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Schiedsrichter im Mittelpunkt: Auswertung strittiger Szenen | Europa League

Der letzte Spieltag der Gruppenphase in der Europa League könnte als Lehrbrief in Sachen Platzverweis dienen. Um einen Spieler des Feldes zu verweisen, muss ein Schiedsrichter auf regeltechnische Parameter zurückgreifen. Allerdings bleibt ein gewisser Raum für die Linie des Unparteiischen, welcher dabei aber unbedingt berechenbar bleiben muss.

SSC Neapel – Real Sociedad (SR: Orel Grinfeld)

Igor Zubeldia setzte gegen den durchstartenden Hirving Lozano zum Risikotackling. Dieser ging zu Boden, aber Schiedsrichter Orel Grinfeld gab nur Eckball. Wenn der Ball in solchen Situationen, in denen der Verteidiger ins Risiko gehen muss, spielbar ist, dann soll so eine Grätsche auch möglich sein. Wenn dann auch noch, wie in dieser Situation, der Ball gespielt wird, dann können wir diesen Zweikampf als fair beurteilen. Neapel’s Dries Mertens sah das etwas anders und erhielt die gelbe Karte wegen Meckern. [TV-Bilder]

Mertens war beim folgenden Eckball gleich wieder im Blickpunkt. Er wurde von Joseba Zaldua verfolgt und schüttelte diesen mit seinem ausgefahrenen Ellenbogen ab. Werkzeug oder Waffe? Wir können hier wohl immer noch von einem Werkzeug ausgehen, da Mertens einfach seinen Gegenspieler loswerden wollte. Dennoch müsste ein Ellenbogeneinsatz als Werkzeug eine gelbe Karte nach sich ziehen, was gelb-rot für Mertens bedeutet hätte. Allerdings war dieser Vorgang bei so vielen Spielern im Strafraum ganz schwer zu sehen. [TV-Bilder]

Tiemouyé Bakayoko chippte den Ball in den Lauf von Lozano, der eine klare Torchance innehatte und zu Boden ging, nachdem ihm Robin Le Normand in die Hacken trat. Grinfeld zeigte die gelbe Karte und wies darauf hin, dass der Ball auf dem Weg nach außen war. Dem war aber nicht so, Grinfeld überschätzte die Geschwindigkeit des Balles, der sich bereits kurz vor Lozano befand, wohl deutlich. Hier hätte es die Rote Karte geben müssen! [TV-Bilder]

HNK Rijeka – AZ Alkmaar (SR: Sergey Karasev)

Mit einem äußerst aufgeladenen Spiel hatte es der russische Schiedsrichter Sergey Karasev zu tun.

Luka Capan ging nach Kontakt mit Albert Gudmundsson abseits des Geschehens zu Boden und reklamierte einen Ellenbogenschlag. Capan lief allerdings nur auf Gudmundsson, der lediglich stabil blieb, auf. Richtig, hier nichts zu sanktionieren. [TV-Bilder]

Ein absoluter Grenzfall war ein Schubser von Luka Menalo. Nachdem er von Gudmundsson im Zweikampf bearbeitet wurde, schubste er diesen mit beiden Händen zu Boden. Die Entscheidung von Karasev, hier nur Gelb zu zeigen, ist mit viel Präsenz und Management des Unparteiischen zu unterstützen. Allerdings gab es in der Folge noch einige dieser Szenen, die Karasev nicht zu verhindern wusste. Konfrontationen können immer mal vorkommen, doch in diesem Spiel konnte man kein gutes Spielmanagement erkennen und es mangelte an Präsenz. [TV-Bilder]

Da es, wie erwähnt, so weiterging, war die gesteigerte Temperatur in diesem Spiel spürbar. Auch in dieser Situation war Karasev zu wenig präsent: Luka Capan bearbeitete den bereits am Boden liegenden Myran Biadou deutlich regelwidrig. Nach dem späten Foulpfiff entwickelte sich schnell eine Rudelbildung, die Karasev mit zwei gelben Karten ahndete. Die Nr. 8 Teun Koopmeiners wurde dabei nicht belangt, dafür aber die Nr 5 Owen Wijndal, der nicht wirklich aktiv war. Ob es sich beim am Boden liegenden Biadou um ein Nachtreten handelte, ist hier nicht wirklich zu erkennen. [TV-Bilder]

Die nächste Situation zeigt erneut eine undurchsichtige Linie in der Disziplinarkontrolle. Spieler des AZ Alkmaar wurden bereits zweifach hart getroffen, eher der Pfiff erfolgte. Frederik Mdtsjö lief dann aufgebracht zu Karasev und erhielt dafür die gelbe Karte. Klar korrekte Saktion, aber wo war die Sanktion für die Foulspiele? [TV-Bilder]

Jesper Karlsson ging mit angewinkeltem, hohen Beim zum Ball und traf Daniel Stefulj mit der Spitze am Bauch. Karasev zeigte hierfür die Rote Karte. Die Entscheidung war absolut vertretbar, mutete aber im Vergleich zur mehr als lockeren Linie hart an. Hier muss man Karasev fehlende Berechenbarkeit in der Kartenvergabe vorwerfen. [TV-Bilder ‚]

Young Boys Bern – CFR Cluj (SR: Benoit Bastien)

Richtig hitzig wurde es in der Schlussphase in Bern. Cluj-Keeper Cristian Balgradean flog in den Luftzweikampf, faustete den Ball weg und traf Sekundenbruchteile später Cedric Zesiger am Kopf, worauf Schiedsrichter Benoit Bastien Strafstoß gab. Eine sehr knifflige Entscheidung, die wohl vom Regelwerk gedeckt ist. Wird der Ball gespielt, ist natürlich auch nicht alles erlaubt. Aber sollte im Sport bei solchen Szenen ein Konsens bestehen, der nach dem Regelwerk möglich ist, so wird sich das Torwartspiel definitiv verändern. Zudem haben wir zu Beginn die DOGSO-Szene in Neapel besprochen und so möchten wir auch hier argumentieren: Muss ein Spieler zur Torverhinderung in den Zweikampf gehen und spielt dabei den Ball, so soll er dies auch tun dürfen. Kommt es danach zu einer für einen Kontaktsport typischen Kollision, sollte das Spiel weiterlaufen. Die Rote Karte erhielt der Keeper dann für seine heftigen Beschwerden gegenüber dem Schiedsrichter. [TV-Bilder]

Nicht das geringste hatte die folgende Szene mit dem Ball zu tun. Gerade noch den Elfmeter verwandelt, lief Bern’s Jean-Pierre Nsame mit Geschwindigkeit eine lange Strecke auf Andrei Burca zu um ihn dann vor den Augen des Assistenten umzutreten. Schiedsrichter Bastien zeigte auch hier die Rote Karte. Kontrovers diskutiert wurde die Szene aber wegen des eigentlichen Treffers des Berners, der mehr nach Verwarnung, als nach Platzverweis aussah. Dennoch ist die Rote Karte unserer Meinung nach eine richtige Entscheidung! Der Spieler hatte keine Chance, bzw. wollte den Ball gar nicht spielen und trat den Gegner dann mit einem schmerzhaften Treffer gegen das Knie um. [TV-Bilder]

Auch nach dem Platzverweis des Berners blieben die Spieler von Cluj außer sich. Nachdem Bastien nachvollziehbar auf Stürmerfoul entschied, belagerten ihn die Gästespieler erneut. Dabei tat sich Damjan Djokovic hervor, der den Referee laut schreiend mit grob unsportlichen Gesten anging. Völlig zu Recht zeigte Benoit Bastien hier die nächste Rote Karte, denn solch ein Benehmen hat auf dem Fußballplatz nichts zu suchen! [TV-Bilder]

Ludogorez Rasgrad – LASK Linz (SR: Vitaly Meshkov)

Einen weiteren der ‚soft-penalties‘, die keiner sehen will, gab der russische Schiedsrichter Vitaly Meshkov. Rene Renner ging nach Kontakt mit Alex Santana zu Boden, als er einen Nachschuss im Tor von Rasgrad unterbringen wollte. Allerdings ist hier nichts regelwidriges zu sehen. Am Ende könnte es gar ein Ausrutscher des Linzers gewesen sein. Meshkov zeigte trotzdem auf den Punkt und gab die Rote Karte gegen Santana, da im Zeitpunkt des Kontakts eine klare Torchance vorlag. [TV-Bilder]

Sparta Prag – AC Mailand (SR: Daniel Siebert)

Rafael Leao war mit Tempo auf dem Weg in die gegnerische Hälfte, als Dominik Plechaty von hinten anflog und ihn rüde zu Fall brachte. Der deutsche Schiedsrichter Daniel Siebert zeigte ihm dafür die Rote Karte. Für uns eine korrekte Entscheidung, da es auch hier die einzige Motivation war, den Gegner mit allen Mitteln zu Fall zu bringen und dazu auch ein harter Treffer folgte. [TV-Bilder]

Wenig später forderte Prag Handelfmeter, nachdem Jens-Petter Hauge auf den Ball fiel und diesen mit dem Arm berührte. Hier war aber auch nach der derzeitigen Auslegung keine Spur eines strafbaren Handspiels zu finden, weshalb Siebert völlig zu Recht weiterspielen ließ. Erschreckend auch, dass der Kommentator allen Ernstes von einem klaren Strafstoß spricht… [TV-Bilder]

Felix Stark

Felix Stark aus Ingolstadt studiert Jura. In seiner Freizeit ist er leidenschaftlicher Fußball-Schiedsrichter, gehörte zum Lehrteam der Schiedsrichtergruppe Ingolstadt und pfeift zudem in der Floorball-Bundesliga. Aus beruflichen Gründen zog es ihn weiter nach Bayreuth. Er ist Teil des IG Schiedsrichter-Kompetenzteam, wo er die Spieltagsanalyse der 2. und 3. Liga übernimmt.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Kohler

    Zu YB vs Cluj dieser Schiedsrichter hat seine top leustung innert 10 minuten zerstört.
    Tor von Cluj war knapp Abseits ohne VAR leider nicht sichtbar. Penalty für YB wie schon im Artikel gesagt ist keiner. Was mich stört das Nsame Rot kassierte ja er kam zuspät aber nein er hatte keinen tritt gegen den Gegner grmacht also niemals Rot! Ich kann die Rumänen verstehen.

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