Während die Spiele bei der Frauen-Weltmeisterschaft nur weibliche Schiedsrichterinnen leiten, sind die Video-Assistenten im Pariser Kontrollraum alles Männer, die schon Erfahrung mit dem Videobeweis haben.
441 Fälle schauten sie sich die Video-Assistenten an, das waren immerhin 10 pro Spiel. Dabei kam der Videobeweis dann auch 29 Mal zum Einsatz und trotzdem gab es trotzdem immer wieder Ärger.
Es ist die WM der Geduldsspiele, immer wieder warten, warten und noch länger warten auf den Kontrollraum mit dem Video-Schiedsrichter und seine Entscheidungen. Das Missfällt den Aktiven, doch der Oberkontrolleur der Kontrolleure rechtfertigt die langen Unterbrechungen.
Sicherheit geht vor Schnelligkeit
Pierluigi Collina: „Ich denke es ist besser akurat als schnell zu sein. Das Schlimmste wäre es doch, wenn man die entscheidenden Bilder in den Einstellungen erst dann findet, wenn das Match schon wieder weiter läuft.“
Spielfluss bleibt auf der Strecke
Minutenlang schaute deshalb die deutsche Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein Fernsehen beim Duell Norwegen gegen Australien. Als endlich entschieden war, war bei den Aktiven schon lange einer auf der Strecke geblieben. Der Spielfluss.
Die FIFA verteidigt sich. Die effektive Spielzeit betrage durch Abschläge, Freistöße und verletzte Spieler durchschnittlich 58 Minuten. Da Falle die Warterei auf den Videobeweis gar nicht groß ins Gewicht. Eine eigenwillige Sichtweise wie auch jene:
Collina: „Ich habe die Spielerinnen hier bei der WM eigentlich nur fröhlich erlebt. Sie haben während der Bilderchecks ja auch die Möglichkeit sich zu erfrischen, etwas zu trinken. Ich habe es nicht erlebt, dass sich jemand für die Schiedsrichterin interessiert. Die machen ganz unterschiedliche Dinge. Ich habe da keine Reaktion mitbekommen.“
Dann ist das Duell England gegen Kamerun wohl an ihm vorbeigegangen. Zahlreiche Entscheidungen wurden von den Bildschirmbossen korrigiert. Zwar stets zurecht, doch die Nerven bei den Afrikanerinnen lagen blank und drohten mit Streik. Mitschuld:
Fehlende Kommunikation
zwischen Schiedsrichterin und Spielerin. Alexandra Popp erfuhr erst nach dem Spiel, was es bei ihrem Tor zu überprüfen gab. Zurückblieb ein regulärer Treffer und die Frage, warum nicht gleich. Fakt ist aber auch, es gibt mehr korrekte Entscheidungen bei dieser WM, auch wenn es nicht jede wahrhaben will. Bis zum Viertelfinale wurde bei 29 Videoüberprüfungen 25 Mal eine Entscheidung korrigiert. Die Kehrseite: Die Schiedsrichterinnen geben damit selbst ein schlechtes Bild ab. Stets werden sie zurückgepfiffen von ihren Kollegen im Kontrollraum.
Die Unparteiische nur noch eine Marionette die die Richtung des Video-Schiedsrichters weitergibt?
Collina: „Ich finde es einfach viel wichtiger, dass die Schiedsrichterin mit ihren Entscheidungen keines der beiden Teams benachteiligt und damit auch sich selbst schadet.“
Über 98 Prozent richtige Entscheidungen
Anders gesagt die Videokontrollen sollen verhindern, dass ein Team aufgrund einer Fehlentscheidung aus dem Turnier ausscheidet und sich die Schiedsrichterin damit angreifbar macht. Ein heeres Anliegen und die Quote richtiger Entscheidungen laut FIFA ist dann mit Videobeweis von 92 auf 98,18 Prozent gestiegen.
Doch wieviel Kontrolle des Spiels ist zuviel Kontrolle?
Karli Seitz: Dazu sagt die WM-Projektleiterin des Schiedsrichterwesen „der Fußball wollte das wir akurater sind. Die Menschen akzeptieren diese Fehlentscheidungen nicht mehr. Es steht einfach viel zu viel auf dem Spiel. Viel Geld, für die Spieler geht es um viel. Wieviel Jahre haben wir diese Fehler beklagt. Nun wollen wir akurat sein.“
Akurate Kontrolle oder Emotionen inclusive Fehlentscheidungen. Was ist Fußball? Diese Frage beantwortet vielleicht jeder Fan anders. Immerhin lehrt diese WM, sich in Geduld zu üben und warten, und warten, und warten.
Kein Zurück mehr
Egal wie man den Videobeweis findet, es gibt kein Zurück mehr. Es gab vorher wirklich viele Fehlentscheidungen. Oft haben Trainer zu ihren Spielern gesagt, heute pfeift die oder die, lasst uns besser nicht auf Abseits spielen und das ist jetzt anders, da jedes Abseits und jedes Tor kontrolliert wird.
Übung macht den Meister
Das große Problem ist einfach, dass die meisten Schiedsrichterinnen bei der Frauen-WM mit dem Videobeweis, außer uns Deutsche, noch nicht gearbeitet haben. Das muss sich erst entwickeln und man muss denen die Zeit geben damit zu arbeiten. Beim nächsten Turnier wird es dann schon viel besser, davon bin ich überzeugt.
Riem Hussein leitete das Achtelfinale bei der 2019 FIFA Frauen WM zwischen Norwegen und Australien mit zwei umstrittenen Entscheidungen.
Nach erstmaliger Strafstoß Entscheidung an Horisdóttir’s Handball wurde die Videotechnik für eine außergewöhnlich lange Zeit konsultiert.
Gegeben daß es eine 50-50 Situation war, die Entscheidung sollte auf den ersten direkten Eindruck zurück gehen und die Elfmeter Regelung steht.
Die rote Karte gegen Australien’s Allana Kennedy war ebenso zweifelhaft, aber einer Absicht zugrunde gelegt, also am Ende berechtigt, obwohl diese harte Entscheidung für den Beobachter und für Australien einen verbitterten Wandel einbrachte.
120 Minuten guter Fußball:
Norwegen 1 : 1 Australien
(4 : 1)