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Neue Regeln: Was alle Kicker wissen sollten und was ein Schiedsrichter davon hält

Ab heute gelten dann auch offiziell die vom Fußball „Gesetzgeber“ Neuerungen, die für Kicker in allen Ligen interessant sind. Wir haben mal mit Rick Jakob aus Gera auf die wichtigsten Veränderungen geschaut. Es sind viele kleine Sachen, deren Umsetzung sich mit der Zeit einspielen wird – jedenfalls nichts, was den Fußball revolutionieren wird.


Rick Jakob Öffentlichkeitsarbeit & Lehrwart

Ein Kommentar von Rick Jacob

In diesem Kommentar möchte ich die Leser von IG Schiedsrichter dazu motivieren, die neuen Regeltexte als „Update“ zu dem bisherigen Regeln zu verstehen. Auch wenn ich selbst als Spezialist für Fußballvarianten in der Halle und im Sand gar nicht in den Genuss der neuen Bestimmungen komme (sowohl Futsal als auch Beachsoccer wurden seit 2016 nicht mehr angepasst), freue ich mich, dass der Fußball nun Schritt für Schritt weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse eines immer athletischeren und schnelleren Spiels eingeht.

Steigen wir ein mit einer Verbesserung im Zuge der Abschaffung der Dreifachbestrafung – lag ein ballorientiertes Vergehen im eigenen Strafraum vor, geht man in der persönlichen Strafe einen Strafengrad zurück: für die Notbremse gibt es Gelb statt Rot, bei der Verhinderung einer guten Torgelegenheit entfällt die Verwarnung. Behält man diese Regelung im Hinterkopf, benachteiligt diese einen Stürmer, der sich bei eben jener Verhinderung einer guten Angriffsgelegenheit im Strafraum verletzt hat. Der Gegner wird nicht verwarnt und der Stürmer müsste zur Behandlung den Platz verlassen – bis jetzt! Schön, dass der Gefoulte nun ab 1. Juli in jedem Fall zum Strafstoß antreten darf.

Ein Streitpunkt, wenn nicht sogar DER Streitpunkt der Frauen-WM ist das Thema Torwartspiel beim Strafstoß. Die eigentlich als klare Erleichterung für den Torhüter angedachte Änderung, dass nur noch EIN Fuß statt zuvor BEIDE Füße bis zur ersten Ballbewegung auf oder über der Torlinie sein muss, wird durch den VAR-Einsatz bei der WM rein faktisch (analog zum Abseits dann eben millimetergenau) und damit äußerst streng überwacht (siehe auch Collina-Interview aus dieser Woche). In allen Spielen ohne VAR und damit allen Amateurligen wird hier eine Anwendung der Regelung mit „gesundem Menschenverstand“ zu erwarten sein – diese geben die Verbandslehrwarte in den momentan laufenden Qualifizierungslehrgängen so für Ihre Bereiche vor. Für die Praxis ändert sich also vergleichsweise wenig. In jedem Fall empfiehlt es sich nun auch in allen Spielklassen, eine etwaige Entscheidung gegen den Torwart durch eine vorherige Warnung durch Schiedsrichter oder Assistent kommunikativ vorzubereiten.

Offensichtlich wird beim Lesen der Regeländerungen, dass dem Zeitspiel ganz offen der Kampf angesagt wurde. So boten die Ausführungsbestimmungen beim Abstoß und der Freistöße im eigenen Strafraum immer wieder Raum für Spielverzögerungen durch bewusstes Spielen des Balles innerhalb des Strafraums. Auch das ewige Gehabe beim Auswechseln eines in Führung liegenden Spielers wird durch die neue Auswechselbestimmung verhindert. Natürlich werden weiter 70% aller Wechsel im Bereich der Mittellinie stattfinden. Für die restlichen 30% hat der Schiedsrichter nun ein handfestes Werkzeug zur Verfügung, um das Zeitschinden durch die Ansage „Hier musst du raus!“ einzudämmen – bei Zuwiderhandlung gibt es dann eben die Gelbe Karte.

Nochmal zurück zum Abstoß und Freistoß im eigenen Strafraum. Ich sehe hier auch eine erhebliche Vereinfachung für die spielerische Spieleröffnung im untersten Nachwuchsbereich. Hier reichte oft die Kraft der Jüngsten noch gar nicht aus, um den Ball kontrolliert aus Ihrem Strafräumen herauszuspielen. Resultate hieraus waren dann oft „Regelbeugungen“ durch die Schiris mit Mitleid oder eben viele, viele Fehlpässe in unmittelbarer Tornähe.

Das Stellungsspiel der Schiedsricher-Assistenten erleichtert die neue Ausführungsbestimmung natürlich deutlich, da der „Stopp“ an der Höhe der Strafraumlinie entfallen kann.

Dass die Neuerung jetzt viele tolle Regelfragen unnötig gemacht hat („Der Torwart schlägt einem Freistoß aus dem Torraum und wird nach Verlassen des Strafraums durch eine starke Windböe umberührt zurück ins Tor geweht. Entscheidung? Eckstoß.“), finde ich als ehemaliger Kreislehrwart ein bisschen traurig.

Aus der Kategorie „Nice to have, aber etwas belanglos“ sind aus meiner Sicht die neuen Festlegungen zum Zwei-Meter-Abstand beim Einwurf, das frühzeitige Senken des Arms beim indirekten Freistoß, wenn der Ball klar nicht direkt ins Tor fliegen wird, die Unterscheidung Trink-/Abkühlpause und natürlich der Münzwurf – bei letzterem müssen wir uns wohl auch wieder an den Sprachgebrauch gewöhnen, denn schließlich ist es ja nun streng genommen keine „Seitenwahl“ mehr. Sind wir mal ehrlich: Gerade das mit den Einwürfen und dem Arm beim indirekten Freistoß haben wir doch ohnehin schon immer so gemacht, oder?

War da nicht noch etwas? Ach ja, der Abwurf des Torhüters direkt ins andere Tor führt zu einem Abstoß? Endlich können Beachsoccer und Futsal mal Vorreiter für den Fußball sein. Na gut, nun ist das Fußballfeld nun doch so lang, dass der Hüter den Ball für den Torerfolg knappe 85 Meter weit werfen muss. Aber man kann ja nie wissen – Stichwort „Schnee auf der Latte“.

Die Theken sind durch die Regeländerungen 2019/20 um einen Spruch ärmer geworden: Der Schiri ist keine Luft mehr. Sieht man das Stellungsspiel der Schiedsrichter mancher internationaler Partie, ist die Änderung „SR-Ball bei Ballbesitzwechsel/Auslösen einer Torchance“ sehr zu begrüßen. Aus meiner Sicht ist ein im Ballweg stehender Schiedsrichter eben auch ein äußerer Einfluss. Analog zu dem Einfluss von Gegenständen auf dem Spielfeld, wird auch hier nur unterbrochen, wenn der Schiri wirklich gestört hat.

Dass der SR-Ball durch den neuen 4-Meter-Abstand und eben nur einem Spieler zur Ausführung deutlich entzerrt wurde, ist eine Anpassung des Regeltexts an die gängige Praxis („Du spielst den Ball jetzt dort hin.“) . Der neue Text schafft Handlungssicherheit für die Schiris, wenn die Teams eben nicht die bisherigen „Vorbereitungen“ des SR umsetzen wollten.

Angreifer raus aus der Verteidigermauer? Da müssen wir gar nicht drüber reden. Enorm sinnvolle Sache, endlich kein Trödel mehr in der Mauer. Damit haben wir einen Konfliktherd weniger. Hier hoffe ich, dass das alle SR gut kommunizieren und ihre Entscheidungen auf indirektem Freistoß gegen Angreifer in der Mauer durch einen vorherigen Hinweis vorbereiten. (Natürlich gibt es hier keine Verwarnung! Die Angreifer sind durch den umgehenden Ballverlust ja bereits durch das Ende ihrer guten Angriffsgelegenheit genug bestraft.) Dann sollte es hier in der Umsetzung von Anfang an gar keine Probleme geben.

Kommen wir nun mit den zwei Herzstücken der neuen Regelungen zum Ende meines Kommentars. Die persönlichen Strafen gegen Teamoffizielle und damit „gegen die Bank“, so wie es in vielen anderen Sportarten (Handball, Basketball, …) bereits gibt, halten nun auf im Fußball Einzug. Ich gebe zu, dass hier ein besonderer Vorbereitungsaufwand für die Schiedsrichter entstanden ist; schließlich ist die Liste der neuen Pflichtverwarnungen und -Feldverweise sehr genau festgelegt und sicherlich nicht mit dem Schiri-Beobachter verhandelbar. Hier sollte man die neue Liste bei den ersten 15 Spielen 2019/20 einfach mit in die Sporttasche packen und in der Absprache nochmal durchgehen. So schleift sich das Neue schnell ein.

Gezeigte Karten sind deutlich außenwirksamer als lediglich verbal ausgesprochene Ansprachen an den Coach. Das finde ich richtig gut. Auch dass der Cheftrainer für das Verhalten seiner Bank einstehen muss, wenn ein Teamoffizieller seines Stuffs sich daneben benimmt und dafür nicht gerade stehen will, nimmt die Trainer mehr in die Verantwortung.

Bleibt nur noch das leidige Thema Handspiel. Die für mich entscheidende Verbesserung der Regeländerungen 2019 ist, dass der Begriff „absichtliches Handspiel“ endlich auf „strafbares Handspiel“ abgeändert wurde. „Absichtliches Handspiel“ war das schon lange nicht mehr, was wir in den letzten Jahren mit direktem Freistoß geahndet haben. Gewiss wurde ein großer Teil des Graubereichs durch die Formulierung „Der Spieler begeht ein Risiko, wenn…“ abgetragen und schafft Sicherheit bei hoch erhobenen Armen. Auch fußballtypische Bewegungen wie das Grätschen und Blocken sind nun deutlich genauer ausdifferenziert worden. Das macht die Handspielbewertung aus meiner Sicht etwas leichter. Ein großer Teil der Grauzone bleibt jedoch immer noch offen. Hier gibt es also in der Zukunft noch Optimierungspotential.

Aus Sicht des aktiven Fußballers (ok, wenn auch nur Beachsoccerspieler) bin ich auch ganz klar dafür, dass jedes Tor ohne Arm-/Handberührung erzielt werden muss. Vorprogrammiert sind die Diskussionen dann nur, wenn der Ball in einer Sequenz von einem Verteidiger im eigenen Strafraum nicht strafbar mit der Hand gespielt wird, dennoch ein Angreifer den Ball erhält, dabei den Ball unabsichtlich an den Arm bekommt und daraus ein Tor erzielt… sicher eher ein Problem an der Basis als beim Lizenzfußball.

Eher für „gut gemeint“ halte ich die Absätze „wenn der Ball an den Arm springt, nachdem der Ball von einem anderen Körperteil des Spielers oder eines anderen Spielers abprallt“. Das setzt eine sehr exakte Wahrnehmung einer Spielsituation durch den SR voraus. Hier habe ich in den unteren Amateuerligen so meine Zweifel, ob das gut umsetzbar ist. Dieser Abschnitt ist aus meiner Sicht ganz klar für hohe Leistungsklassen gedacht.

Der Argumentation von Lutz Wagner, warum der Torhüter in Rückpass-Situationen nach einem verunglückten Ballspielversuch den Ball in die Hand nehmen darf, folge ich auch vollständig. Die Intention des Goalies war ja klar, den Ball mit einem erlaubten Körperteil zu spielen. Also ist es nach „Luftlöchern“ und „Ballkerzen“ erlaubt, den Ball dann in die Hand zu nehmen. Das ist okay so und passt in den Kontext der Rückpassregelung – vergleichbar ist es mit „der Torhüter schießt beim Klärungsversuch einem Mitspieler den Ball in unkontrollierter Weise gegen den Fuß und nimmt den zurückspringenden Ball mit der Hand auf“. Klar wird es auch hier besonders pfiffige Keeper geben, die diesen Part der Rückpassregel durch großes Schauspiel umgehen werden. Hier obliegt es den gesunden Menschenverstand des SR zu beurteilen, ob der Hüter tatsächlich den Ball spielen wollte oder ob hier eine Umgehung der Rückpassregel vorliegt.

Zusammenfassend möchte ich den Skeptikern und Kritikern („Demnächst muss ich das Regelheft mit auf den Platz nehmen“) zurufen: Wenn ihr euch die Neuerungen nicht aus Interesse für euer Hobby aneignen wollt, dann tut es für den Fußball selbst. Der Großteil der Änderungen macht den Fußball einfacher, gerechter und damit ein Stück fairer. Und wo noch Luft nach oben ist, da wird das IFAB sicher noch mehr Ideen haben (die Bewertung gut/schlecht bleibt dem Leser überlassen). Irgendwann demnächst werden die Ideen schon diskutiert, denn im März jedes Kalenderjahres wird ja schon das neue Regelwerk der Folgesaison beschlossen.


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