Am zehnten Spieltag der aktuellen Bundesliga-Saison kam es in mehreren Stadien zu spielentscheidenden strittigen Szenen. Während die Aufreger am Samstag in der Konferenz die gewohnte Aufmerksamkeit erhielten, geriet eine Entscheidung von Schiedsrichter Badstübner auf Schalke nicht ins Visier der Fußball-Experten und Nutzer in den „sozialen Medien“. Dabei spricht regeltechnisch ziemlich viel für eine fehlende rote Karte.
FC Schalke 04 – TSG Hoffenheim 0:3 (SR: Florian Badstübner)
In der siebten Minuten große Aufregung im Schalker Strafraum, als die Gäste aus Hoffenheim zu einer gefährlichen Doppelchance kamen. Einige Gästespieler protestierten im Anschluss energisch bei Schiedsrichter Badstübner, der die Partie zunächst weiterlaufen ließ. Was war passiert? Der Hoffenheimer Baumgartner kriegt im Getümmel vor dem Schalker Tor den Ball, kann diesen aber nicht kontrollieren. Mit dem rechten Fuß kam er noch leicht an den Ball, als der Schalker Verteidiger Leo Greiml ihn mit offener Sohle erst am Knie streifte und schließlich voll am Schienbein traf. Der Ball prallt parallel von Baumgartners Fuß noch an das linke Bein von Greiml.
Badstübner muss dieser Tritt im Schalker-Strafraum komplett entgangen sein, denn anders ist nicht zu erklären, dass der Spitzenschiedsrichter aus Nürnberg hier weiterspielen ließ. Nach einiger Zeit meldete sich am Freitag Videoassistent Bastian Dankert, der Badstübner in die Review-Area schickte. Dort war für den Schiedsrichter schnell klar, dass es einen Strafstoß für die TSG geben muss. Doch bei der Wahl der Karte wird die Szene komplex. Badstübner entschied sich für eine Verwarnung so früh in der Partie (manch einer würde hier sagen „Empathie“ ;). Beide Mannschaften waren mit dieser Entscheidung offensichtlich zufrieden. Von Seiten der Hoffenheimer kamen keine erkennbaren Proteste mehr. Unmittelbar nach der Partie und in den sonst so schnellen sozialen Medien war ebenfalls nichts zu einer fehlenden roten Karte im Freitagsspiel zu lesen.
Dabei sind die regeltechnischen Kriterien für einen Platzverweise nahezu alle erfüllt. Greiml springt hier mit beiden Beinen ab, trifft Baumgartner mit der offenen Sohle voll am Schienbein und das Bein ist ziemlich durchgestreckt. Schon anhand dieser Parameter hätten sich die Schalker und Greiml hier in keinem Fall über eine rote Karte beschweren dürfen. Das Vergehen war auch von der Intensität her deutlich härter als der Platzverweis nach VAR am ersten Spieltag für Drexler (den keiner so richtig wollte). Aber wieso hatte Badstübner sich dann gegen den Platzverweis entschieden? Darüber kann ich nur Mutmaßungen treffen, trotzdem könnte ein Aspekt eine gute Erklärung liefern.
Und zwar die Art und Weise, wie Foulspiele in der Realität auf dem Platz und im Video auf dem Bildschirm wirken. Tendenziell haben auch die Bundesliga-Schiedsrichter in der Vergangenheit immer wieder erläutert, dass beim Review und der neuen „Videowahrheit“ die Gefahr besteht, Foulspiel härter einzuschätzen als sie es auf dem Platz waren. Dies wird wohl auch bei Robert Schröder am ersten Spieltag bei Köln gegen Schalke der Fall gewesen sein. Am Freitag forderte offensichtlich keiner von den Akteuren auf dem Platz einen Platzverweis. Schiedsrichter Badstübner muss der Treffer entweder komplett entgangen sein oder es sah für ihn auf dem Feld nicht so intensiv aus. Denn die Intensität ist das entscheidende Kriterium, wenn es darum geht, ob ein Kontakt mit der offenen Sohle oberhalb des Knöchels ein Foul, ein rücksichtsloses- oder gar brutales Vergehen darstellt. In diesem Fall könnte das eine Erklärung für die Entscheidung von Badstübner sein. In der „Videowahrheit“ spricht in jedem Fall sehr viel für ein brutales Foulspiel und Rot für Greiml. [TV-Bilder – ab Minute 1:13]
VfL Wolfsburg – Borussia Mönchengladbach 2:2 (SR: Benjamin Cortus)
Große Aufregung gab es im Nachgang zu einer Szene, die ganz gut zeigt, welche Folgen eine unglücklicher Foulpfiff für den Schiedsrichter haben kann. Es ging los mit einem Zweikampf zwischen dem Gladbacher Thuram und dem Wolfsburger Otavio wenige Meter zentral vor dem VfL-Strafraum. Thuram wollte an seinem Gegenspieler vorbeigehen, Otavio stellte leicht den Fuß raus. Thuram ging dennoch vorbei, stieg Otavio auf den Fuß und ließ sich sehr unnatürlich fallen. Schiedsrichter Cortus entschied auf direkten Freistoß für Gladbach und Gelb für Otavio, was hier eine klare Fehlentscheidung ist. Akzeptabel ist hier nur weiterspielen oder indirekter Freistoß für Wolfsburger und Gelb für Thuram. Wegen der Kontakts am Fuß (wobei Thuram halt selber draufsteigt), würde ich hier nicht zwingend einen Pfiff wegen des unsportlichen Täuschens erwarten, ein Foul von Otavio war es in jedem Fall nicht.
Aus dem gefährlichen Freistoß resultierte dann eine komplexe Zweikampfsituation im Wolfsburger Strafraum und daraufhin eine Rudelbildung. Den direkten Freistoß ließ Wolfsburgs Keeper Casteels nach außen abklatschen, wo es nahe der Torlinie zum Zweikampf zwischen Arnold und wieder Thuram kam. Beide gingen dabei mit Tempo zum Ball, Arnold war etwas hinten dran, streckte den Fuß rein und traf Thuram am Bein, bevor er den Ball spielte und beide zu Fall kamen. Cortus entschied auf Eckball, mit welchem er das Spiel nach einer Rudelbildung (ausgelöst von Lars Stindl und Alexander Arnold; Folge: Gelb für beide) auch fortgesetzte.
Was mich an den ganzen Diskussionen auf Social Media so störte, war der Aspekt, dass besonders die Anhänger von Gladbach die Vorgeschichte der Szene (in der Konferenz und der Sportschau-Zusammenfassung war es zum Glück drin) vergessen und nur noch auf den möglicherweise zu unrecht verweigerten Strafstoß Bezug nehmen. Denn sportlich berechtigt, wäre dieser Elfmeter aufgrund des geschundenen Freistoßes unmittelbar davor nicht gewesen. Betrachten wir dennoch den Zweikampf zwischen Arnold und Thuram ist festzustellen, dass Arnold erst den Gegenspieler, dann den Ball leicht traf. Ein Strafstoß wäre im Bereich des Möglichen- , aber sicher nicht aus neutraler Sicht gewollt gewesen. Die Schlussfolgerung aus dieser Szene sollte eher sein, was für Schwierigkeiten sich Schiedsrichter Cortus mit dem falschen Foulpfiff bereitet hat. [TV-Bilder – ab Minute 7:37]
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1. FC Union Berlin – Borussia Dortmund 2:0 (SR: Tobias Stieler)
Kurz vor dem Ende der Begegnung gab es nochmal Aufregung im Berliner Strafraum, als Union-Schlussmann Rönnow einen Schuss des Dortmunds Moukoko abklatschen ließ und der Berliner Verteidiger Knoche im Zweikampf mit Hummels diesen an der Schulter festhielt. Hummels stand dabei zwischen Knoche und dem Ball. Der Dortmunder wäre so wohl an den Ball gekommen. Halten ist laut Regel 12 erstmal ein Vergehen, welches mit einem direkten Freistoß oder in diesem Fall Strafstoß geahndet werden soll. Doch jede kleinste Form des Haltens im Strafraum (beispielsweise auch bei einem Eckball oder Freistoß) zu ahnden, ist sicherlich keine akzeptierte Linie und nicht im Sinne des Fußballs.
In dieser Szene hält Knoch Hummels aber schon deutlich an der Schulter, dieser geht auch erstmal natürlich mit dem Oberkörper ein Stück nach hinten. Als er jedoch merkte, dass er den Ball so nicht mehr erreicht, ließ er sich recht plump und unnatürlich wirkend fallen, was auch das stärkste Argument in dieser Szene gegen einen Strafstoß darstellt. Dafür spricht, dass Hummels den Ball wohl ohne das Halten erreicht hätte und die Zweikampfführung von Knoche doch die Grenze eines fairen Duells überschritt. Für mich wäre somit Strafstoß die bessere Entscheidung in dieser Szene gewesen. Es bleibt aber in solchen Fällen immer eine Entscheidung im Ermessensspielraum des Schiedsrichters, da es auch Argumente gegen den Pfiff gibt. Wohl ein klassischer Kann-Elfmeter! [TV-Bilder – ab Minute 6:36]
Fazit: Insgesamt war es ein gutes Wochenende der DFB-Schiedsrichter in der Bundesliga. Viele wichtige Spiele (wie Stuttgart gegen Bochum oder Leverkusen gegen Frankfurt) wurden so weit es ging unauffällig und ruhig geleitet. Dennoch wären ohne Videoassistent auf Schalke und in Frankfurt doch klare Fehlentscheidung passiert, die nicht hätten korrigiert werden können. Was bleibt ist die Aussage zu wiederholen, dass der VAR den Fußball in jedem Fall gerechter, die Entscheidungen aber nicht alle richtig oder gar perfekt macht. Es sind ja aber immer noch Menschen am Werk, auch im Köllner Keller…