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Kramarićs Schwalbe: VAR darf dem FC Bayern nicht helfen

Dem Hoffenheimer Ausgleichstor in München geht eine Schwalbe voraus, doch dem VAR sind regeltechnisch die Hände gebunden. Der VfB Stuttgart darf sich derweil glücklich schätzen, im Spiel gegen den BVB nicht frühzeitig dezimiert worden zu sein.

Von: Alex Feuerherdt, Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Alex Feuerherdt.

Nach dem Spiel des FC Bayern gegen die TSG 1899 Hoffenheim (1:1) bestritt Andrej Kramarić gar nicht erst, dass er den Freistoß, den er nach 70 Minuten zum 1:1-Ausgleichstor für die Gäste verwandelte, zuvor durch eine Täuschung des Schiedsrichters ermogelt hatte. „Vor dem Freistoß gab es einen ganz kleinen Kontakt in einer sehr gefährlichen Zone“, sagte er im Interview mit Sky. „Ich wusste, dass es eine Torchance gibt und musste fallen.“ Kramarić fand das „clever in der Situation“. Unsportlich wäre dafür allerdings ein weitaus treffenderer Begriff.

Thomas Müller hatte in der betreffenden Situation zwar die Hand am Oberkörper des Hoffenheimers, aber die Pirouette, die dieser drehte, bevor er zu Boden ging, wurde nicht vom Münchner Kapitän verursacht, sondern sie war Kramarićs eigenes Werk. Was sich für den ansonsten gut und sicher leitenden Schiedsrichter Bastian Dankert in der Realgeschwindigkeit auf dem Feld anders dargestellt hatte, machte die Zeitlupe deutlich. Doch Video-Assistent Guido Winkmann konnte nicht eingreifen, denn die Überprüfung der Berechtigung von Freistößen – wie auch von Eckstößen, Abstößen und Einwürfen – gehört nicht zum Aufgabenbereich des VAR.

Nur beim Strafstoß als Spielfortsetzung mit der größten Torwahrscheinlichkeit darf der Video-Assistent intervenieren. Es wäre regeltechnisch auch gar nicht zulässig, erst nach einer Torerzielung zu überprüfen, ob zuvor zu Unrecht etwa auf Freistoß oder Eckstoß erkannt wurde. Denn wenn das Spiel mit Zustimmung des Schiedsrichters fortgesetzt worden ist, darf eine vorherige Entscheidung grundsätzlich nicht mehr revidiert werden. Man müsste also jede einzelne Freistoß-, Eckstoß-, Abstoß- und Einwurf-Entscheidung vor der Spielfortsetzung kontrollieren, denn daraus könnte ja ein Tor resultieren. Das aber würde ständig für Verzögerungen sorgen, was wohl niemand will.

Stuttgart bleibt ein früher Feldverweis erspart

In der dramatischen Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund (3:3) wiederum kam es schon nach wenigen Sekunden zu einer Situation, in der VAR Tobias Welz überlegen musste, ob er Schiedsrichter Harm Osmers ein On-Field-Review empfehlen soll oder nicht. Bei einem Zweikampf gingen der Stuttgarter Serhou Guirassy und der Dortmunder Emre Can aus entgegengesetzten Richtungen zum Ball, Guirassy war etwas schneller und spielte zunächst den Ball mit der Sohle. Sein Fuß schwang danach weiter, und es kam zu einem Treffer mit den Stollen auf Cans Schienbein.

Referee Osmers ließ jedoch weiterspielen, vermutlich hatte er nur das Spielen des Balles durch Guirassy wahrgenommen und nicht den anschließenden regelwidrigen Kontakt. Angesichts des sogenannten Trefferbildes – ein Vollkontakt mit der offenen Sohle deutlich oberhalb des Sprunggelenks – und der Intensität wäre eine Rote Karte aber angemessen gewesen. Dass der Video-Assistent dennoch nicht eingriff, dürfte wesentlich damit zusammenhängen, dass Guirassy zuerst den Ball gespielt hatte. Allerdings rutschte er danach nicht bloß unglücklich mit dem Fuß vom Ball auf das Schienbein von Can, sondern er traf den Gegner in einer fließenden Bewegung von unten nach oben.

Doch durch den Ballkontakt von Guirassy gab es in dieser Szene noch einen gewissen Ermessensspielraum für die Unparteiischen. Und der mag dazu geführt haben, dass in dieser brisanten Begegnung nicht schon nach knapp einer Minute eine VAR-Intervention erfolgte, die wahrscheinlich zu einer frühzeitigen Dezimierung des VfB Stuttgart und damit zu einem starken Eingriff ins Spiel geführt hätte. Als Konstantinos Mavropanos am Ende der ersten Hälfte innerhalb weniger Minuten gleich zweimal einen aussichtsreichen Angriff des BVB mit unfairen Mitteln unterband, blieb Osmers jedoch keine Wahl: Völlig zu Recht verwies er den VfB-Verteidiger mit Gelb-Rot des Feldes.

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Gut, dass Felix Brych der Bundesliga erhalten bleibt

Ebenfalls richtig lag Schiedsrichter Florian Badstübner im Spiel des SV Werder Bremen gegen den SC Freiburg (1:2), als er den Gästen kurz nach der Pause keinen Handelfmeter zusprach. Denn als Vincenzo Grifo abzog und Niklas Stark den Ball im eigenen Strafraum mit dem linken Arm ablenkte, hatte der Bremer eben diesen Arm am Körper angelegt. Das signalisierte der Referee auch den protestierenden Freiburgern, bevor die Gastgeber im direkten Gegenzug den Führungstreffer erzielten. Es war korrekt von Badstübner, dieses Tor anzuerkennen und nicht auf Strafstoß für die Gäste zu entscheiden, die das Spiel gleichwohl noch drehen konnten.

Insgesamt war es erneut ein Spieltag, an dem die Unparteiischen und ihre Video-Assistenten kein großes Thema waren. Schon die Auftaktpartie am Freitagabend zwischen den beiden akut abstiegsbedrohten Klubs FC Schalke 04 und Hertha BSC (5:2) hatte in Schiedsrichter Felix Brych einen souveränen Spielleiter. Der 47-Jährige brachte die Begegnung mit all seiner Erfahrung, Akzeptanz und Autorität über die Bühne, trat Konflikten wirksam entgegen, bevor sie sich richtig entfalten konnten, und begegnete den Spielern mit Umsicht und Menschenkenntnis. Dass er der Bundesliga aller Voraussicht nach mindestens noch ein weiteres Jahr erhalten bleiben wird, obwohl er die informelle Altersgrenze bereits erreicht hat, ist sehr zu begrüßen.

Quelle: ntv.de, Alex Feuerherdt lebt in Köln und ist dort seit vielen Jahren verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Unparteiischen. Außerdem wird der 52-Jährige als Schiedsrichter-Beobachter in Spielklassen des DFB eingesetzt und arbeitet für den Verband auch als Schiedsrichter-Coach.

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