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Sponsor überschüttet Schiri mit Bier: Abbruch war alternativlos

Das Drittligaspiel zwischen Zwickau und Essen wird zu Recht abgebrochen, weil ein Sponsor des Gastgebers dem Unparteiischen den Inhalt seines Bierbechers ins Gesicht schüttet. Das Hamburger Stadtduell in der Zweiten Liga bringt der Referee gut über die Bühne.

Von: Alex Feuerherdt

Ende März, zum Rückrundenbeginn in den Amateurligen, hat der Deutsche Fußball-Bund das „Jahr der Schiris“ ausgerufen. Diese Initiative, ein sogenanntes Leuchtturmprojekt des DFB, hat zum Ziel, den drastischen und bedenklichen Schwund bei den Schiedsrichterzahlen aufzuhalten und den Trend umzukehren. Geplant sind dazu verschiedene Maßnahmen und Aktionen, gleich zu Beginn leiteten die Bundesligaprofis Anton Stach und Nils Petersen unter der Aufsicht von Bundesliga-Referee Deniz Aytekin gemeinsam ein Bezirksligaspiel in Rheinhessen. Und stellten dabei fest: Dieser Job ist eine echte Herausforderung.

Es geht beim „Jahr der Schiris“ nicht zuletzt darum, den Respekt und die Wertschätzung für die Unparteiischen zu verbessern. Denn genau das vermissen sehr viele Referees am meisten, wie Umfragen und Studien deutlich zeigen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Angriffe auf sie im Amateurbereich zuletzt gestiegen ist, knapp 2.400 wurden alleine in der Saison 2021/22 von ihnen in den Spielberichten vermerkt. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch weitaus höher sein, denn längst nicht jeder Vorfall wird auch gemeldet. Auch rund die Hälfte der 911 Spielabbrüche in der vergangenen Spielzeit erfolgte, weil der Unparteiische attackiert wurde.

Bier ins Gesicht des Referees
Dass die Kampagne des DFB – leider – sehr notwendig ist, zeigte sich am Sonntag auch im Profifußball: Als Schiedsrichter Nicolas Winter in der Halbzeitpause der Drittligapartie zwischen dem FSV Zwickau und Rot-Weiss Essen mit seinen Assistenten auf dem Weg in die Kabine war, schüttete ihm ein Zuschauer den Inhalt seines Bierbechers mitten ins Gesicht – und zwar mit voller Absicht, wie Fernsehbilder zeigen. Nach Angaben von Frank Fischer, Sprecher des FSV-Vorstandes, handelt es sich beim Angreifer um einen Sponsor des Vereins. Ein erschreckender Vorfall, aus dem Referee Winter die einzig richtige Konsequenz zog: Er brach das Spiel beim Stand von 1:1 ab.

Wir haben den Mann identifiziert, es war einer unserer Sponsoren“, sagte Frank Fischer, Vorstandssprecher des FSV, der Neuen Presse. Der Klub kündigte Konsequenzen an.

Auch Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich bezeichnete diese Maßnahme auf Twitter als „alternativlos“. Denn eine rote Linie ist nicht erst überschritten, wenn der Unparteiische oder einer seiner Assistenten von einem Bierbecher getroffen wird, sondern bereits, wenn jemand dessen Inhalt vorsätzlich und gezielt ins Gesicht des Unparteiischen kippt. Ein derartiger Angriff, der auch eine Demütigung darstellt, kann nur das sofortige Spielende zur Folge haben. Am grünen Tisch dürfte nun Essen die Punkte zugesprochen bekommen – während Zwickau noch größere Mühe haben wird, die Klasse zu halten. Und das, weil ein eigener Sponsor unbedingt meinte, den Schiedsrichter attackieren zu müssen.

Komplexe Strafstoßentscheidung in Berlin
In der Bundesliga dagegen verlief der Spieltag für die Unparteiischen wie so oft in den vergangenen Wochen ohne größere Aufreger und Diskussionen. Selbst der kurzfristige Ausfall von Schiedsrichter Benjamin Brand vor der Begegnung zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem 1. FC Köln (1:3) wegen einer allergischen Reaktion ließ sich problemlos kompensieren: Zweitliga-Referee Robin Braun aus Wuppertal, eigentlich als Vierter Offizieller vorgesehen, sprang als Spielleiter ein und brachte die Partie bei seinem Debüt im Oberhaus gut und unaufgeregt über die Bühne. Dominik Schaal übernahm die Position des Vierten Offiziellen.

Die regeltechnisch interessanteste Szene ereignete sich im Spiel Hertha BSC – Werder Bremen (2:4), auch wenn sie nicht spielentscheidend war. In der 76. Minute spielte der Berliner Suat Serdar den Ball bei einem Angriff der Gastgeber wenige Meter vor dem Strafraum nach außen auf Jessic Ngankam. Bei der Ballabgabe befand sich Serdars Mitspieler Florian Niederlechner an der Strafraumgrenze im Abseits, er kreuzte den Weg des Bremers Miloš Veljković, dabei kam es zu einem leichten Körperkontakt. Der Ball lief aber an diesen beiden vorbei und gelangte zu Ngankam. Dieser zog in den Strafraum, dort brachte ihn Veljković zu Fall.

Schiedsrichter Robert Schröder entschied auf Strafstoß, wurde dann aber von VAR Guido Winkmann an den Monitor in der Review Area geschickt. Nicht wegen des Zweikampfs zwischen Ngankam und Veljković, denn das Foul war eindeutig. Auch nicht, um zu beurteilen, ob Niederlechner sich vorher regelwidrig gegen Veljković eingesetzt hatte – selbst wenn das auf der Anzeigetafel im Berliner Olympiastadion fälschlich als Grund für die Überprüfung eingeblendet wurde. Doch ein Foulspiel lag eindeutig nicht vor. Es ging vielmehr um die Frage, ob Niederlechners Abseitsstellung strafbar war, obwohl er den Ball nicht gespielt und auch keinen Zweikampf um ihn geführt hatte.

Ist das Abseits von Niederlechner strafbar?
Im Regelwerk heißt es: „Wenn sich ein Spieler, der sich aus einer Abseitsstellung bewegt oder in einer Abseitsstellung befindet, im Laufweg eines Gegners befindet und die Bewegung des Gegners zum Ball beeinträchtigt, ist dies ein Abseitsvergehen, wenn es die Möglichkeit des Gegners, den Ball zu spielen oder einen Zweikampf um den Ball zu führen, beeinflusst.“ Zweifellos befand sich Niederlechner im Abseits und zudem im Laufweg von Veljković – aber beeinflusste er auch die Möglichkeit des Bremers, den Ball zu spielen oder einen Zweikampf zu führen? Nur dann wäre die Abseitsposition strafbar gewesen.

Der Regeltext lässt einen Interpretationsspielraum, ob mit „Möglichkeit“ nur die grundsätzliche Chance in dieser Situation gemeint ist oder auch die Qualität der Möglichkeit. Veljković führte ja letztlich einen Zweikampf um den Ball mit Ngankam, diese Chance wurde ihm von Niederlechner also nicht genommen. Wäre er ohne den Kontakt beim Kreuzen aber besser in dieses Duell gekommen? Darüber kann man streiten. Veljković orientierte sich jedenfalls erst nach dem Kreuzen zu Ngankam – als er mit Verzögerung erfasste, dass der Berliner von keinem Bremer angegriffen wird. Es sah nicht so aus, dass Niederlechner diese Entscheidungsfindung beeinflusst hatte.

Referee Schröder, der sich die Szene gemeinsam mit seinem Assistenten Norbert Grudzinski eingehend am Monitor angesehen hatte, blieb dann auch bei seiner Strafstoßentscheidung, und das war allemal vertretbar. Ein regeltechnisch komplexer Fall, der angesichts des deutlichen Spielstandes – Werder führte zu diesem Zeitpunkt mit 4:1 – und des Spielausgangs nur wenig Beachtung fand. Bei einem knapperen Ergebnis hätte es gewiss mehr Fragen zu dieser kniffligen Szene gegeben, die der Unparteiische jedoch gut gelöst hat.

Viel Arbeit im Hamburger Stadtduell
Sein Kollege Sven Jablonski hatte unterdessen in der Zweiten Liga das spektakuläre und torreiche Hamburger Stadtduell zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli (4:3) zu beaufsichtigen – und er traf dabei in den spielrelevanten Situationen korrekte, zumindest aber vertretbare Entscheidungen. So wie in der 17. Minute – da stand es noch 0:0 –, als der ballführende Paulianer Oladapo Afolayan seinen Gegenspieler Miro Muheim auf dem Weg zum Tor mit dem ausgestreckten Arm auf Distanz halten wollte und ihn dabei kurz am Hals traf. Auch wenn Muheim theatralischer zu Boden ging als nötig, war es doch nachvollziehbar, dass Referee Jablonski diesen Einsatz als Foulspiel bewertete und das Spiel schon unterbrach, bevor Afolayan den Ball ins Tor schoss.

Quelle: ntv.de

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