In der Analyse der 4. DFB Schiedsrichter-Zeitung 2021 widmen sich die Autoren Alex Feuerherdt und Rainer Werthmann der besonderen Rolle und Funktion des Torhüters. Die Torhüter dürfen als einzige Spieler den Ball in einer bestimmten Zone überhaupt mit der Hand berühren und nehmen beim Verlassen des Tores oftmals eine hohes Risiko auf sich. Im Folgenden fassen wir die 8 ausgewählten Szenen aus den drei höchsten deutschen Spielklassen kurz zusammen.
Von: Simon Schmidt
Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen 1:0 (SR: Martin Petersen)
In der ersten Szene geht es um einen Angriff über den Gladbacher Stürmer Hofmann, der vom Bremer Torwart Pavlenka außerhalb des Strafraums abgeräumt wird. Beide Spieler hatten zuvor den lang geschlagenen Ball verfehlt. Schiedsrichter Petersen pfiff sofort und entschied sich aber gegen einen Feldverweis auf Dauer für den Bremer Torwart, da für ihn hier nur die Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs vorlag. Laut den Autoren lag er damit genau richtig, da Hofmann keine Ballkontrolle hatte und wahrscheinlich überhaupt nicht an den Ball gekommen wäre. Außerdem stand daneben noch ein weiterer Bremer Verteidiger, der eingreifen hätte können. [TV-Bilder]
Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach 2:2 (SR: Patrick Ittrich)
Eine ähnliche Szene ereignete sich am 28. Spieltag der vergangen Saison in Berlin. Mit dem Unterschied, dass hier vom Gladbacher Torwart Yann Sommer eine „Notbremse“ außerhalb des Strafraums vorlag und Schiedsrichter Ittrich richtig sofort die rote Karte zog. Denn hier traf der herauseilende Torwart den Berliner Angreifer Cordoba am Fuß, als dieser sich den Ball selber vorlegte und verhinderte so eine klare Torchance. Hier hätte weder ein Verteidiger der Gladbacher noch eingreifen können noch hatte der Spieler keine Ballkontrolle. [TV-Bilder]
1. FC Nürnberg – Eintracht Braunschweig 0:0 (SR: Marco Fritz)
In der 2. Bundesliga kam es am 23. Spieltag bei der Partie zwischen Nürnberg und Braunschweig zu einer Strafraumszene zwischen dem Angreifer Schäffler und Braunschweigs Torwart Fejzic. Dabei spielte der Torwart zunächst den Ball und rollte sich dann mit dem Ball zur Seite. Dadurch flog der Nürnberger über seine Schulter und kam zu Fall. Schiedsrichter Fritz ließ weiterlaufen und liegt hier richtig, da der Einsatz des Torwarts dem Ball gerichtet war und er diesen letztlich auch spielte. [TV-Bilder]
Borussia Dortmund – 1. FC Union Berlin 2:0 (SR: Daniel Schlager)
Passend zum vorherigen Beispiel wählten die Autoren hier eine Szene aus der 1. Bundesliga aus, bei der der Dortmunder Angreifer Marco Reus nach einem leichten Kontakt mit dem Unioner Torwart Luthe zu Fall kam. Hier war der Dortmunder schneller und konnte den Ball vorbei am Keeper legen. Allerdings ist hier die Entscheidung Strafstoß von Schiedsrichter Daniel Schlager mit Vorsicht zu genießen, da Reus schon vor dem Kontakt eine stark nach vorne gebeugte Körperhaltung hatte und der sehr leichte Kontakt mit dem Torwart wohl kaum die Ursache für das Fallen gewesen sein dürfte. Eine für den Schiedsrichter sehr schwer zu bewertende Szene, da er hier nicht nur wahrnehmen muss, wer den Ball spielt, sondern auch, ob ein möglicher Kontakt auch wirklich die Ursache für das Fallen ist. [TV-Bilder]
VfB Lübeck – 1. FC Kaiserslautern 1:1 (SR: Florian Exner)
In der ersten ausgewählten Szene aus der 3. Liga geht es um den Kaiserslauterer Torwart Spahic, dem ein Zuspiel seines Mitspielers in den eigenen Strafraum leicht nach vorne versprang. Der Lübecker Angreifer Akono eilte zum Ball und war schneller als der Keeper Spahic, der schon voll zum Schuss durchzog, aber nur den Gegner traf. So geschildert ist die Szene eindeutig ein Strafstoß. Schiedsrichter Exner ließ allerdings weiterspielen, da er offensichtlich die Szene in dem kurzen Zeitraum anders wahrnahm. Hier empfehlen die Autoren eine besondere Aufmerksamkeit, sollte einem Torwart ein Ball verspringen und es zu einem Zweikampf in der Ausholbewegung kommen. [TV-Bilder]
SC Verl – SpVgg Unterhaching 2:1 (SR: Martin Speckner)
Passend zur vorherigen Szene wählten die Autoren eine Situation vom 28. Spieltag der 3. Liga aus. Hier liegt allerdings ein anderer Verlauf vor. Dem Unterhachinger Torwart Coppens versprang der Ball nach vorne, er erreichte diesen allerdings noch vor dem heraneilenden Angreifer und konnte den Ball weit weg schlagen. Im direkten Anschluss geht der Angreifer zu Boden. Hier ließ der Schiedsrichter weiterspielen, was die absolut richtige Entscheidung war. Der Keeper war nicht nur als erster am Ball, seine Fußbewegung war auch absolut ballorientiert. [TV-Bilder]
FC Augsburg – VfL Wolfsburg 0:2 (SR: Robert Hartmann)
In der vorletzten Situation geht es um das klassische Kniehochziehen von Torhütern, wenn sie einen Ball aus der Luft aufnehmen. Zu einem Zusammenprall aufgrund dessen kam es bei der Partie Augsburg gegen Wolfsburg zwischen Torwart Casteels und dem Angreifer Hahn. Der Wolfsburger nahm einen hohen Ball in der Luft auf und zog in der Sprungbewegung das Knie voran nach oben. Damit traf er Hahn an der Schulter, beide Spieler gehen daraufhin zu Boden. Schiedsrichter Hartmann unterbrach die Partie aufgrund der offensichtlichen Verletzung beider Spieler, entschied aber nicht auf ein Foul, was in dieser Szene genau richtig war. Denn das Knie von Casteels ist nicht untypisch weit oben und wird auch nicht als „Waffe“ gegen den Spieler eingesetzt. [TV-Bilder]
Dynamo Dresden – FC Bayern München II 1:1 (SR: Steven Greif)
Ähnliches gilt auch beim Wegfausten des Balles durch den Torwart. Am 22. Spieltag in der 3. Liga faustete Bayern II Keeper Lukas Schneller den Ball vor dem Dresdner Angreifer weg und erwischte danach seinen Gegenspieler mit den Armen. Weiterspielen ist auch hier die richtige Entscheidung, da beide Akteure hier kein Foulspiel begehen. [TV-Bilder]
Fazit: Bei Duellen mit dem Torwart ist beim Schiedsrichter immer eine besondere Aufmerksamkeit gefordert. Gerade bei sehr intensiven und schnellen Zweikämpfen ist ein gutes Stellungsspiel und eine hohe Konzentration wichtig, um den Verlauf korrekt wahrzunehmen. Wer spielte den Ball? Wer traf wen? War der Kontakt wirklich die Ursache für das Fallen? Das sind die Schlüsselfragen, die es bei diesen Szene zu beantworten gilt. Oftmals kann eine gute Teamarbeit mit dem Assistenten hilfreich sein, der mit dem seitlichen Blick manchmal die bessere Perspektive hat.
Die Ausgabe zum Nachlesen
In der neuen Ausgabe der Schiedsrichter-Zeitung gibt es unter anderen Erklärungen der Regeländerungen zur neuen Saison und Praxistipps für die Saisonvorbereitung.