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In den heißen Spielen brennt den Schiris kaum was an

Die packenden Spiele an der Tabellenspitze und im Tabellenkeller haben die Unparteiischen am Osterwochenende gut im Griff. In den entscheidenden Situationen liegen sie richtig, gegen unsportliches Verhalten gehen sie konsequent vor. Auch die Video-Assistenten sind kein Thema.

Von: Alex Feuerherdt; Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Alex Feuerherdt.

Der 27. Spieltag hatte mit Blick auf die Kämpfe um die Spitzenplätze und gegen den Abstieg viel zu bieten: Die ersten vier Teams in der Tabelle duellierten sich untereinander, und auch unter den letztplatzierten fünf Klubs gab es zwei direkte Aufeinandertreffen. Solche Spiele bergen gerade gegen Ende der Saison naturgemäß eine besondere Brisanz, auch für die Schiedsrichter. Doch es lässt sich festhalten: Die Unparteiischen standen in allen diesen Partien nur selten im Mittelpunkt und lösten ihre fordernden Aufgaben ruhig und gut. Die Kritik an ihnen blieb in einem sehr überschaubaren Rahmen.

„Ich dachte bis jetzt, Weiterspielen wäre eine Entscheidung im Sinne des Fußballs. Für mich was es kein strafbares Handspiel, weil der Gesamtablauf und die Handbewegung gepasst haben“, sagte Siebert und fügte hinzu: „Ich unterstelle dem Spieler nicht, dass er am Boden bewusst den Ball mit der Hand spielen wollte“

so der 38-Jährige im Stahlwerk-Doppelpass auf sport1. Einen Vergleich mit der Szene im DFB-Pokal, als Jamal Musiala das Bayern-Aus mit einem späten Handspiel besiegelte, wollte Siebert nicht ziehen. „Das ist nicht vergleichbar. Musiala will den Schuss blocken, schon die Handposition war unnatürlich weit oben über Schulterhöhe – das ist komplett strafbares Handspiel. Höler hatte aber den Ball sauber abgegrätscht und will dann wieder aufstehen – unglücklicherweise liegt dann der Ball genau da an der Stelle“, erklärte Siebert.

In der Begegnung zwischen dem Tabellenvierten SC Freiburg und dem Spitzenreiter FC Bayern München (0:1) hätten die Gäste nach 53 Minuten gerne einen Strafstoß zugesprochen bekommen, als Lucas Höler den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand spielte. Schiedsrichter Daniel Siebert ließ jedoch weiterspielen, nach Rücksprache mit Video-Assistent Bastian Dankert kam es gleichwohl zu einem On-Field-Review. Der Unparteiische blieb danach jedoch bei seiner Entscheidung, das Handspiel nicht als strafbar zu bewerten.

Höler hatte den Ball im eigenen Strafraum zunächst durch ein Tackling mit dem Fuß sauber erobert, danach unternahm er eine Drehbewegung mit dem Oberkörper, um aufzustehen und den Ball aus der Gefahrenzone zu bringen. Im Zuge dieser Drehung führte er die rechte Hand nach vorne und traf damit den Ball. Eine knifflige Situation, denn die Bewertung dieses Handspiels ist eine Frage der Interpretation. Handelte Höler regeltechnisch betrachtet absichtlich? Dafür spricht, dass er die Hand nun mal zum Ball führte, den er auch im Blick hatte.

Kein Handelfmeter für Bayern – das ist vertretbar

Dagegen lässt sich jedoch ins Feld führen, dass er seinen Arm so bewegt hat, wie es natürlich ist, wenn man sich am Boden abstützen will, um anschließend aufzustehen. In der Sendung „Doppelpass“ argumentierte Daniel Siebert dann auch ganz in diesem Sinne: „Für mich war es kein strafbares Handspiel, weil der Gesamtablauf und die Handbewegung gepasst haben“, sagte er. „Ich unterstelle dem Spieler nicht, dass er am Boden bewusst den Ball mit der Hand spielen wollte.“ Höler habe den Ball „sauber abgegrätscht“ und danach aufstehen wollen – „unglücklicherweise liegt dann der Ball genau da an der Stelle“.

Wie so oft bei Handspielen war es auch hier letztlich eine Frage des Ermessens, ob man regeltechnisch ein strafbares Handeln als gegeben ansieht oder nicht. Die Begründung des Referees für seine Sichtweise ist jedenfalls nachvollziehbar und im Sinne der Regelauslegung auch tragfähig: Wenn man in Hölers Bewegung das Vorhaben erkennt, sich am Boden abzustützen und aufzustehen – was die Fernsehbilder allemal hergeben -, und nicht die Intention, den Ball notfalls mit der Hand zu spielen, dann ist das Handspiel in der Tat unglücklich und unabsichtlich geschehen.

In Dortmund greift der Schiri durch

Auch Sieberts Kollege Daniel Schlager hatte das enge Verfolgerduell zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Union Berlin (2:1) gut im Griff und vor allem beim Strafmaß ein gutes Gespür. Die korrekte Gelbe Karte für Niklas Süle nach nur 45 Sekunden – der Dortmunder hatte nach einem Ballverlust in der eigenen Hälfte einen aussichtsreichen Angriff der Gäste durch ein Foul an Sheraldo Becker unterbunden – setzte ein frühes Zeichen. Den durchsichtigen Versuch von Süles Mitspieler Karim Adeyemi, eine Viertelstunde später einen Elfmeter zu schinden, ahndete Schlager zu Recht ebenfalls mit einer Verwarnung.

Überhaupt war der FIFA-Schiedsrichter konsequent bei unsportlichem Verhalten: Auch Becker sah nach 56 Minuten für sein Ballwegschlagen den gelben Karton. Vorausgegangen war ein verbotener Armeinsatz des Berliners im Zweikampf mit Adeyemi, der fahrlässig, aber nicht rücksichtslos war, sodass Becker zu Recht nicht auch für dieses Vergehen verwarnt wurde, was andernfalls Gelb-Rot bedeutet hätte. In der fünfminütigen Nachspielzeit verwarnte Schlager mit Recht die Dortmunder Marco Reus, Emre Can und Jamie Bynoe-Gittens, die eine schnelle Spielfortsetzung durch Wegspitzeln des Balles verhindert oder allzu emotional auf Gegenspieler und den Referee reagiert hatten.

Emotionales Abstiegsduell mit gutem Referee

Frank Willenborg brachte derweil das zeitweise emotionale Aufeinandertreffen des VfL Bochum und des VfB Stuttgart (2:3) im Tabellenkeller mit viel Ruhe und Umsicht über die Bühne. Der Strafstoß für die Hausherren in der 57. Minute nach einem allzu offensichtlichen Halten von Enzo Millot gegen Philipp Förster im Stuttgarter Strafraum war berechtigt, ebenso die etwas kuriose Gelbe Karte für Serhou Guirassy zwanzig Minuten zuvor. Der Stuttgarter hatte den Bochumer Torhüter Manuel Riemann regelwidrig beim Abschlag gestört und so verhindert, dass der Keeper den Ball schnell weit nach vorne schlagen konnte. Regeltechnisch war das die Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs, wofür eine Verwarnung vorgesehen ist.

Auch Willenborg griff in der Nachspielzeit bei Unsportlichkeiten mit Gelben Karten durch, etwa gegen den Stuttgarter Konstantinos Mavropanos und den ausgewechselten, auf der Bank sitzenden Bochumer Kapitän Anthony Losilla nach einer Rudelbildung. Darüber hinaus wurde der Torhüter der Gäste, Fabian Bredlow, verwarnt, weil er beim Abstoß den Ball vom einen Torraumeck zum anderen tändelte, um Zeit zu schinden. Sein Bochumer Pendant Manuel Riemann sah nach dem Schlusspfiff ebenfalls Gelb, weil er sich laut und ausführlich bei den Unparteiischen beschwerte. Schon seit einiger Zeit gehen die Schiedsrichter gegen derlei Mätzchen konsequenter vor, und das ist gut so.

Korrekte Entscheidungen auch in Sinsheim und Berlin

Matthias Jöllenbeck oblag es schließlich, das letzte Bundesligaspiel an diesem Osterwochenende zu beaufsichtigen, in dem die TSG 1899 Hoffenheim in Sinsheim den FC Schalke 04 mit 2:0 bezwang. Für ein Abstiegsduell ging es in dieser Partie vergleichsweise gesittet zu, was auch am Unparteiischen lag, der die Begegnung mit Augenmaß, Kommunikation und Konsequenz leitete.

Der Strafstoß für die Gastgeber nach einem Beinstellen des Schalker Kapitäns Maya Yoshida gegen Christoph Baumgartner war unstrittig. Dass VAR Felix Zwayer eingriff, nachdem Schalkes Torwart Ralf Fährmann den anschließenden Elfmeter von Ihlas Bebou abgewehrt hatte, war ebenfalls korrekt, denn Fährmann war im Moment der Ausführung mit beiden Füßen vor der Torlinie.

Und mag sich auch der Trainer von Hertha BSC, Sandro Schwarz, in und nach der Partie seiner Elf gegen RB Leipzig (0:1) über den Unparteiischen Deniz Aytekin echauffiert haben: Dessen Entscheidung, das Tor des Tages anzuerkennen, war richtig. Denn Mohamed Simakan war bei seinem Kopfball den Berliner Schlussmann Oliver Christensen nicht regelwidrig angegangen, wie der Keeper im Interview des Senders Sky nach dem Schlusspfiff auch selbst konzedierte. So dürfen die Unparteiischen zufrieden auf einen Spieltag zurückblicken, der auch für sie einige Herausforderungen bereithielt. Sie haben sie gut gemeistert.

Quelle: ntv.de; Alex Feuerherdt lebt in Köln und ist dort seit vielen Jahren verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Unparteiischen. Außerdem wird der 52-Jährige als Schiedsrichter-Beobachter in Spielklassen des DFB eingesetzt und arbeitet für den Verband auch als Schiedsrichter-Coach.

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