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Jedes Spiel ein Auswärtsspiel

Harm Osmers ist einer von 26 Bundesliga-Schiedsrichtern und erlebt hautnah, dass Fußball ein Fehlersport ist. Bei jedem Einsatz läuft er rund elf Kilometer.

Von: Serhat Yüksel, Schulzentrum Grenzstrasse Bremen (Text eingeschickt)

Ich benutze schon immer dieselbe Pfeife“, betont Harm Osmers. Er ist einer von 26 Bundesliga-Schiedsrichtern in Deutschland. Rituale, wie sie viele Fußballer haben, hat ein Schiedsrichter auch. Osmers arbeitet als Diplom-Betriebswirt bei der Continental AG in Hannover. Vor 18 Jahren absolvierte er den Schiedsrichterlehrgang, also bemerkenswerterweise bereits im Alter von 16 Jahren. In der Saison 2009/2010 begann er in der Dritten Liga, danach dann in der Zweiten Liga. Seit der Saison 2016/2017 darf der in Bremen geborene Mann in der höchsten Spielklasse Deutschlands Spiele leiten. Die Bundesliga-Schiedsrichter reisen zu ihren Spielen einen Tag vorher an und verbringen die Nacht im Hotel. Für Osmers ist jeder Einsatz ein Auswärtsspiel. Er darf nicht in seiner Heimatstadt Hannover Spiele leiten, sondern reist jedes Wochenende von Hannover quer durch die Republik mit dem Auto, Zug oder Flugzeug zu den Spielen an.

Er verdient 5.000 Euro je Spiel

Am Spieltag frühstückt das Gespann der Unparteiischen gemeinsam. Um 13 Uhr macht das Team sich auf den Weg zum Stadion und überprüft dort die Technik und bereitet sich auf das Spiel vor. „Eine Stunde vor Anpfiff gehen wir uns warmmachen“, erklärt Osmers. Als Bundesliga-Referee verdient man 5000 Euro je Spiel. Eine Bezahlung, die den Aufwand eines Schiedsrichters abdecken soll. Mit 47 Jahren gehen Schiedsrichter dann „in Rente“. Aus diesem Grund haben die allermeisten Referees noch einen anderen Job, dem sie nachgehen. „Es gibt seit zwei Jahren auch ein Grundgehalt, was beispielsweise im Falle einer Verletzung die eigene Versorgung gewährleisten würde“, ergänzt Harm Osmers. Die wichtigste Eigenschaft eines Schiedsrichters ist laut den Worten des 34-Jährigen übrigens die Unparteilichkeit. „Auch wenn man es nicht vermutet, als Schiedsrichter gibt es hin und wieder auch positive Anerkennung und Wertschätzung“, meint Osmers, der besonders über die gute Kameradschaft glücklich ist. Der ehemalige Hobbykicker läuft im Spiel ungefähr elf Kilometer – fast genauso viel wie die Spieler. „Danach bin ich aber auch platt“, gesteht er mit einem Schmunzeln.

„Wir müssen Grenzen setzen“ 

„Als Schiedsrichter benötigt man ein dickes Fell. Man muss sich aber auch nicht alles gefallen lassen. Wenn ein Spieler die Grenzen überschreitet und mich oder seinen Gegenspieler beleidigt, dann gehe ich konsequent vor und zeige ihm die Rote Karte. Wir müssen Grenzen setzen.“ Er tritt Diskriminierung auf dem Fußballplatz entschieden entgegen. „Wenn das mal vorkommt, dann gilt in diesem Punkt null Toleranz. Da gehe ich konsequent vor.“ Die Kritik der Zuschauer erklärt sich Harm Osmers wie folgt: „Egal wer unten auf dem Rasen steht und die Entscheidung trifft, die Zuschauer im Stadion würden immer pfeifen.“ Auf die Frage, wie es sich anfühlt, im Stadion von mehreren Tausenden Menschen ausgepfiffen zu werden, betont der ehemalige Hobbykicker: „Es geht immer gegen die Rolle des Schiedsrichters und nicht gegen mich persönlich.“ Außerdem gewöhne man sich an die aufgeladene Atmosphäre. Von Seiten des Deutschen Fußball-Bundes wird sportpsychologische Betreuung angeboten, wie es in Fußballvereinen auch üblich ist. Der Fokus liegt hierbei auch auf der mentalen Leistungssteigerung. „Viele Personen fragen sich, wieso man freiwillig Schiedsrichter wird.“ Begonnen hat es bei ihm im Alter von 15 Jahren. Er spielte selbst Fußball und wurde neugierig durch die Schiedsrichter bei seinen Spielen. Er sah es als spannende Aufgabe an, sich als Schiedsrichter zu beweisen und dabei sein Taschengeld aufzustocken. „Das Herausfordernde an der Tätigkeit ist, dass alle Außenstehenden erst mal einmal sagen, diesen Job möchte ich nicht machen.“

In Schottland lag der grünste Rasen

Die Kabinen der Schiedsrichter in der Bundesliga sind großräumig, modern und funktional ausgestattet, erklärt Osmers, der sich an die vorherige Zeit in der Kreisliga erinnert, wo die Kabinen im Regelfall klein und nicht einladend waren. Er berichtet von einem internationalen Spiel in Schottland, wo der beste und grünste Rasen bereitlag, den er jemals betreten hat. Dort durfte er als vierter Offizieller agieren und konnte auf diese Weise auch die traditionelle Stadionatmosphäre auf der Insel wahrnehmen. Der vierte Offizielle unterstützt den Schiedsrichter und die Assistenten. Der Zeitaufwand für Schiedsrichter ist enorm. Die 90 Minuten auf dem Platz sind das Ergebnis langer Vorbereitungen. Osmers arbeitet in Teilzeit und schätzt daher seine flexiblen Arbeitszeiten. Er verbringe dennoch den größten Teil seiner Freizeit mit seiner Familie. Unter den Kollegen herrsche ein gutes Klima, findet er. Die 26 Bundesliga-Schiedsrichter, die es insgesamt gibt, sehen sich regelmäßig auf Seminaren und Fortbildungen. „Wir verbringen viel Zeit miteinander, und es entstehen Freundschaften.“ Zweimal im Jahr findet die anspruchsvolle Leistungsprüfung der Bundesliga-Schiedsrichter statt. Um diese Prüfung zu bestehen, hält er sich durch regelmäßiges Training fit. „In der Bundesliga herrscht ein sehr hohes Tempo, da hast du keine Chance mitzuhalten, wenn du nicht topfit bist.“ Er erinnert sich an sein allererstes Spiel als Schiedsrichter: „Ein Sprung ins kalte Wasser – ich habe natürlich einiges falsch gemacht.“

Sinnvoll unterstützt vom Video-Assistenten

Mit seinem ersten Bundesliga-Spiel ist für ihn ein großer Traum in Erfüllung gegangen: in der höchsten Spielklasse in Deutschland Spiele zu leiten. Dieses sei nicht immer einfach: „Fußball ist ein Fehlersport. Es kommt auch vor, dass wir einen Fehler machen. Das ist vergleichbar mit dem Stürmer, der den Elfmeter danebenschießt. Nur dem Schiedsrichter klopft keiner aufmunternd auf die Schulter. Es ist mein Ziel, die Qualität meiner Spielleitungen immer weiter zu verbessern.“ Er ist überzeugt davon, dass der Video-Schiedsrichter eine sinnvolle und gute Unterstützung für die Schiedsrichter auf dem Platz ist. Osmers ist sich sicher: „Der Video-Assistent wird sich über die Jahre etablieren und zur Normalität im Sport werden.“

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