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Sinkende Qualität – ein Kommentar

Sinkende Qualität im Schiedsrichterwesen – ein Kommentar.

„Thaya Vester, die im Auftrag des DFB zu gewaltbedingten Spielabbrüchen im Fußball forscht, hat in zahlreichen Interviews Gewalterfahrungen als einen der Gründe für den Nachwuchsmangel bei Schiedsrichtern ausgemacht. Deren Zahl sinkt seit Jahren kontinuierlich und ist in der Spielzeit 2020/2021 nochmal deutlich auf etwa 44.800 zurückgegangen. Zum Vergleich: Zur Heim-WM 2006 gab es beim Deutschen Fußball-Bund noch etwas 81.000 Schiedsrichter!“

https://amp.zdf.de/nachrichten/sport/fussball-mangel-wertschaetzung-schiedsrichter-manu-thiele-bolzplatz-100.html

Nehmen wir die Daten des ZDF-Sportstudios als geprüft: Vormals ca. 81.000 Schiedsrichter, aktuell ca. 44.800 Schiedsrichter. Der DFB berichtet in der DFB Schiedsrichter-Zeitung von ca. 50.000 Schiedsrichtern.

Bei Spielern sind Scouts in den Vereinen unterwegs, welche die Top-Spieler in den Jugend-Mannschaften raus suchen. Einem Spielertalent wird dann vorgeschlagen in einen nahe gelegenen Bundesliga-Verein zu wechseln und dort ausgebildet zu werden.

Wie ist das im Schiedsrichterwesen?

Scouts gibt es nicht. Jugendliche Neuanfänger werden von Paten begleitet. Mit etwas Glück erkennt der Pate das Talent für das Schiedsrichterwesen. Der Pate schreibt einen Bericht an den Schiedsrichter-Ausschuss. Wieder mit etwas Glück reagiert der Ausschuss und lässt den Kollegen beobachten. Vom Paten und Beobachter ist es abhängig, dass der Schiedsrichter evtl. in den Förderkader des Verbandes kommt. Dort beginnt dann das Coaching. Das mal grob umrissen.

Bei 81.000 Schiedsrichter kann man sich vorstellen, dass auch genügend Paten vorhanden sind. Bei nur noch 44.800 Schiedsrichtern kann man das schon in Frage stellen. Grund: Weil die Paten meist aktive Schiedsrichter sind und selbst pfeifen sollen. Spiele sollen ja besetzt werden. Zudem wird der Pate meist nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung belohnt, meist sogar noch ohne Fahrtkosten. Das Amt des Paten ist gegenüber dem aktiven Einsatz als Schiedsrichter daher schon finanziell unattraktiv. Für mich jedenfalls.

Aufgrund des aktuellen Schiedsrichtermangels werden neue Schiedsrichter meist schnell als Assistent mit in die Bezirksliga genommen. Die freuen sich also über den Aufstieg, wissen aber nicht das sie sich selbst nichts Gutes antun. Pfeifen also nicht selbst. Können nicht lernen zu pfeifen, sich auf dem Platz durchzusetzen. Werden nicht als Schiedsrichter beobachtet, Talent als Schiedsrichter kann nicht erkannt werden.

Interesse an den Weiterbildungen ist nur marginal vorhanden. Es nehmen nur ca. ein Drittel der gemeldeten Schiedsrichter an den Weiterbildungen teil. Solidarität unter den Schiedsrichter nicht oder nur kaum vorhanden. Gravierende Vorfälle, tätliche Angriffe auf Schiedsrichter, interessieren wenig. Man geht zur Tagesordnung über. Wortmeldungen von Schiedsrichtern für Verbesserungen, von denen welche für eine Weiterbildung Interesse zeigen, werden vom KSA unterdrückt. Nicht zugelassen. Spassfaktor sinkt.

Nehmen wir nochmal die 81.000 Schiedsrichter. Bei dieser Zahl gab es hohe Neuanmeldungen. Bei vielen Neuanmeldungen sind auch mehr potentiell schon rein statistisch gesehen mehr sehr gute Kandidaten fürs Schiedsrichterwesen vorhanden. Bei nur noch 44.000 Schiedsrichtern sinkt diese Zahl dramatisch. Es fehlen dann die Top Kandidaten, welche unbedingt erkannt und gefördert werden sollten. Hinzu kommt dann der schreiben wir mal Missbrauch als Assistent in den höheren Klassen, weil dort Spiele besetzt werden sollen. Wirkliche Talente verkümmern als Assistent und werden nicht rechtzeitig gefördert.

Kontingente in höheren Klassen. Trotz Talent wird ein echtes Talent als Schiedsrichter nicht gefördert, weil erst aus dem Poul jemand raus genommen werden muss. Viele ältere Schiedsrichter auf ihrem Posten sitzen und den Weg nicht frei machen. 

Da es ein Scouting System, wie bei den Spielern im Schiedsrichterwesen nicht gibt, es auf Paten und Beobachter ankommt, wovon es immer weniger gibt, werden wirkliche Top-Schiedsrichter schon im Jugendbereich nicht erkannt. Möglicherweise mit etwas Glück noch später. 

Es gilt nicht möglichst schnell Talente hoch zu stufen, sondern zu erkennen und vernünftig auszubilden.

Die fehlenden wirklichen Top-Talente aus den wenigen Neuanfängern führen zu weniger Top-Schiedsrichtern bis in die Bundesliga. Dort gibt es immer mehr VAR-Einsätze, um Korrekturen durchzuführen. Jeder weiss es, kennt die Eingriffe vom VAR, aber die Ursachen bleiben nicht geklärt.

Für mich ist die sinkende Qualität also bereits jetzt bis in die Bundesliga erkennbar. Frage mich, wann die Funktionäre dies erkennen mögen. Und als Fazit mehr auf das Erkennen und Fördern von Neuanfängern blicken werden. Den Focus mehr auf Paten und Beobachtern bei den Jugendspielen in den Kreisligen lenken.

Und nicht gleich einen Neuanfänger aus Mangel an Schiedsrichtern in die Kreisliga schicken, wo dieser evtl. noch überfordert ist. (der neue ist natürlich geschmeichelt, pfeift schon Herrenspiele und kriegt dann schon voll den Frust von Spielern und Zuschauern ab). Und hört dann wieder auf, weil ihm die Kritik zu viel ist. Nicht gelernt damit umzugehen. Noch nicht regelsicher genug. So läuft es doch in der Praxis oder etwas nicht?

Dafür muss logisch das Pfeifen von Jugendspielen für die Neuanfänger gegenüber den Spielen in der Kreisliga auch finanziell schmackhaft gemacht werden.  Gleichlautend den Paten und Beobachtern auch was  bieten, damit auch wichtige Pateneinsätze gemacht werden. Ein neuer Schiedsrichter geht doch aus finanzieller Sicht, auch wegen dem Aufstieg (ich bin schon in der BZL), lieber mit in die Bezirksliga als Assistent. Aber halt nur als Assistent. Statt selbst Spiele zu pfeifen. Obwohl er da noch nicht erkennt, wie negativ dies für seine Karriere ist.

Abschliessend: Die geringe Teilnahme der Schiedsrichter an den Weiterbildungen für Schiedsrichter mag auch zu denken geben. Das geht definitiv zu Lasten der Qualität. Und diese Schiedsrichter erkennt man auch sofort nur als nur Zuschauer auf den Sportplätzen. Weiterbildungen müssen also attraktiver gestaltet werden, damit mehr Kollegen dahin kommen.

Völlig kontraproduktiv das jetzige System für das Schiedsrichterwesen.

Anmerkung: Offenbar hat der Landesverband Bayern genau dies erkannt und die Spesen im Jugendbereich deutlich angehoben. Das neue Konzept in Bayern ist Spitze.

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