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VAR jetzt zu aktiv?

Am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison gab es am Samstag und Sonntag gleich mehrere spannende Eingriffe. Neben einem Handspiel und einer für viele kuriosen roten Karte für Leverkusens Torwart Hradecky, sorgte vor allem ein Platzverweis am Sonntag nach On-Field-Review für große Diskussionen und viel Ärger unter den Schalker Fans. Dabei zeigt sich in den häufigeren Eingriffen einmal mehr die neue Anweisung der DFB-Führung.

1. FC Köln – FC Schalke 04 3:1 (SR: Robert Schröder)

Nach seiner exzellenten Spielleitung am vergangenen Samstag im Supercup zwischen Bayern und Leipzig (IG-Schiedsrichter und kicker-Note 1) hatte Robert Schröder gestern in Köln ein nochmal schwereres Spiel zu pfeifen.

Die erste schwere und womöglich spielentscheidende Situation ereignete sich schon in der zehnten Minute, als Zalazar zur Schalker Führung traf. Doch VAR Sören Storks meldete sich und nach langem Studium der Bilder von Schröder und seinem Assistenten nahm der Hannoveraner Spitzenschiedsrichter den Treffer zurück. Der Grund: Eine aktive Abseitsstellung vom Schalker Yoshida. Beim Schuss von Zalazar stand dieser zweifelsfrei im Abseits. Aber wurde der Schalker hier wirklich aktiv? Ganz schwer zu bewerten. Denn hier herrscht in dieser Spielsituation allgemein viel Verkehr vor dem Tor mehrere Kölner und Schalker Spieler stehen eng vor dem Tor von Kölns Keeper Schwäbe. Doch weder die Kölner Spieler im Sichtfeld des eigenen Schlussmanns noch die Tatsache, dass der Schuss von einem Kölner Spieler eh unhaltbar abgefälscht wurde, spielen hier eine Rolle. Es gilt zu bewerten, inwieweit Yoshida in der Sichtlinie vom Ball zu Schwäbe stand. Am besten ist hierfür meistens die Hinterttorkamera geeignet und von der aus sieht es nach einer aktiven Abseitsstellung aus. Er geht zwar noch zur Seite weg, zum Zeitpunkt des Schusses steht er aber schon sehr nah vor dem Torwart. Eine sehr schwere Entscheidung. Hier bin ich selber mal auf die offizielle Einordnung des Verbandes gespannt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Doch auf diesem Aufreger folgte direkt der nächste, als Schröder nach einem Foul von Drexler an Hector in die Review-Area ging und den Schalker nach dem On-Field-Review mit Rot vom Platz schickte. Der Grund der Überprüfung war ein mögliches grobes Foulspiel von Drexler, der seinen Gegenspieler mit der Sohle in die Wade trat. Alleine dieser Fakt zeigt, dass eine rote Karte hier in keinem Fall grundsätzlich abwegig war. Klar ist sie aber auch nicht, denn es gilt immer die gesamte Spielsituation und nicht ein einzelnes Bild zu beurteilen. In der Situation ist grundsätzlich die Dynamik eher gering, dennoch geht dem Tritt von Drexler in die Wade von Hector ein bewusstes Anheben des Fußes voraus. Rot ist hier für mich eine harte, aber regeltechnisch vertretbare Entscheidung, wenn es auch durchaus Argumente für eine Verwarnung aufgrund der eher geringen Intensität und damit nicht zwingend hohen Verletzungsgefahr gibt.

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Die dritte knifflige Szene war das zwischenzeitlich 2:0 der Kölner, als Schiedsrichter Schröder zunächst mit seinem Assistenten auf Abseits entschied. Ein Einwurf der Kölner wurde nochmal weitergeleitet zu Adamyan. Der kommt zunächst gar nicht an die Kugel, weil Schalkes Schlussmann Schwolow seinen Kasten verlässt und den Ball greifen will. Der Torwart verschätzt sich aber, muss den Ball wieder freigeben und so gelangt der Ball über Adamyan und Brunner zu Kainz, der einschießen kann. Hier lag weder eine Abseitsstellung noch ein Foulspiel vom Kölner Adamyan vor, der einfach nur da steht. Vielmehr behindert hier der eigene Schalker Spieler seinen Keeper. Ein zurecht nach VAR-Eingriff anerkannter Treffer für die Kölner [TV-Bilder – ab 6:13 Minute]

Borussia Dortmund – Bayer 04 Leverkusen 1:0 (SR: Dr. Felix Brych)

In der Nachspielzeit gab es große Aufregung im Signal-Iduna-Park in Dortmund, als Leverkusens Torwart Hradecky einen Ball vor dem anlaufenden Dortmunder Stürmer Reus an der Strafraumgrenze aufnahm. Die Dortmunder reklamierten sofort, dass der Schlussmann den Ball außerhalb des Strafraums in die Hand genommen habe und tatsächlich meldete sich bei der nächsten Unterbrechung VAR Pascal Müller und bat den Münchner Schiedsrichter Brych in die Review-Area. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste allen Regelkennern klar gewesen sein, dass es sich bei der Überprüfung nur um eine fehlende rote Karte handeln konnte und die gab Brych dem verdutzten Torwart der Gäste dann auch [TV-Bilder – ab 4:02 Minute]

Als erstes gilt es in dieser Szene mal zu bewerten, ob das Handspiel des Torwarts außerhalb oder innerhalb war. Was für den Assistenten auf dem Platz offensichtlich aus seiner Position nicht klar zu erkennen war, ist im Video klar und faktisch aufzulösen. Hradecky nahm den Ball außerhalb des Strafraums auf, was einen direkten Freistoß wegen eines absichtlichen Handspiels nach sich ziehen muss. Bei der persönlichen Strafe kommt es nun darauf an, ob der Schlussmann damit einen aussichtsreichen Angriff oder gar eine klare Torchance verhindert hat. Denn nicht nur bei der offensichtlichen Verhinderung eines Tores durch beispielsweise ein Handspiel auf der Torlinie gibt es Rot. Auch wenn (wie bei einem Halten auch) „nur“ eine klare Torchance verhindert wird, ist der Spieler des Feldes zu verweisen. Und die war hier durchaus gegeben, denn wenn Hradecky den halbhohen Ball ohne seine Hände aufnehmen und kontrollieren müsste vor dem heraneilenden Reus wäre ein Ballbesitz des Dortmunders doch sehr wahrscheinlich. Am Ende eine etwas kuriose und unpopuläre Entscheidung von Brych, die aber regeltechnisch vollkommend korrekt ist.

FC Augsburg – SC Freiburg 0:4 (SR: Bastian Dankert)

Beim zwischenzeitlichen 0:3 gab es aus Köln für Schiedsrichter Bastian Dankert einen Hinweis, denn beim Schuss von Sallai stand ein Mitspieler von ihm im Abseits, der nicht nur einen Gegenspieler behinderte, sondern den Ball auch noch ganz leicht berührte. Spätestens dann ist über die aktive Abseitsstellung nicht mehr groß zu diskutieren, der Treffer wurde nach VAR-Review zurecht aberkannt. Komisch ist hier nur, dass Bastian Dankert sich die Szene draußen selber angeschaut hat. Wenn Sildillia den Ball berührt, muss der Schiedsrichter eigentlich nicht mehr am Monitor bewerten, ob die Abseitsstellung aktiv oder passiv ist. Auch wenn ein Augsburger den Ball ebenfalls noch berührte, ist das in dieser Situation sicher kein kontrolliertes Spielen, was eine Abseitsstellung aufheben würde. [TV-Bilder ab Minute 5:05]

VfL Bochum – FSV Mainz 05 1:2 (SR: Felix Zwayer)

Felix Zwayer hatte in der Anfangsphase bereits ein Handspiel im Mainzer Strafraum zu bewerten. Da der Ball unerwartet von Bells Kinn an den eigenen Arm sprang, der er zum Körper hin zog, ist weiterspielen eine nachvollziehbare Entscheidung. Hier war sicher keine Absicht gegeben den Ball mit dem Arm spielen zu wollen. [TV-Bilder – ab 0:20 Minute]

Eine weitere Handspielszene ereignete sich in der ersten Halbzeit. Dieses Mal wieder im Mainzer-Strafraum und dieses Mal hatte Zwayer die Pfeife schon im Mund, entschied sich dann aber doch zunächst dagegen den Strafstoß für den VfL zu geben. Doch Videoassistent Tobias Reichel bat den FIFA-Schiedsrichter in die Review-Area, vermutlich weil Zwayer selber aus seiner Position eine fehlende Wahrnehmung kommuniziert hat. Nach kurzer Ansicht der Bilder entschied er sich gegen einen Strafstoß. Obwohl die Hand hier schon sehr weit oben ist, kommt der Ball deutlich von der eigenen Brust und die Armhaltung ist in der Sprungbewegung auch nicht zwingend unnatürlich. Eine nachvollziehbare Bewertung von Zwayer.

Fazit: Während Brych weitgehend Anerkennung für seine unpopuläre aber korrekte Entscheidung bekam, schossen die Schalker Fans sich am Sonntag voll auf Schiedsrichter Robert Schröder und VAR Sören Storks ein. Deren Bewertung von drei schwierigen und spielentscheidenden Szenen richtet sich zwar dreimal gegen Schalke, dreimal aber mindestens nachvollziehbar. Insgesamt ist auffällig, dass die Videoschiedsrichter nach der neuen DFB-Anweisung doch deutlich häufiger eingegriffen haben. Zu weniger Diskussionen oder einem besseren Standing des Video-Assistenten wird das dennoch nicht führen, sobald unpopuläre Entscheidungen jeweils gegen eine Mannschaft (wie an diesem Spieltag Schalke) getroffen werden müssen.

Simon Schmidt

Sportjournalist Simon Schmidt aus Bayern stieg 2020 bei IG Schiedsrichter ein. Seither ist er Mitglied des Kompetenzteams. In seiner Freizeit engagiert er sich als Fußball-Schiedsrichter und ist leidenschaftlicher Fußball-, Formel 1- sowie Technik-Fan.

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