Wir haben mit Handball-Schiedsrichterkollegen, Arvid Berg (Foto) ein Interview geführt, wo viele Fragen im Vergleich Handball zum Fußball geklärt werden.
Warum sagst Du:
Die Schiedsrichter im Fußball tun mir als Handball Schiedsrichter leid?
1.) Wieso bist Du Schiedsrichter beim Handball geworden?
Berg: Meine Handballschiedsrichterlaufbahn begann wie bei vielen auch noch heutzutage. Es wurden Schiedsrichter benötigt. Da pro gemeldeter Mannschaft 1,5 Schiedsrichter gemeldet werden müssen, und ich nicht wollte das wir entweder nicht melden können oder das wir Strafe zahlen. Ich konnte damals nicht nein sagen zum Handballsport. Das war mein Grund zu beginnen. Also zur Zeit liegt die Strafe bei uns bei 75 € für den ersten Schiedsrichter pro Saison. Die Saison geht beim Handball nach den Sommerferien bis ca. Mai im nächsten Jahr.
2.) Seit wann machst Du das?
Berg: Seit 1989. Also seit fast 35 Jahren. In denen ich ich fast 2000 offizielle Spielaufträge angenommen habe. Mit Freundschafts- und Tunierspielen bin ich bei ca. 2500 Spielen.
3.) Warum?
Berg: Warum? Das gibt viele Gründe. Die Gründe haben sich aber seit 1989 aber doch verändert Nach zwei drei Jahren merkte ich das ich als Schiedsrichter mehr erreichen konnte als Spieler. Zu dem machte es mir sehr viel Spaß, mir wurden gute Leistungen bescheinigt, man wurde respektiert und auch Freundschaften entstanden die bis heute halten. es gibt einige Vereine in meiner alten Region die mich immer noch gern zu Turnieren einladen. Das macht mir klar das ich vieles richtig gemacht habe als Schiedsrichter.
Natürlich habe ich als Sportler auch selber gemerkt ob der Tag für mich gut lief oder nicht. Dies habe ich auch reflektiert um beim nächsten mal besser zu sein. Dann kamen die Aufstiege, Landesliga, Verbandsliga, Oberliga. Heute bin ich in einer neuen Region gelandet, also noch mal von vorn. Aber auch hier habe ich mich eingelebt. ich hoffe das ich bis zum 50 Jährigen weiter machen darf.
4.) Welche Regeln gibt es im Handball?
Berg: Das Regelheft im Handball ist sehr anspruchsvoll und vor allem sehr vielfältig. Von Schritten, Prellfehler über Tor, Kreisab, Einwurf, Strafwurf hin zu Abstand, Passives Spiel, Stürmerfoul oder falsche Wurfausführungen. Dann gibt es die zahlreichen Progressionen die hinzu kommen. Ein umfangreiches Regelwerk. Die Datei dazu, findet man hier: Handballregeln.
Und Schiedsrichter im Handball müssen sehr schnell reagieren können in einer Zehntelsekunde. Und ein Handball-Schiedsrichter hat pro Spiel ca. 10x mehr Entscheidungen wie die Kollegen im Fußball. Handball ist der schnellste Ballsport der Welt. Und der härteste.
Die Spielzeit ist bei den Senioren 2 x 30 Minuten. Bei Jugend entsprechend weniger.
Fliegender Wechsel. Gewechselt wird fliegend ja, aber es ist sicherzustellen das kein falscher Wechsel stattfindet. Ansonsten ist dies mit 2 Minuten für den ein wechselnden Spieler zu bestrafen.
5.) Gibt es Timeouts?
- Die vom Schiedsrichter wenn zum Beispiel eine 2 Minuten-Strafe zu verhängen ist.
- Vom Kampfgericht wenn zum Beispiel ein falscher Wechsel stattgefunden hat oder
- Das Team-Time out. Das durch bisher nutzen der grünen Karte durch den Mannschaftsverantwortlichen der ballführenden Mannschaft beantragt wird, um 60 Sekunden lang sich zu besprechen.
- Betreten der Abwehr des 6m Raumes, um einen Vorteil zu erhalten.
- Bei offensichtlichem Foulspiel und das nehmen einer klaren Torchance
- Bei einer Wurfbehinderung in den letzten dreißig Sekunden des Spiels. Egal wo der der Ball, bzw diese Situation sich befindet. Will also der Torwart einen Abwurf durchführen und wird durch mangelndem Abstand behindert, wird ab Spielminute 59:30 auf 7 Meter und Rote Karte entschieden.
8.) Kennst Du die Regeln beim Fußball?
Berg: Ja, auch da kenne ich einige, da ich selber auch 2 Jahre Fußball gespielt habe als Torwart in der Bezirksoberliga.
9.) Was ist aus Deiner Sicht beim Handball anders als beim Fußball?
Berg: Aktuell natürlich die Gewalt gegen meine Fußballkollegen. Sowas gibt es nicht bei Handball. Es läuft, auch wenn jemand meckert mit mehr oder weniger Respekt ab. Wenn mir es dann halt zu bunt wird schicke ich die Person für 2 Minuten auf die Bank.
Auch bei unterschiedlicher Ansicht kommuniziert man nach Spielende immer vernünftig bei einem Getränk zusammen. Man darf als Schiedsrichter aber auch Kritik zulassen und sich auf Augenhöhe mit den Spielern befinden. So bin ich immer sehr gut gefahren.
Falls es irgendwann zu wirklicher Gewalt kommen würde, würde der Spieler die nächsten 10 Jahre kein Handball Spielen in Deutschland. Bsp. Ich hatte einen körperlich eingeschränkten Gespannspartner. (Leider nur ein Arm). Dort habe ich seitens eines A-Jugendlichen mitbekommen wie dieser sagte. Wenn du Krüppel nicht besser pfeifst, reiße ich dir den anderen Arm auch noch ab.
Damals wurde er mit Ausschluss bestraft (gibt es heute nicht mehr- heute Rot mit Bericht). er hat sich zwar entschuldigt, aber trotzdem wurde aus dem Verein geworfen, und durfte 2 Jahre nichts mit Handballvereinstechnisch machen. Dazu weitere 3 Jahre auf Bewährung.
So müsste das auch im Fußball sein. Das nächste ist die Schauspielerei. Bei kleiner Berührung umfallen, rollen bis Kapstadt und nach dem Pfiff aufstehen und weitermachen. Auch sowas gibt es nicht beim Handball. Jedenfalls nicht in der Intensität.
Selbst bei den meisten harten Aktionen geht man zum Gefoulten und entschuldigt sich. Und dann ist gut. Das leben die Bundesligisten meist vor.
10.) Gibt es beim Handball diese Gewaltszenen, wie aus dem Fußball bekannt?
Berg: Nein, nicht so geballt. Ich habe aber viele Kollegen in vielen Verbänden. Von daher ist mir sowas nicht bekannt.
11.) Welche Strafen erwarten Handballspieler bei Vergehen?
Berg: Es kommt auf das Vergehen an. Die erste Instanz sind die Schiedsrichter auf der Platte. Und wir haben eine Klaviatur, die wir beherrschen müssen. Also von Ermahnung, über Gelb zu zwei Minuten. Danach Rot, Und dann als härtestes eben Rot mit blauer Karte (also mit Bericht).
Und da kommt es darauf an was dort drin steht. Selbst bei pöbelenden Zuschauern und fehlendem Ordnungsdienst kann das sehr teuer werden. Auch beim ersten Fall
12.) Wie verhalten sich die Zuschauer beim Handball?
Berg: Naja gibt es auch hier Idioten. Die es übertreiben, aber das sind eher Einzelfälle. Hooligans bleiben unserem Sport fern. Und man muss ja auch sagen, wenn keine Emotionen von der Tribüne kommen würden, wäre es mir zu ruhig. Wir leben und lieben ja alle unseren Sport. Von daher gehört das dazu, solange es nicht beleidigend wird. und als SR kann man ja auch etwas mitnehmen. Wenn zum Beispiel jemand ruft, gugg doch mal hin der Kreis hält ständig fest oder so.
Frage 13, Ergänzung nach Veröffentlichung:
13. ) Frage freier Eintritt zu den Spielen.
Fazit: Die Handballregeln erscheinen uns anspruchsvoller wie die Regeln beim Fußball. Trotzdem, beim Handball, obwohl sehr körpernah gespielt wird, geht es offenbar gesitteter zu wie beim Fußball. Die Strafen sind schon im Spiel mit Zeitstrafen rigoros. Und wer richtig böse auffällt, wird richtig lange gesperrt.
Wir danken dem Handball-Kollegen und Schiedsrichter Arvid Berg ganz ganz herzlich für das Interview.
Beim Fußball grüßt man mit Allzeit ein Gut Pfiff. Und im Handball? „Ja gut pfiff sagen wir auch!“
Nach Kontakt zum ehemaligen Handball-Schiedsrichter Matthias Micka aus Solingen wollten wir es noch genauer wissen.
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Gut Pfiff!