei vielen solcher Szene heftige Proteste.