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Fußball bei Hitze – Gefahr für die Gesundheit?! – Ein Kommentar

Amateur-Fußballspiele unter diesen Hitzebedingungen sind sträflicher Leichtsinn und sollten abgesagt bzw. in die Abendstunden verlegt werden.

(Artikel und Kommentar von Redakteur Holger Körner)

Dr. Puskuris „Sport unter hohen Umgebungstemperaturen ist bei hoher Belastung natürlich mit einem hohen Gesundheitsrisiko zu bewerten“.  „Je höher die Außentemperatur umso schlechter kann der Körper seine eigene Temperatur, welche normal zwischen 36,5 und 37,5 liegt, regulieren. Ab einer Außentemperatur von 36 Grad kann der Körper keine Wärme mehr abstrahlen, er kann Wärme nur mehr durch verdunsten loswerden. Je höher also Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind, umso gefährlicher wird es für den Körper. „Zwischen 23,1-28 wird es gefährlich, ab einem Wert von 28 sogar extrem gefährlich.

Allgemein dürfte bekannt sein, dass der Schiedsrichter die Verantwortung für eventuelle drohende Gefahren auf dem Sportplatz hat. Der Schiedsrichter kann auch, bei extremen Witterungsverhältnissen ein Spiel abbrechen oder gar nicht stattfinden lassen.

Die entsprechende Passage aus dem Regelheft

 

Zum Artikel mit Dr. Puskuris, aus dem Fanreport im Detail unbedingt unten weiter nachlesen!

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Quelle: DFB – FUSSBALL BEI HITZE: DIE EMPFEHLUNGEN DER KOMMISSION SPORTMEDIZIN

„Die aktuelle Wetterlage mit fast 40 Grad ist vielleicht für die Ferienkinder am Badesee ein Segen, für Fußballer*innen und Fans, die teilweise in geringer Anzahl bei den Amateurspielen wieder zugelassen sind, kann sie zum Fluch und sogar zur Gesundheitsgefährdung werden. „Für Zuschauer*innen und Sportler*innen besteht die Gefahr eines hitzebedingten Kreislaufkollaps oder im Extremfall eines Sonnenstichs und Hitzschlags“, mahnt Prof. Dr. Tim Meyer, Sportmediziner der Nationalmannschaft.

Die DFB-Kommission Sportmedizin warnt ebenfalls vor „medizinischen Gefahren für Spieler*innen und Zuschauer*innen“ bei extremer Hitze und spricht folgende Empfehlungen aus:

  1. mögliche Spielverlegung (in die Abendstunden oder auf einen anderen Termin) bei mehr als +35°C (bzw. mehr als +32°C bei Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent)
    „Wenn es möglich ist, sollten Spiele in die Abendstunden verlegt werden, damit man der direkten Sonneneinstrahlung aus dem Weg geht“, sagt Sportmediziner Meyer. Eine Spielverlegung geht natürlich nur, wenn es Spielplan, Platzbelegung und etwaige Mehrfachnutzung auch erlauben.
    Kontraproduktiv wäre es, wenn man sein Training in die Mittagszeit verlegt, um sich an die Bedingungen eines Pflichtspiels zur gleichen Zeit anzupassen. „Der Körper würde sich nicht wesentlich besser adaptieren, nur weil man mittags trainiert“, so Meyer.
  2. möglicher Hitze-/Sonnenschutz für Zuschauer*innen: helle Kappen mit Sonnenschirm
    Tim Meyer erklärt: „Die Hitzestrahlung der Sonne kann durch Kopf- und Gesichtsbedeckungen ungemein abgemildert werden. Eine helle Baseballkappe gibt dem Gesicht Schatten und senkt die Temperatur.“
  3. Wasserabgabe, große Schirme/Dächer, Befeuchtung mit Wasser
    Sowohl für Spieler*innen als auch für Zuschauer*innen ist es am wichtigsten, viel zu trinken. „Das A und O ist die Flüssigkeitszufuhr“, mahnt auch Meyer, „das ist vor allem für den Flüssigkeitshaushalt wichtig. Wenn wir viel schwitzen, müssen wir auch viel Flüssigkeit aufnehmen, damit keine Kreislaufprobleme auftauchen.“ Normales Leitungswasser ist vollkommen okay. Gut sind auch Saftschorlen oder Tee.
  4. möglicher Hitze-/Sonnenschutz für Spieler*innen: Pre-Cooling (verschiedene Methoden, Wasser effektivster Überträger), kalte Getränke, Kappe für Torwart, adäquate Kleidung zur Schweiß- und Temperaturabgabe, pro Halbzeit ein bis zwei Trinkpausen durch die Schiedsrichter*innen.
    Die Spielunterbrechungen für Trinkpausen lobt auch Dr. Meyer und gibt Empfehlungen zur Abkühlung: „Es gibt die Möglichkeit, in der Halbzeit Eiswickel, feuchte Handtücher oder kühle Bäder vorzubereiten, um die Körpertemperatur runter zu kühlen. Es gibt mittlerweile viele Produkte auf dem Markt, aber das effektivste Mittel ist Wasser, weil es die Kälte perfekt überträgt.“ Also auch der Wassereimer am Spielfeldrand kann als kurze Erfrischung einen positiven Effekt haben. Wenn schon kein Badesee zur Abkühlung in der Nähe ist…

Mit Blick ins DFB Regelheft Saison 2023/2024 finden sich folgende Infos:

Kühlpause (→ ‘Cooling’ break)
Spielunterbrechung (90 Sekunden bis maximal drei Minuten), die je nach Wettbewerbsbestimmungen im Sinne des Wohlbefindens oder der Sicherheit der Spieler bei bestimmter Witterung (z. B. hohe Luftfeuchtigkeit/ Temperaturen) zur Senkung der Körpertemperatur vorgesehen wird (nicht zu verwechseln mit „Trinkpause“).

Trinkpause (→ ‘Drinks’ break)
Je nach Wettbewerbsbestimmungen vorgesehene Spielunterbrechung (maximal eine Minute), in der die Spieler Flüssigkeit aufnehmen dürfen (nicht zu verwechseln mit „Kühlpause“).

Anmerkung:

Finden sich in den Spielbestimmungen noch Hinweise, wann bei Frost ein Spiel nicht stattfinden kann, fehlt eine Anweisung für Spiele bei grosser Hitze im DFB Regelheft oder sonstigen Regelwerken völlig.  Sträflicher Leichtsinn?! Gesundheits-Gefährdung?! Spiele bei dieser Hitze sollten abgesagt werden!

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WIE GESUNDHEITSGEFÄHRDEND SIND SPIELE BEI GROSSER HITZE? INTERVIEW MIT DR. ATHANASIUS PUSKURIS

Ab welchen Bereichen sprechen wir hier von einer Gesundheitsgefährdung?

„Zwischen 23,1-28 wird es gefährlich, ab einem Wert von 28 sogar extrem gefährlich. Bei einem Wert unter 10 droht hingegen Unterkühlung. Da geht es aber nicht um die Temperatur an sich wie gesagt, sondern um einen Querschnitt dieser drei Faktoren. Diese Werte wurden von American College of Sports Medicine für den Sport und auch für die Amerikanische Marine festgelegt.“

Was läuft bei diesen Temperaturen im Körper genau ab?

„Je höher die Außentemperatur umso schlechter kann der Körper seine eigene Temperatur, welche normal zwischen 36,5 und 37,5 liegt, regulieren. Ab einer Außentemperatur von 36 Grad kann der Körper keine Wärme mehr abstrahlen, er kann Wärme nur mehr durch verdunsten loswerden. Je höher also Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind, umso gefährlicher wird es für den Körper. Es kann vorkommen, dass ein Körper dann bis zu zwei Liter Flüssigkeit pro Stunde verliert. Es kann dabei gleichzeitig auch zu einem deutlichen Salzverlust kommen. Man kann grob umfassend sagen, ab 39 Grad Körpertemperatur gibt es erste körperliche Defizite – Schwindel, Delirium. Ab 40 Grad kann es zum Hitzschlag kommen mit Erbrechen – das ist ein akuter medizinischer Notfall – da kann es bis zum Koma gehen. Dann gibt es eine Sterblichkeitsrate von 10 bis 80 Prozent.“

Vor kurzem gab es im Bundesligaspiel zwischen Sturm Graz und dem SV Grödig schon das erste Hitzeopfer. Was ist dem Spieler eigentlich genau passiert, war es ein Hitzeschlag?

„Es gab offenbar durch die Belastung einen enormen Anstieg der Körperkerntemperatur. Dadurch hatte er Kreislaufprobleme, einhergehend mit Erbrechen und Krämpfen. Es waren die Symptome eines Hitzeschlages, wir sprechen hier von einem, wie eben beschriebenen medizinischen Notfall, wo es ohne rechtzeitige Notfallmaßnahmen zu schlimmen Folgen kommen kann.“

Wenn so etwas einem austrainierten Fußballprofi passieren kann, ist dann nicht die Gefahr bei einem Amateurspieler noch viel größer?

„Natürlich ist die Gefahr dort viel höher. Wir hatten die Spieler ja schon durch Trainingszeiten an die steigenden Temperaturen vorbereitet. Da gab es in der Vorbereitung auf das Spiel eine Akklimatisierung, um den Körper nach und nach an die hohen Temperaturen zu gewöhnen. Amateurspieler haben diese Möglichkeit natürlich nicht. Die Gefahr im Amateurbereich ist hier also um einiges höher, da man im Training die Spieler nicht auf diese Verhältnisse hin adaptieren kann.“

Sie waren natürlich sofort zur Stelle und der Spieler bekam eine perfekte Erstversorgung, in den unteren Ligen kann leider nicht so gut reagiert werden. Welche Sofortmaßnahmen müssen bei einem Kreislaufkollaps oder Hitzeschlag gesetzt werden?

„Es geht hier um Notfallmedizinische Maßnahmen. Eispackungen zur sofortigen Senkung der Körpertemperatur und Medikamente um den Kreislauf zu stabilisieren. Eiswasserbäder wären der Idealfall, dort kann man die Körpertemperatur pro Minute um 0,2 Grad senken, bei kalten Handtüchern oder Eiswickeln beträgt die Senkung nur 0,04 Grad pro Minute. Sollte die Körpertemperatur über einen längeren Zeitraum über 41 Grad liegen, kann es zu bleibenden Schäden führen.“

Was darf man auf keinen Fall machen, könnten unerfahrene Rot Kreuz Helfer auch schwerwiegende Fehler machen?

„Man sollte den Spieler auf keinen Fall in der Sonne liegen lassen. Es geht darum eine Schocklagerung (Beine hoch) herbeizustellen. Wenn Erbrechen dazu kommt muss die Schocklagerung in eine stabile Seitenlagerung gebracht werden, sonst könnte der Spieler an seinem eigenen Erbrochenen ersticken. Am wichtigsten ist es sofort den Notarzt zu verständigen.“

Wie kann sich ein Spieler selbst ideal auf ein Hitzespiel vorbereiten?

„Man muss über den ganzen Tag verteilt ausreichend Flüssigkeit in kleinen Mengen zu sich nehmen, auch mit ausreichend Zuckergehalt. Wenn die Temperatur hoch ist, werden die Zuckerreserven des Körpers primär beansprucht, erst danach werden die Fettspeicher angegriffen. Dadurch kommt es auch früher zur Ermüdung. Es sollte kein Wasser allein sein, am besten vermengt mit Glukose und Elektrolyten. Getränke dürfen aber nicht zu konzentriert sein, sonst tritt ein entgegengesetzter Effekt ein. Dann wird dem Körper nämlich eher Zucker entzogen als gespeichert. Hier gilt weniger ist mehr.

Sollte man neben der Flüssigkeitsaufnahme auch beim Essen auf etwas achten?

„Es gilt möglichst leicht verdauliche Speisen (Nudeln, Reis, gekochtes Gemüse – kein rohes Gemüse) zu sich nehmen. Alles schwerverdauliche (Salate, fetthaltige Nahrung, Obst), führt dazu, dass das Blut im Zentrum bleibt und somit die Muskeln nicht ausreichend versorgt werden.“

Eine Amateurmannschaft kann sich auf Hitzespiele eigentlich nicht gezielt vorbereiten.
Dr. Puskuris

Muss ein Trainer im Rahmen der Spielvorbereitung irgendetwas anders machen bei 35 Grad im Vergleich zu 25?

„Nein da gibt es keine Möglichkeiten, es kursieren zwar viele Gerüchte und Halbwahrheiten, die aber allesamt nicht stimmen. Die einzige Möglichkeit wäre es wie gesagt, den Körper kontinuierlich auf die Hitze vorzubereiten, was aber natürlich nur im Profibereich möglich ist. Bei Amateurmannschaften ist es ja im Normallfall nicht möglich in der Mittagszeit oder am frühen Nachmittag zu trainieren. Man sollte als Trainer versuchen vor dem Spiel einzuwirken, z.B. mit Kühlwesten zu arbeiten. Dies ist bei den meisten Teams aus Kostengründen natürlich nicht möglich, deshalb kann man eigentlich nur darauf achten, die Körpertemperatur nicht schon vor dem Spiel zu erhöhen. “

Worin besteht die größte Gefahr?

„Sport unter hohen Umgebungstemperaturen ist bei hoher Belastung natürlich mit einem hohen Gesundheitsrisiko zu bewerten. Durch Veränderungen im Stoffwechsel kann es zu Schäden der Muskulatur kommen, da sie nicht ausreichend mit Sauerstoff, Zucker und Salz versorgt. Dadurch kann ein Spieler anfälliger für Muskelfaserrisse werden, oder ähnliche Muskelverletzungen. Natrium, Magnesium fehlen, dadurch ist der Muskel dann unterversorgt. Zusätzlich wird auch die Haut übermäßig durchblutet, da sie Wärme abgeben muss, dadurch wird der Muskel nicht so stark durchblutet. Die größte Gefahr besteht natürlich im bereits angesprochenen Hitzeschock.“

Sport unter hohen Umgebungstemperaturen ist bei hoher Belastung natürlich mit einem hohen Gesundheitsrisiko zu bewerten.
Dr. Puskuris

Einige Mannschaften bestreiten ihre Heimspiele auf Kunstrasen, verschärft das die Situation zusätzlich?

„Natürlich. Durch den Kunstrasen entstehen noch höhere Temperaturen. Die Wärme wird ja nicht von der Erde kompensiert, sondern sofort wieder reflektiert. Das kennt man auch vom Urlaub am Sandstrand. Es wirkt eine doppelte Strahlung von oben und unten auf den Körper. Da müsste man wirklich hinterfragen und prüfen ob es nicht gesundheitsschädlich ist. Mein Vorschlag wäre es, den WBGT-Index zur Hilfe zu nehmen um das medizinische Risiko wirklich genau abzuschätzen. Das kann man im Internet abrufen. Auch Wetterstationen informieren auf Anfrage. Es gibt außerdem Handgeräte, die direkt bei den Sportstädten eingesetzt werden können.“

Immer wieder wird behauptet schwarze oder dunkle Trikots würden den Hitzeeffekt noch verstärken – Wahrheit oder Ammenmärchen?

„Es ist korrekt. Dunkle Trikots ziehen Wärme mehr an als Helle. Es ist auch die Art des Trikots wichtig, es sollte möglichst luftdurchlässig sein. Am wichtigsten ist es hier, atmungsaktive Trikots zu verwenden, da ansonsten die Wärmeabgabe durch den Schweiß verhindert werden könnte.“

Nehmen wir auch ein wenig die Organisation in die Pflicht. Auf gefrorenem Boden wird verständlicherweise nicht gespielt, da die Gesundheit der Spieler in Gefahr ist. Bei enormer Hitze wird allerdings nur eine Trinkpause ziemlich in der Mitte der beiden Spielhälften verordnet. Ab welcher Außentemperatur dürfte ein Spiel aus medizinischer Sicht eigentlich nicht mehr angepfiffen werden?

„Sollte man eigentlich aus medizinischer Sicht schon fordern. Hier sollte man wie gesagt nach der WBGT-Tabelle vorgehen und ab einem Wert von 28 ein Spiel nicht mehr anpfeifen. Es wäre zumindest eine Hilfestellung um gröbere Verletzungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Den im Endeffekt reagiert natürlich jeder Spieler anders auf Hitze, da kommen viele Faktoren zusammen wie Alter oder Fitnesszustand.“

Anmerkung – Erklärung WBGT-Index anhand eines Beispiels:

Bei einer Außentemperatur von 25 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 20 Prozent erhöht sich die Körpertemperatur bei großer Anstrengung auf ca. 38,4 Grad.

Bei einer Außentemperatur von 25 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent erhöht sich die Körpertemperatur bei großer Anstrengung auf ca. 39,5 Grad

Quelle:

https://www.fanreport.com/at/news/wie-gesundheitsgefaehrdend-sind-spiele-bei-grosser-hitze-interview-mit-dr-athanasius-puskuris-1095607

[HK]

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